Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Schmuddelimage BarbershopsSo reagieren Kölner Friseure auf die Aufnahme ins Schwarzarbeitsgesetz

6 min
Santos Subramaniam bedient einen Kunden im Barbershop Cologne

Santos Subramaniam leitet den Barbershop Cologne im Belgischen Viertel. An den Vorwürfen gegen seine Branche sei etwas Wahres dran, erzählt der Kölner.

Das Friseurhandwerk ist stärker als andere Branchen von Schwarzarbeit betroffen. Zwei Kölner Friseure nehmen nicht nur die Politik in die Verantwortung, sondern auch ihre Kundinnen und Kunden. 

Baba Barber, Le Barbier Classic, James Barbershop – seit rund einem Jahrzehnt prägen Barbiere die Stadtbilder deutscher Städte. Allein im Kölner Eigelstein-Viertel ist die Auswahl riesig. Aber auch in vielen anderen Veedeln machen die Herrenfriseure durch den rot-weiß-blau gestreiften Barbierpfosten – ihr Markenzeichen – über den Schaufenstern auf ihr Angebot aufmerksam. Durch Nachrichten über Hautpilzinfektionen oder Schwarzarbeit lässt der Ruf der zunächst auf Bartpflege spezialisierten Coiffeure allerdings zu Wünschen übrig.

Zu Recht, findet Santos Subramaniam. Ihm gehört der Barbershop Cologne in der Brüsseler Straße im Belgischen Viertel. Er kennt die Vorurteile, mit denen seine Branche durch Schlagzeilen in den Medien regelmäßig konfrontiert wird. Die Rede ist von Preisdumping, manchmal sogar von Geldwäsche. Die Betriebe würden sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten, die für Friseure gelten, lautet ein weiterer Vorwurf. Das müssten die meisten ihrer Zunft aber. Denn im Prinzip weichen die Dienstleistungen in Barbershops kaum von gewöhnlichen Hairstylisten ab.

Keine statistischen Belege für Vorwürfe gegen Barbershops

Im Großteil der Läden, das zeigen die Preisschilder, wird nicht nur der Bart gestutzt, es werden auch die Haare geschnitten, gefärbt und gestylt, chemische Mittel kommen zum Einsatz. Sobald dies der Fall ist, gelten die Barbiere als Friseure – und müssen sich an gewisse Regeln halten. Etwa gilt die Meisterpflicht. Ohne Ausnahmegenehmigung sind die Betriebe dazu verpflichtet, einen gelernten Meister als Eigner oder Leiter vorzuweisen. Anders als im Barbershop Cologne, wo Subramaniam diesen Posten einnimmt, werden solche Vorgaben wohl auch mal umgangen, das geht aus mehreren Medienberichten hervor. 

Statistische Belege, die das besondere Ausmaß von Verstößen in Barbershops belegen könnten, gebe es aber nicht, darauf weist die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zoll hin. Ein Grund: Barbiere werden als Friseure definiert und nicht gesondert erfasst.

Schaufenster eines Barbershops, zu sehen ist eine Preisliste. Der Herrenhaarschnitt wird für 17 Euro gelistet, Schüler und Studierende zahlen 17 Euro.

Herrenhaarschnitte gibt es in Köln für unter 20 Euro. Doch niedrige Preise können ein Zeichen für Schwarzarbeit sein, warnt Mike Engels, Obermeister der Friseur- und Kosmetik-Innung Köln.

Trotz fehlender Statistik und obwohl es in Köln auch viele seriöse Geschäfte gebe, sagt Santos Subramaniam, an den Vorwürfen sei etwas Wahres dran. „80 Prozent der Leute, die sich bei mir bewerben, wollen schwarz arbeiten“, berichtet der 39-Jährige. Der Vorschlag eines Bewerbers für einen Job im Barbershop Cologne: „Fifty-Fifty. Bei einem Umsatz von 400 Euro am Tag würde er 200 Euro kriegen und ich auch.“ Doch was auf den ersten Blick wie ein fairer Deal klingt, wäre Betrug. „Zum einen umgeht man die Mehrwertsteuer bei den Einnahmen, weil weniger Umsatz angezeigt wird. Und dann kommt man auch noch an den Sozialabgaben vorbei.“ Denn meistens seien die Arbeitnehmer bei dieser Masche als Aushilfen angestellt, obwohl sie mehr arbeiten, als ein Minijob erlauben würde. 

„Das ist nicht nur kriminell, das ist einfach dumm“, sagt der ausgebildete Friseurmeister. „Ich versuche dann, den Menschen zu erklären, dass es sinnvoll ist, in die Kranken- oder Rentenversicherung einzuzahlen oder eine Arbeitslosenversicherung zu haben. Trotzdem sind viele nicht bereit, diesen Weg zu gehen.“ Sie würden dann schwarz arbeiten – einige Geschäftsinhaber machen wohl mit oder scheinen das Geschäftsmodell selbst vorzuleben.

