„Die Familienunternehmer“-Vorstände im Interview„Handwerkerspur statt Umweltspur“

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David Zülow (l.), Olaf Ziegs, die neuen Vorstände des Verbands „Die Familienunternehmer“

  • David Zülow und Olaf Ziegs sind die neuen Vorstände des Verbands „Die Familienunternehmer“.
  • Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sprechen sie unter anderem über die Wohnungsnot in Köln und Umgebung sowie die Rolle von Gewerbeflächen.
  • Dabei plädieren Zülow und Ziegs dafür, der Industrie in Nordrhein-Westfalen mehr Platz einzuräumen.

Herr Zülow, Herr Ziegs, Sie sind beide frisch in Ihre Ämter beim Lobbyverband „Die Familienunternehmer“ in der Region gewählt worden. Ihr Verband reklamiert die eine Stimme Mehrheit der NRW Koalition für sich, wie groß ist ihr Einfluss auf die Politik?

Zülow: Wir haben 2017 für einen Politikwechsel geworben. NRW war in vielen Bereichen Schlusslicht, außer bei den Schulden. SPD und Grüne haben damals jedes Gespräch verweigert. Da gab es viel Ideologie aber wenig Pragmatismus. Das ist mit CDU und FDP anders geworden. Wir werden wahrgenommen und es gibt konstruktiven Austausch, aber in dem Chor singen nach wie vor viele mit.

Was ist denn die drängendste Sorge ihrer mittelständischen Mitglieder?

Zülow: Das ist vor allem die Flächennutzung in NRW. Wir beobachten einen zunehmenden Wettbewerb zwischen Wohnbebauung und Gewerbeflächen. Und dieser Wettbewerb geht zunehmend zu Ungunsten der gewerblichen Areale aus. Teilweise werden sogar bereits als Gewerbegebiete ausgewiesene Flächen zur Wohnbebauung umgewidmet.

Aber der Wohnungsmangel ist messbar und im Sinne des Fachkräftemangels eine Gefahr. Sie Unternehmer sagen doch gerade, dass für Sie das größte wirtschaftliche Problem ist, gute Leute zu finden. Und die brauchen Wohnungen…

Ziegs: Klar, aber man muss da einen Kompromiss finden. Es bringt uns und den Mitarbeitern reichlich wenig, wenn es in den Ballungsräumen nur noch bezahlbaren Wohnraum gibt, aber keine Jobs, die zu einer Finanzierung der Mieten taugen. Menschen wollen im Ballungsraum wie Köln oder Düsseldorf wohnen und auch arbeiten. Daher fordern wir besonders von den Kommunen in der Rheinschiene, mehr Gewerbeflächen auszuweisen. Die Kommunen aber packen das nicht an. Sie haben Angst vor einer Kritik der Anwohner an Emissionen wie Geruch und Lärm. Aber das gehört zum Wohlstand im industriell geprägten Ballungsraum halt dazu. Im Übrigen darf ein überbordender Mieterschutz nicht zu einer Einstellung von Produktion in unserer Region führen.

Es ist aber kein Zauberwissen, dass Flächen zu den wenigen Gütern gehören, die nicht vermehrbar sind. Wie wollen Sie das Dilemma lösen? Äcker und Wiesen zu Industriegebieten etwa?

Zülow: Wir dürfen die Interessen von Landwirten, Naturschützern, Anwohnern und Gewerbe nicht gegeneinander ausspielen. Es würde uns auch viel helfen, mal wieder dreidimensional zu denken. Warum sollten wir nicht auch bei Wohnungen in die Höhe bauen? Das heißt ja nicht mehr, dass man Plattenbauten a la DDR hochziehen muss. Die Menschen drängt es nun einmal in die Ballungsräume Köln und Düsseldorf, ob wir wollen oder nicht: Hier entstehen gerade Megacitys.

Aber ein Blick aufs Satellitenbild zeigt: Köln und Düsseldorf sind voll, jeder Meter ist bebaut…

Ziegs: Wir müssen den Gedanken der Metropolregion Rheinland wieder stärker denken, und nicht in Kirchturmdenken verfallen. Es gibt im Speckgürtel durchaus Platz für Gewerbe, und dessen Ansiedlung nützt dann den großen und den kleinen Städten gleichermaßen. Das heißt ja nicht, Landräte zu Bezirksvorstehern zu degradieren, im Gegenteil: Da werden handlungsfähige Pragmatiker gebraucht. Wenn man sich aber nur als Konkurrenten betrachtet, verharren wir alle im Stillstand und andere Regionen ziehen an uns vorbei.

Heißt das auch, dass man in Sachen Gewerbesteuer enger zusammenrücken sollte und damit dort keinen Wettbewerb zulässt?

