Kampf gegen Glyphosat-KlagenBayer legt 3,8 Milliarden Euro für Vergleiche zur Seite

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Glyphosat Roundup Symbolbild

Flasche mit dem Unkrautvernichter Roundup, der je nach Formulierung das Pflanzengift Glyphosat enthält

Leverkusen – Bayer hat seinen Plan für einen Ausweg aus der seit Jahren andauernden Glyphosat-Krise des Leverkusener Konzerns aufgezeigt. „Für unser Unternehmen, unsere Eigentümer und unsere Kunden ist es wichtig, dass wir nach vorne blicken und die Unsicherheit der Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten hinter uns lassen können“, sagte Vorstandschef Werner Baumann bei einer Telefonkonferenz mit Investoren am Donnerstag.

96.000 Klagen beigelegt

Bayer hat bereits 96.000 von rund 125.000 bestehenden Klagen beigelegt oder sie aus dem Vergleich ausgeschlossen. Die krebskranken Klägerinnen und Kläger machen glyphosathaltige Produkte der Marke Roundup von Bayers US-Tochter Monsanto für ihre Erkrankung verantwortlich. Für diese aktuellen Klagen hat das Unternehmen insgesamt bis zu 9,6 Milliarden US-Dollar (rund 8,1 Milliarden Euro) bereits gezahlt oder zur Seite gelegt.

Offen ist noch der Umgang mit Klagen von Menschen, die in der Zukunft noch erkranken werden. Ende Mai dieses Jahres war Bayer aus den gerichtlich angeordneten Verhandlungen über eine Lösung dieser künftigen Klagen ausgestiegen. Zuvor hatte der zuständige kalifornische Richter zwei Vorschläge für einen finanziellen Vergleich abgelehnt.

Die Unsicherheit über die künftigen finanziellen und rechtlichen Folgen lastet schwer auf dem Dax-Konzern: So hat sich Bayers Börsenwert seit den ersten Glyphosat-Urteilen im Sommer 2018 beinahe halbiert.

Zwei Szenarios

Bayers Plan, diese Unsicherheiten zu beseitigen, beinhaltet nun zwei Szenarios – und in beiden spielt der Supreme Court, das oberste Bundesgericht der USA, eine entscheidende Rolle. Im ersten Szenario entscheidet der Supreme Court, dass im Fall des Klägers Edwin Hardeman – dem Bayer laut zweitinstanzlichem Urteil rund 20,6 Millionen Euro Schadenersatz zahlen soll – Schadenersatzansprüche nach Recht des Bundesstaats Kalifornien wegen fehlerhafter Warnungen überhaupt nicht bestehen können, weil diese mit dem Bundesrecht kollidieren.

Eine solche Entscheidung würde Klägerinnen und Klägern zentrale Argumente in der Prozessführung zunichte machen, die sich vor allem auf fehlende oder falsche Warnhinweise vor Gesundheitsgefahren berufen. Bayer schlussfolgert, dass das Urteil „die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat in den USA weitgehend beenden “ würde – der gewünschte Ausgang des Konzerns.

3,8 Milliarden Euro zurückgestellt

Im zweiten Szenario nimmt der Supreme Court den Fall Hardeman entweder gar nicht zur Verhandlung an oder urteilt im Sinn des Klägers. „In diesem Fall würde Bayer ein eigenes Programm aufsetzen, um mit Klagen und Ansprüchen umzugehen“, heißt es vom Konzern. Bayer würde dann künftige Klagen durch Einzelvergleiche mit Roundup-Nutzern, die in den kommenden 15 Jahren ein Non-Hodgkin-Lymphom entwickeln, beilegen.

Die Entschädigungssumme soll sich an aktuellen Vergleichen orientieren – abzüglich der Gebühren für Klägeranwälte. Auch weitere Gerichtsprozesse kämen in Frage. Für dieses Szenario bilden die Leverkusener für das zweite Quartal eine Rückstellung in Höhe von umgerechnet 3,8 Milliarden Euro. 

Entscheidung im Jahr 2022 erwartet

„Wir wollen damit gegenüber unseren Investoren deutlich machen, dass die Risiken des Glyphosat-Rechtstreits angemessen in der Bilanz abgebildet sind und sich die finanzielle Lage durch eine vorteilhafte Entscheidung des Supreme Courts sogar signifikant besser darstellen kann“, sagte Baumann. Den Antrag auf Überprüfung des Hardeman-Falls will Bayer im August einreichen, im Falle einer Verhandlung wird eine Entscheidung des Supreme Courts für das Jahr 2022 erwartet. Weitere Vergleichsverhandlungen will das Unternehmen bis zu einer Entscheidung dann nicht mehr führen.

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Zu den weiteren Maßnahmen zur Minimierung von Rechtsrisiken gehört, dass Bayer ab 2023 keine glyphosathaltigen Roundup-Unkrautvernichter mehr an Privatkunden in den USA verkaufen wird. Künftig sollen alternative Wirkstoffe eingesetzt werden. Private Anwender sind in den USA für mehr als 90 Prozent der Glyphosat-Klagen verantwortlich. Landwirte sollen daher auch Glyhosat weiter nutzen können.

Darüber hinaus will Bayer auf Glyphosat-Produkten künftig auf eine eigene Webseite hinweisen, die wissenschaftliche Studien zur Sicherheit von Glyphosat sammelt. 

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