Kommentar Warum eine Bayer-Aufspaltung derzeit keinen Sinn macht

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Bill Anderson, neuer Chef / Vorstandsvorsitzender der Bayer AG

Bill Anderson, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG.

Konzernchef Bill Anderson hat Recht, nicht schnell das Tafelsilber zu Geld zu machen. Die Frage ist, wie lange er sich noch dagegen wehren kann. 

Der Bayer-Konzern wird nicht zerschlagen – zumindest vorerst. Das Leverkusener Traditionsunternehmen bleibt in der Gesamtheit seiner Sparten Agrar und Pharma erhalten. Mit dieser Ankündigung in London vor Aktionären und Investoren hat Konzernchef Bill Anderson vor allem Zeit gewonnen. Die braucht er dringend, um den Konzern, der in einer der schwersten Krisen seit seinem Bestehen feststeckt, wieder handlungsfähiger zu machen.

Schnelles Geld, aber hohe Kosten

Ein schneller Verkauf der rezeptfreien Medikamentensparte mit dem Klassiker Aspirin würde vielleicht schnelles Geld bringen, das Bayer gut gebrauchen könnte, um seinen Schuldenberg von mehr als 30 Milliarden Euro ein Stück weit abzutragen. Das Geschäft läuft vergleichsweise gut und hat nicht mit gravierenden Schwierigkeiten wie die Pharmasparte mit einer ausgedünnten Produkt-Pipeline und der mit Rechtsrisiken rund um Glyphosat belasteten Agrardivision zu kämpfen.

Genau deshalb schien die Option für einige Investoren so reizvoll und wurde immer wieder gefordert. Anderson argumentiert dagegen schlüssig, wenn er sagt, dass ein Verkauf auch mit erheblichen Kosten sowie hoher Steuerlast verbunden ist und der Prozess enorme Kapazitäten im Unternehmen bindet, die für viele andere Baustellen gebraucht werden.

Und ist das Tafelsilber erstmal verkauft, fehlen auch die beständigen Einnahmen, die Bayer braucht, bis es an anderen Stellen wieder bergauf geht. Ganz abgesehen davon, dass es dauert, bis der Verkaufserlös tatsächlich in den Leverkusener Büchern landet.

Bayer: Die Belegschaft muss mitziehen

Anderson wählt einen anderen Weg. Herzstück ist die komplette Neuorganisation des Konzerns. Der Abbau von Hierarchien, agileres Arbeiten, schnellere Entscheidungen sollen Bayer wieder innovativer machen. Dafür müssen tausende Führungskräfte des mittleren Managements gehen – allerdings zu äußerst großzügigen Konditionen. Auch wenn der Bayer-Chef dies nicht als reines Sparprogramm bezeichnen will, so ist es doch eins. Und ob die Entfesselung der Mitarbeiter aus bislang starren Konzernstrukturen zu mehr Produktivität und Kreativität führt, wird auch davon abhängen, inwieweit die Belegschaft bereit ist, vertraute Pfade zu verlassen und den Weg mitzugehen.

Niedriger Kurs und Mini-Dividende

Der Konzern und sein Chef haben einen schwierigen Weg vor sich. Die Belastungen bei Glyphosat bleiben und neue Blockbuster-Medikamente zu entwickeln, braucht auch weiterhin Zeit. Sollten sich erste nachweisliche Erfolge nicht zeitnah einstellen, wird der Druck der Investoren wieder deutlich steigen. Denn der Wert der Aktie ist immer noch auf einem dramatisch niedrigen Niveau gemessen an Hochzeiten und die Dividende gerade auf das gesetzliche Minimum zusammengestrichen.

Die Debatte um eine Aufspaltung ist also noch längst nicht vom Tisch. Oder wie Bill Anderson selbst sagte: „Nicht jetzt“. Damit sei aber nicht „niemals“ gemeint.

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