Die Finanzlücke der Stadt wird Ende Dezember rund 582 Millionen Euro betragen. Das sind 182,5 Millionen mehr als bisher angenommen. Köln droht der Verlust der Finanzhoheit.
Vorerst bis DezemberStadtkämmerin zieht Notbremse – Köln verhängt eine Haushaltssperre

Kein guter Start: Henriette Reker übergibt die Führung der Stadt Köln an den neuen Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD). Der startet gleich mit einer Haushaltssperre ins Amt.
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Das ist kein guter Start für Kölns neuen Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD): Zwei Tage vor seiner offiziellen Amtseinführung hat Stadtkämmerin Dörte Diemert am Dienstag eine Haushaltssperre verhängt. Grund ist eine dramatische Verschlechterung der Finanzlage. Nach einer neuen Prognose der Kämmerei wird das Minus am Jahresende statt der erwarteten 399,5 Millionen bei 582 Millionen Euro liegen.
Das sind 182,5 Millionen mehr als bislang angenommen. Hauptgründe sind laut Stadtkämmerin stark steigende Ausgaben in den Bereichen Soziales und Jugendhilfe und stagnierende Einnahmen bei der Gewerbesteuer.
Der Oberbürgermeister und die Kämmerin halten die Haushaltssperre für notwendig, um die finanzielle Handlungsfähigkeit Kölns zu sichern. Ohne ein Gegensteuern drohe in den kommenden Jahren eine Überschuldung und die Pflicht, ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen.
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Die Haushaltssperre gilt zunächst bis Ende Dezember. Sie hat zur Folge, dass nur noch Ausgaben getätigt werden, zu denen die Stadt rechtlich verpflichtet ist oder die zwingend erforderlich sind. Freiwillige Projekte werden auf Eis gelegt. Ob und wie lange die Haushaltssperre verlängert werden muss, soll im Dezember auf der Grundlage der dann aktualisierten Finanzdaten für die kommenden Jahre entschieden werden. Sehr wahrscheinlich ist aber nicht, dass sich die Lage in knapp zwei Monaten deutlich verbessern wird.
Oberbürgermeister Burmester sprach von einer „dramatischen Haushaltslage“ und appellierte „an Land und Bund, die finanzielle Lage der Kommunen ernst zu nehmen“ und dieser Verantwortung gerecht zu werden. „Diese Herausforderung können wir nur mit einem gemeinschaftlichen Kraftakt meistern – unser Ziel bleibt, die Handlungsfähigkeit der Stadt zu sichern.“

Stadtkämmerin Dörte Diemert zieht die Notbremse: Das Finanzloch wird Ende des Jahres um 182,5 Millionen Euro höher als erwartet ausfallen. Foto: Alexander Schwaiger
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Aus Sicht der Kämmerin muss Köln einen harten Sparkurs einschlagen, um das Abrutschen in die Haushaltssicherung „mit gravierenden Folgen“ zu verhindern. Köln stehe „stellvertretend für etliche Kommunen, die immer mehr Aufgaben mit immer weniger finanziellen Spielräumen bewältigen müssen – und das im Umfeld einer schlechten gesamtwirtschaftlichen Lage.“
Eberhard Kanski, stellvertretender Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler NRW, sprach von einem „Hilfeschrei der Verwaltung“, weil es nicht mehr nur um ein Defizit von einigen Millionen Euro ginge. „Es ist auch ein Signal an den neu gebildeten Stadtrat, dass man so nicht weitermachen kann. Köln muss eine Trendwende einleiten. Zur Wahrheit gehört auch: Durch zwei Monate Haushaltssperre wird man das Ruder nicht herumreißen können.“ Laut Kanski sind schon genehmigte Gelder für Vereine, Verbände und Institutionen nicht gefährdet, „kurzfristig lässt sich da nicht viel verändern“. Wer geplant habe, aktuell Zuschüsse bei der Stadt zu beantragen, werde hingegen leer ausgehen.
Reaktionen der Kölner Politik
Unausweichlich, alternativlos, kurzfristig sinnvoll. Bund und Land dürften die Städte und Gemeinden nicht länger im Regen stehenlassen. Das sind die einhelligen Reaktionen der Ratsfraktionen auf die von Stadtkämmerin Dörte Diemert in Absprache mit Oberbürgermeister Torsten Burmester verhängte Haushaltssperre bis Ende Dezember.
„Die Haushaltssperre ist ein schmerzhafter, aber notwendiger Schritt, um die finanzielle Handlungsfähigkeit unserer Stadt zu sichern. Wir unterstützen, dass die Stadt Köln verantwortungsvoll reagiert und gegensteuert“, sagt Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Gerade jetzt gilt es, Ausgaben mit Augenmaß zu priorisieren – soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Zukunftsinvestitionen dürfen dabei aber nicht gegeneinander ausgespielt werden.“ Die Grünen hätten „bereits bei der Haushaltsaufstellung bewiesen, dass wir Verantwortung übernehmen und deshalb erste Konsolidierungsmaßnahmen beschlossen“.