Zülow: Keinesfalls. Wettbewerb ist auch hier förderlich. Schauen Sie nach Monheim. Dort zeigt Bürgermeister Zimmermann, wie man eine Kleinstadt durch eine Reduzierung der Gewerbesteuer finanziell sanieren und beleben kann. Doch der viel beachtete Steuersatz dort, das vergessen viele, ist im bundesweiten Vergleich gar nicht besonders niedrig. Das Problem ist, dass nahezu alle NRW-Kommunen einen unverschämt hohen Gewerbesteuersatz haben.

In NRW liegt der Hebesatz im Schnitt bei über 400 und klettert bis auf 580 in Oberhausen, in Gesamtdeutschland nur bei 300. Bei der Grundsteuer ist es nicht anders. Die NRW-Kommunen sind besonders gefräßig – anders kann man das nicht sagen. Man toppt bei den Steuersätzen beinahe München, ohne nur im Ansatz eine vergleichbare Infrastruktur zu haben. Im Münchener Umland wäre Monheim übrigens im absoluten Durchschnitt, aber auch in Hessen oder Rheinland-Pfalz. Das sind doch alles keine Steueroasen!

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Wenn der Wettbewerb so gut und heilsam ist, dann ziehen Sie mit Ihren Familienunternehmen doch woanders hin…

Zülow: Nix da! Wir sind mit der Region verheiratet. Die Familienunternehmer leben von, mit und aus der Region. Und die Regionen leben sehr gut mit uns. Stellen Sie sich mal ein Vereinsleben ohne das persönliche und finanzielle Engagement von Familienunternehmern vor. Da wäre vieles nicht möglich. Das ist anders als bei großen Konzernen. Wir wollen gar nicht ins Ausland oder in billigere Regionen verlagern, sondern in NRW produzieren. Aber dafür wollen wir nicht auch noch bestraft werden, wenn wir hier an Rhein und Ruhr Jobs erhalten und schaffen.

Sie fühlen sich also den großen Konzernen gegenüber benachteiligt?

Ziegs: Wir lassen uns doch nicht gegeneinander ausspielen. Die Mischung macht es. Denn gerade wir als Mittelständler leben doch davon, dass wir Aufträge von Playern wie Ford, Bayer, Deutz und Co. erhalten. Wir brauchen auch Industrie-Politik im Land, keine Frage. Und von einer mäßigen Senkung der Gewerbesteuer profitieren große und kleine Firmen gleichermaßen.

Aber die Kommunen in NRW müssen den Strukturwandel finanzieren, wie soll das gehen ohne Steuereinnahmen?

Ziegs: Auch wir müssen den Strukturwandel finanzieren. Und jeder Euro, den wir an Steuern zahlen, der fehlt uns für Investitionen. Ein Euro, den wir, wie auch immer, der Verwaltung geben, der ist früher oder später weg, während unsere Unternehmen aus einem Euro später 1,10 Euro machen - und darauf auch wieder Steuern zahlen. Wir wollen ja kein Steuerparadies wie Luxemburg werden. Uns reichen wettbewerbsfähige Steuersätze, also solche auf Bundesdurchschnitt.

Wettbewerb der Städte einerseits, Zusammenarbeit andererseits – klingt wie die Quadratur des Kreises. Wie soll das gehen?

Zülow: Was spricht dagegen, wenn Nachbarkommunen neue Wege gehen. Wenn etwa das Gewerbegebiet in Krefeld und die Anfahrtswege in Meerbusch liegen, und man sich die entstehenden Gewerbesteuereinnahmen dann teilt. So eine Art Sonderwirtschaftszone.

Geht das praktisch, ich denke da an den Zoff bei der Gründung der Metropolregion Rheinland?

Ziegs: Wir müssen die rheinischen Eitelkeiten überwinden. Zwischen Henriette Reker und Thomas Geisel darf es bei solchen Sachen nicht zum Streit kommen, wer als erster das Mikrofon hält. Zusammenarbeit sieht anders aus. In der Region liefern Städte wie Köln und Düsseldorf die Sexyness, und Leverkusen oder Dormagen profitieren gleichermaßen davon. Das ist kein Schmarotzertum, sondern Symbiose.

Die Städte verbindet ja auch einiges, neuerdings etwa die Umweltspur in Düsseldorf und die Pendlerampel in Köln. In beiden Orten herrscht seitdem Verkehrschaos zu gefühlt jeder Tageszeit…

Ziegs: (lacht) Umweltspur und Co. sind ökologischer und ökonomischer Blödsinn und gehören verboten. Mir ist sowieso schleierhaft, wie im Stau stehende Autos CO2 oder Feinstaub verringern sollen. Da sollte man mal lieber über eine Handwerkerspur nachdenken. Denn Handwerker können samt Werkzeug nicht mit Bus oder Fahrrad zum Kunden fahren.

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