Bastei-Lübbe-Chef im Interview„Influencer haben vor Buchprojekten oft großen Respekt“

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Soheil Dastyari steht vor einem Bücherregal.

Soheil Dastyari, Vorstandsvorsitzender des Bastei Lübbe Verlags.

Soheil Dastyari spricht im Interview über Aktionär Dirk Rossmann, warum Booktok so wichtig ist und wieso er eine neue Verlagsmarke gründet.

Herr Dastyari, Sie waren viele Jahre Geschäftsführer bei Gruner und Jahr, haben dann die Content-Agentur „Territory“ ausgegründet. Seit 2022 führen Sie Bastei Lübbe als Vorstandsvorsitzender. Wie modernisiert ein digitaler Medienmanager denn das alte Medium Buch?

Mein Vorgänger Carel Halff hat glücklicherweise den Verlag in sehr gutem Zustand hinterlassen. Er hatte Bastei Lübbe durch schwierige Jahre gesteuert und saniert, nachdem Umsatz und Gewinn zuvor stark eingebrochen waren. Ich musste also keine Altlasten verwalten, sondern konnte mich aufs Wachstum konzentrieren. Das tun wir unter anderem durch Fokus auf unsere digitalen Geschäftsbereiche Audio und E-Book sowie auf die Community-getriebenen Geschäftsmodelle.

Bastei Lübbe ist seit 2013 an der Börse notiert. Ihr Vorgänger hat vor einigen Jahren in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt, dass er es bereut, an die Börse gegangen zu sein. Wie stehen Sie dazu?

Der Kapitalmarkt ist für einen unabhängigen Verlag, der in neue Geschäftsfelder investieren muss, eine fantastische Finanzierungsmöglichkeit, weil wir damit unabhängig von Hausbanken agieren können. Aktuell haben wir aber keinen großen Finanzierungsbedarf und schöpfen den Kapitalmarkt in dem Sinne nicht voll aus. Auch für unser Image ist die Börse gut: Wir werden breiter wahrgenommen, bei verschiedensten Zielgruppen. Mit der Börsennotierung gehen allerdings auch aufwändige Transparenzpflichten einher, das macht schon Arbeit.

Dirk Rossmann ist einer Ihrer erfolgreichsten Autoren, aber auch mit 20 Prozent Anteilen Ihr zweitgrößter Aktionär. War das vorher schon so oder ist er zum Verlegen seiner Bücher bei Ihnen eingestiegen?

Dirk Rossmann war zunächst unser Autor. Er kam mit einer tollen Idee für einen Thriller auf uns zu. Und wir freuen uns, dass wir das Buch – und auch seine Nachfolgebände – verlegen und zum Erfolg führen durften. Sein Family Office ist als Aktionär eingestiegen. Nicht im Rahmen einer Kapitalerhöhung, sondern Herr Rossmann hat sich über die Börse eingekauft. Er nimmt allerdings keinen Einfluss auf unsere Geschäftstätigkeit. Wir sprechen mit ihm über seine Bücher, da hat er viele Fragen, Anregungen und Ideen.

Bastei Lübbe hat in den letzten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres 84 Millionen Euro umgesetzt und damit 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch der Gewinn ist kräftig gestiegen. Wie bewerten Sie die Performance?

An den Zahlen kann man gut erkennen, dass wir eine diversifizierte Geschäftsstrategie verfolgen und nicht alles auf ein oder zwei Zugpferde setzen. Vielmehr gelingt es uns, den gesamten Verlag in die richtige Richtung zu entwickeln, worüber ich mich sehr freue. Nahezu alle Bereiche des Verlags entwickeln sich gut. Den größten Teil zum Umsatz tragen unsere Belletristik-Marken „Lübbe“ und „Lyx“ bei. Knapp ein Drittel des Umsatzes machen E-Books und Audiobooks aus. Wir veröffentlichen unsere Audiobücher auch bei Streaming-Diensten, auch das zahlt sich für uns aus. Viele Buchverlage stehen Streaminganbietern kritisch gegenüber, aber wir halten es für die richtige Entscheidung. Wir achten sehr genau auf das, was unsere Leser sich wünschen.

Besonders viel Zugkraft hat unsere New-Adult-Marke „Lyx“. Normalerweise interessieren sich Leserinnen und Leser kaum für den Verlag hinter einem Buch. Bei „Lyx“ ist das anders: Die ganz überwiegend weibliche Leserschaft weiß, wenn es von „Lyx“ kommt, wird es ihnen gefallen. Das haben wir vor allem über die sozialen Medien erreicht. Bei Instagram folgen „Lyx“ fast 160.000 Menschen und stellt damit die größte Buch-Community im New-Adult-Bereich. Auch bei Tiktok sind wir mit knapp 40.000 Followern äußerst erfolgreich.