SPD-Fraktionschef Christian Joisten bezeichnete das Vorgehen der Kämmerin als „notwendig und konsequent, um die Handlungsfähigkeit der Stadt zu erhalten. Jetzt gilt es zügig einen Konsens zu finden, um die städtischen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen. Wir werden dabei besonders darauf achten, den sozialen Zusammenhalt in Köln zu sichern“.
Aus Sicht des CDU-Fraktionsvorsitzenden Bernd Petelkau bestätige die Haushaltssperre „die aktuelle Finanznot der Kommunen. Bund und Land müssen jetzt zügig handeln, damit keine wertvollen Strukturen vor Ort verloren gehen. Die Verwaltung bleibt bis dahin aufgefordert, erforderliche Einsparungen mit Augenmaß und unter Berücksichtigung des Erhalts von bestehenden Strukturen vorzunehmen“.
Für die Volt-Fraktion schlägt die Chefin Jennifer Glashagen vor, in Köln nach dem Vorbild von Wiesbaden ein Zero-Based-Budgeting einzuführen. „Bisher werden Gelder vom alten ins neue Jahr übertragen. Zero-Based-Budgeting ist nicht nur transparenter, sondern ermöglicht auch, veraltete Muster zu überwinden. Damit jeder ausgegebene Euro einen möglichst großen Nutzen für die Kölnerinnen und Kölner bringt.“
Aus Sicht der Linken verschärfe die Haushaltssperre die großen sozialen Probleme. „Hilfen der Stadt bei drohender Obdachlosigkeit und ausweglosen Lebenssituationen von Jugendlichen wird es nicht mehr ausreichend geben“, sagte Fraktionschef Heiner Kockerbeck. Aus diesem Grund habe die Linke wiederholt vorgeschlagen, für Ausgaben im sozialen Bereich die Gewerbesteuer zu erhöhen. Der Stadtrat müsse über die Haushaltssperre in der Sitzung am kommenden Donnerstag, 6. November, diskutieren. „Es darf nicht nur informiert werden.“
Reker warnte schon im Januar vor dramatischer Finanzlage
Dass die Stadt Köln große Finanzsorgen hat, ist nicht neu: Schon Anfang des Jahres hatte die damalige Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) von einer „dramatischen Finanzlage“ gesprochen und erneut mehr Geld von Bund und Land gefordert, damit Kommunen ihre Aufgaben erledigen könnten, die Bund und Land ihnen auftragen.
Unter anderem verzögerte sich wegen der Finanznot auch die Aufstellung und Genehmigung des Haushaltes für die Jahre 2025/2026. Deshalb galt der Haushalt erst, nachdem das Jahr 2025 schon lange begonnen hatte, weil die Verwaltung vorher noch Einsparungen beraten musste und der Rat das Zahlenwerk verabschiedete. Die Ausgaben liegen jeweils über sechs Milliarden Euro. Kämmerin Dörte Diemert sprach schon damals davon, dass der vorgelegte Haushalt der Stadt eine Atempause verschaffe, die Situation sei aber alles andere als stabil.
Diemert hatte im Vorjahr schon gesagt, dass Köln auch ins Haushaltssicherungskonzept rutschen könne, wenn die Stadt nicht spare. In diesem Fall müsste die Stadt darlegen, wie sie schnellstmöglich den Haushalt ausgleichen will, also keine Verluste mehr macht. Die Bezirksregierung müsste dieses Konzept genehmigen, der Spielraum der Stadt könnte deutlich kleiner werden.
582 Millionen-Loch lässt Eigenkapital um zehn Prozent schrumpfen
Auf die Kölner Politik kommen nun harte Zeiten zu. Zuletzt hatten sie bei der vorgelegten Liste der Großbauprojekte mit einem Volumen von rund acht Milliarden Euro nicht besonders viel Sparwillen gezeigt. Am Ende entschied Reker selbst, beispielsweise die Erweiterung der Hohenzollernbrücke aufzuschieben. Sie sagte: „Ich hatte mir erhofft, dass der Stadtrat die Entscheidungen trifft. Jetzt habe ich es eben selbst gemacht. Wir werden uns nicht alles leisten können. Es ist ein Blick auf die Realität angesagt.“ Bliebe es bei dem Minus von 582 Millionen Euro, würde das städtische Eigenkapital in nur einem Jahr laut Stadt um mehr als zehn Prozent reduziert.
Die finanzielle Notlage Kölns trifft auch die städtischen Unternehmen wie die Kölner Verkehrsbetriebe, die in den Stadtwerken vereint sind.
