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Corona-Boom bei HaustierenHunde und Katzen beliebter denn je – Züchter überfordert

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Das Geschäft mit Heimtieren boomt in der Krise.

Krefeld/Köln – Im Volksmund gilt der Hund als bester Freund des Menschen. In Zeiten, in denen menschliche Freunde auf Sicherheitsabstand bleiben müssen, haben sich die Deutschen zuletzt besonders gerne den tierischen Pendants zugewandt: Tierschutzverbände, Hundezüchter, Zoofachhandel – sie alle sprechen für das vergangene Jahr von einem regelrechten „Corona-Boom“ auf dem Heimtiermarkt.

„Unsere Züchter brechen zusammen vor lauter Anfragen“, heißt es beim Verband des Deutschen Hundewesens (VDH). Dort schätzt man, dass 2020 etwa 20 Prozent mehr Hunde verkauft wurden als im Vorjahr. Teilweise hätten Züchter ihre Internetseiten vom Netz nehmen müssen, weil sie mit der Anfrageflut überfordert und keine Tiere mehr vermittelbar gewesen seien.

Das Haustierregister „Findefix“ des Tierschutzbundes erfasste 15 Prozent mehr Tieranmeldungen; Tierheime wie das in Köln-Zollstock wurden mit Anfragen „überschwemmt“. Im Zoofachhandel stieg die Nachfrage nach Kleinsäugern, Ziervögeln, Fischen und Terrarien-Tieren, teilweise konnten die Züchter keine Tiere mehr nachliefern. Auch eine Mitteilung der Gothaer-Versicherung, die kürzlich Rekordzahlen bei Tierhaftpflicht- und Krankenversicherungen verkündete, läuft mit dem Trend.

Tierfachhandel boomt

Während der Tierschutzbund nun vor unüberlegten Käufen und illegalem Tierhandel warnt, boomen die Geschäfte mit Tierbedarf. Die Krefelder Fachmarkt-Kette Fressnapf – nach eigenen Angaben die größte in ganz Europa – hat 2020 das stärkste absolute Umsatzwachstum der eigenen Geschichte verzeichnet. Der Wert stieg um 15,2 Prozent auf insgesamt 2,65 Milliarden Euro. Allein auf dem deutschen Markt wurden 1,57 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Auch Unternehmenschef Torsten Toeller sieht einen der Gründe dafür im Corona-Boom. „Wir haben festgestellt, dass viele neue Tierhalter dazugekommen sind“, sagte er am Mittwoch auf der virtuellen Vorstellung der Jahreszahlen in Krefeld. Die Pandemie habe darüber hinaus aber auch zu einer „stärkeren emotionalen Bindung“ zwischen Mensch und Tier geführt. „Wenn die Leute mehr Zeit mit ihren Tieren verbringen, kaufen sie mehr für sie ein.“

Mehr Zubehör verkauft

Bei Fressnapf zeigte sich das in der gesteigerten Nachfrage nach Zubehör, der Verkauf von Hunde- und Katzenspielzeug sei „durch die Decke gegangen“, so Toeller. Der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe (ZZF) erkennt für die gesamte Branche ein deutliches Plus bei Premiumprodukten fürs Tier – zum Beispiel größeren Gehege, hochwertigen Kratzbäumen oder Nahrung. „Die Wertigkeit der Tiere hat zugenommen. Die Halter sind bereit, Geld für sie auszugeben“, sagte eine Sprecherin. Auch die Preise für Haustiere seien zuletzt in die Höhe geschnellt.

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Bei Fressnapf geht man davon aus, dass der Trend zum Haustier nachhaltig ist. Im laufenden Jahr will das Krefelder Unternehmen erneut zweistellig wachsen und den Markt weiter konsolidieren. Aktuell beträgt der Marktanteil in Deutschland rund 25 Prozent. Auch der Ausbau des Onlinegeschäfts schreitet voran, obwohl der Anteil Toellers Schätzungen zufolge mit 13 bis 14 Prozent deutlich geringer ist. Galt die Handelskette im Digitalgeschäft lange als abgeschlagen, sieht sie sich jetzt im Aufwind: 2020 stiegen die Umsätze hier um rund 45 Prozent auf etwa 160 Millionen Euro.

Auch Konkurrenz erfolgreich

„Unser Onlinegeschäft ist doppelt so stark gewachsen wie im Jahr zuvor – und wir nehmen an, auch doppelt so stark wie bei unserem größten reinen Online-Konkurrenten“, sagte Fressnapf-Geschäftsführer Hans-Jörg Gidlewitz am Mittwoch mit Seitenhieb auf den Onlineplatzhirsch Zooplus. Auch bei dem börsennotierten Münchener Unternehmen lief das Geschäft 2020 allerdings stark: In den ersten neun Monaten stieg der Umsatz des Unternehmens um 17,6 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Ganze dreimal erhöhte es seine Jahresprognose, rechnet nun mit einem Gesamtumsatz von 1,77 bis 1,81 Milliarden Euro. Auch beim Konkurrenten Futterhaus stiegen die Umsätze 2020 deutlich um 12,7 Prozent auf 452 Millionen Euro.

Angesichts der großen Nachfrage boomt derzeit allerdings auch das illegale Geschäft mit Tieren: Laut Tierschutzbund gab es von Januar bis Oktober 2020 bereits mehr Fälle illegalen Welpenhandels als im Gesamtjahr 2019. Tierschützer rufen dazu auf, nicht auf dubiose Verkäufer reinzufallen. Außerdem hoffen sie darauf, dass der Nachfrageboom nicht auch zu einer Abgabewelle führen wird.