Commerzbank-Chef im Westen„Bankgeschäfte werden auf dem Sofa gemacht“

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Mario Peric

  • Mario Peric (42) ist in Stuttgart aufgewachsen und startete seine Bankkarriere als Auszubildender 1993 bei der ehemaligen Dresdner Bank.
  • Nach verschiedenen Berater- und Führungsfunktionen im Vertrieb, unter anderem in der Wertpapierberatung und als Leiter Private Banking in Stuttgart, wechselte er 2013 in die Frankfurter Zentrale.
  • Zuletzt verantwortete Peric seit 2015 erfolgreich die Stuttgarter Niederlassung der Commerzbank, bevor er im Oktober 2019 zum Bereichsvorstand Privat- und Unternehmerkunden für den Marktbereich West berufen wurde.

Herr Peric, Ihr Vorstand Michael Mandel hat mir vor zwei Jahren im Interview versprochen, dass es bei der Commerzbank keine weiteren Filialschließungen gibt. Jetzt schließt die Commerzbank jede fünfte Filiale. Was ist da los?

Wir passen uns dem Verhalten unserer Kunden an. Und die nutzen Filialen einfach anders als früher. Gleichzeitig  fragen sie häufiger digitale Dienstleistungen nach. Die Zeiten ändern sich. So sind die Kinos weiterhin voll, aber Menschen gehen auch nicht mehr in Videotheken, wenn sie Tausende Kinofilme zuhause streamen können. So ist es auch mit dem Verhalten von Bankkunden. Die meisten Überweisungen werden heute auf dem Sofa getätigt und nicht mehr in der Filiale.

Heißt das, dass Bankfilialen also obsolet sind?

Nein, keineswegs. Sie werden nur für andere Dienstleistungen in Anspruch genommen. Bei der Vermögensanlage, der Altersvorsorge oder der Baufinanzierung etwa ist eine persönliche Beratung für die meisten Kunden unerlässlich und wird weiter in Anspruch genommen. Ohne Filialen hätten wir sicher auch weniger Kontoeröffnungen. Wir haben neun Millionen Besucher in unseren Filialen – pro Monat. Aber für viele Dienstleistungen sagen vor allem jüngere Kunden: Ich habe keinen Bock auf Filiale und nutze mein Smartphone. Dem müssen wir entgegenkommen. Daher sind wir der Meinung: 800 Filialen sind ausreichend in Deutschland. Damit bleiben wir auch weiterhin die Privatbank mit einem der größten Filialnetze in Deutschland. Außerdem sind die meisten Maßnahmen bei uns die Zusammenlegungen von Filialen in enger Nachbarschaft – also im Grunde Doppelstandorte.

Dieses Argument hat Ihr Institut schon vor zehn Jahren nach der Übernahme der Dresdner Bank angebracht: Keine Filialschließungen, nur Zusammenlegung von Doppelstandorten. Das kann ja irgendwie nicht gestimmt haben, sonst gäbe es ja keine Doppelstandorte mehr, wie sie es nennen. Es sind schlicht Schließungen…

Wir dürfen nicht ausblenden, unter welchem Druck die deutschen Kreditinstitute stehen. Wir haben eine zunehmende Regulatorik, einen hohen  Margendruck, der Zins ist weg. Das spüren wir bei den  Erträgen. Wir müssen handeln, weil wir als Banker auch Unternehmer sind, was viele vergessen. Und zu Ihrer Annahme mit den Schließungen: Wir haben in großen Städten unverändert viele Filialen, die wenige Minuten voneinander entfernt sind. Unsere Filiale an der Düsseldorfer Königsallee wird Ende 2020 geschlossen. Doch die nächste große Niederlassung ist an der Breite Straße. Das ist nicht mal 60 Meter entfernt. Solche Doppelstandorte sind nachvollziehbarer Weise nicht tragbar, die Zusammenlegung birgt keine Probleme für Kunden.

Welche Filialen in NRW werden geschlossen?

So weit sind wir noch nicht. Wir prüfen das intensiv und besprechen es mit den Arbeitnehmervertretern. Aber um mal ein Beispiel zu nennen: Es gibt Filialen, die von Sprengungen Krimineller teils mehrfach betroffen waren und erheblich beschädigt wurden. Hier schauen wir uns genau an, welche davon wir wieder eröffnen. Gleichzeitig bauen wir auch das Netz an Cityfilialen aus. Vier gibt es schon hier im Rheinland, eine in Köln am Rudolfplatz, eine in Leverkusen und zwei weitere  in Düsseldorf.

Weniger Filialen brauchen weniger Personal, wie viel weniger?

Die Commerzbank plant konzernweit einen Abbau von netto 2300 Stellen. Das ist leider nicht zu vermeiden. Die Details müssen nun gemeinsam mit den Arbeitnehmergremien beraten werden.

Die Internet-Bank-Tochter Comdirect soll in die Commerzbank integriert werden. Warum, jahrelang haben Ihre Kollegen erzählt, zwei Marken wären wegen unterschiedlicher Kunden notwendig?

Durch die fortschreitende Digitalisierung gleichen sich die Geschäftsmodelle von Commerzbank und Comdirect immer mehr an.  Die Vorteile einer Zweimarkenstrategie nehmen daher ab. Wir bündeln nun die Kräfte, um einen stärkeren Hebel bei der Weiterentwicklung unserer digitalen und mobilen Angebote zu bekommen. Künftig wollen wir beiden Kundengruppen alle Kanäle anbieten und gleichzeitig Skaleneffekte heben.

Heißt das, manche Kunden haben bald zwei Konten bei Ihnen, weil sie vorher bei der Commerzbank und der Comdirect waren?

Das wissen wir heute noch nicht. Ziel ist es, die attraktiven Angebote der Comdirect zu erhalten und noch besser zu machen. Ich kann Ihnen aber sagen: Die Commerzbank hat gute Erfahrungen in der Integration von anderen Banken. Die Integration der Dresdner Bank gelang in nur 1000 Tagen. Auch die Schmidtbank wurde geräuschlos für Kunden integriert.

In Wahrheit leben Deutschlands Banken auch bei Niedrigzinsen nur gut, weil der Immobilienmarkt so boomt. Wann platzt die Blase?

Der Boom auf dem Immobilienmarkt wird weitergehen. Ich sehe keine fallenden Preise bei Häusern und Wohnungen. Außerdem stützen zwei Aspekte meine Einschätzung. Zum einen haben wir fast Vollbeschäftigung. Zum anderen hält der Trend zu mehr Ein-Personen-Haushalten weiter an, was die Nachfrage weiter befördert. Das Kreditgeschäft also bleibt für uns eine attraktive und recht sichere Einnahmequelle.

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Ihre Wettbewerber haben fast unisono die Kontoführungsgebühren angehoben, teils drastisch. Sie halten am kostenlosen Gehaltskonto fest. Bleibt das so? Wie lohnt sich das?

Das kostenlose Konto bleibt. Das ist ganz einfach: Wer das Konto hat, hat den Kunden, und zwar mit den allermeisten Geschäften, die er mit einer Bank überhaupt abschließt. Das kostenlose Konto ist für uns der Schlüssel für mehr Wachstum. Ein Drittel unserer Erträge machen wir inzwischen mit Kunden, die wir nach 2013 gewonnen haben.

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