Wie haben Sie das geschafft?

Wir legen großen Wert auf Community Building und digitales Marketing. Entsprechend posten wir nicht nur Beiträge, sondern bauen sogenannte Communitys auf. Dort wird sich dann über Bücher ausgetauscht, wir erfahren, welche Inhalte die Community sich wünscht, und diskutieren gemeinsam die unterschiedlichen Inhalte und Geschichten. So erzeugen wir sogenannte Pull-Effekte, die ein entscheidender Erfolgsfaktor sind und uns zugleich in die Lage versetzen, stetig von unseren Leserinnen und Lesern etwas zu lernen.

Dabei spielt Ihnen der Zeitgeist in die Hände. Auf Tiktok hat sich der Hashtag #booktok etabliert, wo Leser Buchempfehlungen geben. Das Pendant auf Instagram heißt #bookgram.

Das ist eine ganz entscheidende Entwicklung in der Branche und sie ist für uns sehr wichtig. So hat der Handel inzwischen „Booktok“-Tische, auf denen die Bücher liegen, die auf Tiktok gerade im Trend sind.

Sie veröffentlichen unter der Marke „Community Editions“ Bücher von Influencern, zuletzt etwa ein Kinderbuch der Kölner Influencerin Carmushka. Wie läuft das Geschäft?

Sehr gut, wir sind Marktführer in dem Bereich. Auch hier fokussieren wir uns auf den Community-Effekt: In diesem Fall bauen aber nicht wir die Community auf, sondern die Influencer bringen ihre Follower mit. Wir helfen ihnen dabei, das, was sie ausmacht, in Buchform zu transformieren. Wenn Carmushka ihren 1,1 Millionen Instagram-Followern ihr neues Buch präsentiert, löst das eine gewaltige Nachfrage aus.

Wieso entscheiden sich Influencer für die Zusammenarbeit mit Verlagen? Sie könnten das Buch ja auch selbst herausbringen und so mehr Geld einstreichen.

Viele Influencer sind sehr erfolgreich – jedoch in einem anderen Bereich. Vor Buchprojekten haben sie oft großen Respekt. Sie sind zwar gerne Autoren, aber mit den dahinterliegenden Prozessen kennen sie sich nicht aus. Wir arbeiten gemeinsam an der Buchidee, entwickeln ein geeignetes Erzählformat. Das Lektorat steht den Autoren im Schreibprozess beratend zur Seite und arbeitet eng mit den Influencern zusammen. Dann wird das Buch gestaltet, gesetzt, ein Cover-Motiv entworfen, wir legen die Ausgabeform fest, ob es als Hardcover, Paperback oder Taschenbuch erscheint, und zu welchem Preis wir es anbieten.

Die für Sie so wichtigen jungen Leser werden ja auch älter. Wie wollen Sie diese Zielgruppe an sich binden, wenn sie aus dem „Lyx“-Alter raus ist?

Diese Frage treibt uns aktuell um. Genau für diese Zielgruppe gründen wir noch in diesem Jahr eine neue Marke. Diese Leser sind auch in den sozialen Medien aktiv, nur eben weniger auf Tiktok, sondern mehr auf Instagram. Hier können wir unsere Erfahrung von „Lyx“ übertragen und eine Community aufbauen, die diese Leserschaft abholt. Wir sehen, dass sich diese Zielgruppe häufig über Bücher austauschen, es gibt viele Buch-Influencer in der Altersgruppe. Insofern sind die Mechanismen eigentlich recht ähnlich zu den Young- und New-Adult-Communitys.

Nun tut sich der stationäre Einzelhandel in vielen Branchen mehr als schwer. Wie steht es um die Buchhändler?

Das Überangebot an Büchern ist so groß wie in kaum einer anderen Branche. Deshalb sind die Buchhändler so wichtig: Sie treffen eine Vorauswahl, beraten und empfehlen Titel. Die Buchpreisbindung ist dabei ein hohes Gut: Deutschsprachige Bücher müssen überall das Gleiche kosten, egal ob bei Amazon oder im Buchladen um die Ecke. Das stärkt dem Handel den Rücken. 


Bastei Lübbe ist einer der größten deutschen Publikumsverlage. Zu den 14 Verlagsmarken zählen neben Lübbe zum Beispiel der Belletristik- und Sachbuchverlag Eichborn und der Kinderbuchverlag Baumhaus. Verlegt werden Autorinnen und Autoren wie Rebecca Gablé, Ken Follett, Kinderbuch-Autor Jeff Kinney und Liebesroman-Autorin Mona Kasten. 

(Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Textes stand fälschlicherweise, dass die Umsatzangaben sich auf ein Quartal beziehen, sie beziehen sich aber auf drei Quartale. Die Passage wurde entsprechen korrigiert).

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