Lockangebote in den Schaufenstern à la ‚Wir schneiden für 20 Euro‘ sind rechnerisch eine Lachnummer
Mike Engels, Obermeister der Friseur- und Kosmetik-Innung Köln

Anders seien die niedrigen Preise, mit denen manche Läden in der Stadt für Schnitte, Styling und Pflege werben, kaum zu erklären, sagt auch Mike Engels, Obermeister der Friseur- und Kosmetik-Innung Köln und stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands NRW. „Lockangebote in den Schaufenstern à la ‚Wir schneiden für 20 Euro‘ sind rechnerisch eine Lachnummer“, so Engels, der den Friseurladen an der Rennbahn in Weidenpesch mit elf Mitarbeitenden leitet. Auch er habe Zweifel daran, dass es in allen Friseursalons mit rechten Dingen zugeht, das gelte nicht nur für Barbershops.

Ein weiteres Problem der Branche sei etwa die „Nachbarschaftshilfe“, erklärt er. Denn private Friseurdienstleistungen zählen ebenso zur Schattenwirtschaft, wie Nichtzahlung des Mindestlohns oder illegale Beschäftigung. All das sorge für eine Wettbewerbsverzerrung, darauf weist auch der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks (ZV) hin. Regeltreue Betriebe würden Umsätze verlieren, Betriebsschließungen seien die Folge.

Seit der Corona-Pandemie sei die Lage besonders schlimm, berichtet Barbier Subramaniam. „Als die Läden geschlossen waren, haben viele Friseure schwarzgearbeitet, die haben zu Hause geschnitten und gut verdient. Und dann, als Covid abgeklungen war, haben viele gemerkt: Ey, es geht auch ohne Anstellung.“ Vor dem Pandemietief seien im Salon fünf Mitarbeiter angestellt gewesen. Als er den Laden 2023 übernahm, waren noch zwei übrig. Auch die seien gegangen. Subramaniam stemmte das Geschäft allein. Heute bildet er wieder einen Lehrling aus, ein weiterer Barbier unterstützt das kleine Team. 

Wettbewerbsverzerrung durch Mikro-Salons

Viele andere Unternehmen mit mehreren Angestellten, vor allem Familienbetriebe, mussten hingegen schließen. Mit 1438 neuen Geschäften in den vergangenen zehn Jahren und einem prozentualen Anteil von 16 Prozent nehmen Friseure bei den Existenzgründungen in Köln zwar den Spitzenplatz unter den meisterpflichtigen Handwerksbetrieben ein. Aber „die Struktur hat sich verändert“, sagt Mike Engels mit Blick auf die Friseur- und Kosmetik-Innung Köln. Es gebe mehr Einzelunternehmen, sogenannte Mikro-Salons, sowie Reisegewerbe. „Circa die Hälfte der Kölner Friseur-Betriebe haben offiziell keinen Mitarbeiter“, berichtet Engels. Das Problem: „Sie bringen dem Staat keine Steuern, diese Betriebe bilden nicht aus und tun nichts für die Branche.“ Und sie können die Dienstleistungen Engels zufolge bis zu 75 Prozent billiger anbieten. 

Es ist eigentlich schon pervers, Qualität zu fordern, aber dafür nicht dementsprechend auch Preise zahlen zu wollen
Mike Engels, Obermeister der Friseur- und Kosmetik-Innung Köln

Dadurch sei die Existenz vieler anderer Betriebe bedroht, warnt auch der ZV. Um den Problemen der Branche entgegenzuwirken, hat sich nun auch die Politik eingeschaltet. In ihrem Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD vorgenommen, dass das Friseurgewerbe in den Katalog der für Schwarzarbeit besonders anfälligen Branchen eingestuft werden soll. Das hätte effektivere Prüfungen als bislang zur Folge, schreibt die zuständige Zolldirektion. Man könnte flächendeckender kontrollieren, nicht nur im städtischen Gebiet Kölns, sondern auch im Umland, erklärt Engels. Zudem könnte die Zusammenarbeit zwischen Zoll und Innung verstärkt werden.

Der Obermeister der Kölner Friseurinnung begrüßt den Vorstoß. „Kontrollen machen uns sicherer und beweisen, dass wir unsere Mitarbeitenden rechtmäßig bezahlen und Dienstleistungen korrekt abrechnen“, sagt er. „Es wäre schön, die schwarzen Schafe dranzukriegen.“ Das wünscht sich auch Barbershop-Inhaber Subramaniam. „Der Schritt ist längst überfällig“, sagt der Kölner Barbier. Bedenken äußert er nur hinsichtlich des bürokratischen Aufwands – der müsse sich in Grenzen halten.

Auch wenn die Politik nun mit konkreten Handlungen an der Reihe ist, richten sich beide Friseure auch an ihre Kundinnen und Kunden. „Es ist eigentlich schon pervers, Qualität zu fordern, aber dafür nicht dementsprechend auch Preise zahlen zu wollen“, so der Obermeister.

„Es ist ein offenes Geheimnis. Sich für 15 Euro die Haare schneiden zu lassen – das kann nicht funktionieren. Dann förderst du Schwarzarbeit“, sagt auch Santos Subramaniam. Er findet, alle Parteien müssen Verantwortung übernehmen. Die Schuld nur auf die Barbiere zu schieben, sei der falsche Ansatz.