Der Kölner Coach Sohrab Salimi erklärt in seiner Kolumne, wie man Kollegen oder dem Chef richtiges Feedback gibt.
Die Job-KolumneWarum Kritik im Job niemals ein Angriff sein darf

Wie kritisiert man richtig? Der Kölner Coach Sohrab Salimi illustriert das an einem Beispiel aus dem Basketballtraining.
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Neulich beim Basketballtraining meiner Tochter: Es ist ein wichtiges Spiel, wir liegen knapp zurück und es sind nur noch wenige Minuten zu spielen. Als Coach stehe ich angespannt am Spielfeldrand und gebe klare, direkte Anweisungen: „Ihr müsst aggressiver verteidigen! Geht stärker zum Korb! Schneller passen!“ Ich bin laut und emotional – ähnlich wie Jürgen Klopp oder andere Trainer an der Seitenlinie. Doch keine der Spielerinnen nimmt mir das übel. Niemand zieht sich zurück oder ist beleidigt. Warum nicht? Weil die Mädchen wissen, dass ich das Beste aus ihnen herausholen möchte. Sie wissen, dass mir ihre Entwicklung am Herzen liegt.
Und wir haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen gewinnen. Vom ersten Tag an habe ich Vertrauen aufgebaut, ermutigt und unterstützt – nicht nur im Spiel. Ich habe auch regelmäßig gefragt: „Wie läuft es in der Schule?“ oder „Geht es dir gut?“ Das schafft Vertrauen. Kritik verstehen sie dann nicht mehr als Angriff, sondern als Hilfestellung. Im Beruf fällt genau das vielen schwer. Die meisten Menschen geben überhaupt kein Feedback. Wenn doch, nutzen sie häufig das sogenannte „Feedback-Sandwich“: Lob, Kritik, Lob. Doch das funktioniert nicht. Studien der Harvard Business School zeigen eindeutig: Die Sandwich-Methode verwässert die eigentliche Botschaft. Das Lob bleibt hängen, die Kritik verpufft. Verhalten ändert sich kaum. Gleichzeitig belegen aktuelle Untersuchungen, dass Menschen direktes, klares Feedback wünschen.
Die Sorge, Kritik könnte verletzen, liegt fast immer beim Feedbackgeber – nicht beim Empfänger. Wie gelingt ehrliche Kritik, die ankommt? Hier hilft ein Ansatz aus der Führungsforschung: „Radical Candor“, entwickelt von Kim Scott. Radical Candor steht auf zwei Prinzipien: „Care Personally“ und „Challenge Directly“. Übersetzt heißt das: Persönliche Fürsorge zeigen, klar und direkt herausfordern. Die Reihenfolge ist entscheidend. Erst kommt die persönliche Fürsorge („Care Personally“), dann die klare Herausforderung („Challenge Directly“). Menschen müssen spüren, dass sie uns wichtig sind, bevor wir ihre Arbeit kritisieren.
Ohne diese Beziehung nehmen wir Kritik als Angriff wahr und schalten auf Verteidigung. Was bedeutet persönliche Fürsorge konkret? Ich nehme mir regelmäßig Zeit für mein Gegenüber. Ich frage: „Wie geht es dir? Brauchst du Unterstützung?“ Nicht aus Pflicht, sondern aus echtem Interesse. Beim Basketball ist genau das entscheidend: Die Spielerinnen wissen jederzeit, dass ich zu hundert Prozent hinter ihnen stehe. Selbst eine Auswechslung - sonst eher unangenehm - empfinden sie nicht als Strafe, sondern als Unterstützung. Sie wissen, ich tue es, weil ich sie besser machen möchte. Im beruflichen Umfeld gilt dasselbe. Wenn ich als Führungskraft oder Kollege echtes Interesse zeige und kontinuierlich Unterstützung anbiete, schaffe ich Vertrauen. Dann erst kommt Kritik wirklich an.
Sie wird nicht ignoriert, sondern als wertvoll empfunden. Warum sonst sollte ich Zeit und Energie investieren, um jemandem Feedback zu geben, wenn mir dessen Entwicklung egal wäre? Leider passiert das viel zu selten. Wir sind in unserer Arbeitswelt oft zu vorsichtig geworden, gerade gegenüber Kollegen oder Vorgesetzten. Damit verhindern wir Wachstum. Führungskräfte und Kollegen brauchen ehrliches Feedback, um besser zu werden.
Nur so entwickeln sich Menschen und Organisationen wirklich weiter. Radical Candor bedeutet dabei nicht „harte Worte“, sondern Vertrauen, Wertschätzung und Klarheit. Diese Haltung müssen wir kontinuierlich leben. Dann wird unsere Kritik als das wahrgenommen, was sie ist: ein Geschenk. Denn am Ende gilt auch beim Feedback: Von Nichts kommt Nichts! Zur Person Sohrab Salimi ist Gründer und CEO der Agile Academy. Er hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Trainer für kleine bis sehr große Unternehmen. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt er einmal im Monat über Themen rund um die Arbeitswelt.

Sohrab Salimi
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Zur Person und zur Kolumne
Sohrab Salimi ist Gründer und CEO der Agile Academy. Er hat über 20 Jahre Berufserfahrung als Trainer für kleine bis sehr große Unternehmen. Sohrab Salimi lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Köln. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ schreibt er in seiner Kolumne „Von nichts kommt nichts“ einmal im Monat über Fragen und Themen rund um die Arbeitswelt.