Kunden zweiter Klasse soll es nicht geben. Aber manchen Kundengruppen will Lars Stoy mehr bieten. Damit will der neue Chef wieder für mehr Wachstum bei Europas größter Direktbank sorgen.
Scharfer Wettbewerb um KundenING-Deutschland-Chef: „Kein Wachstum mehr um jeden Preis“

Stoy: „Wir haben ein paar offensichtliche Lücken im Angebot, die wir so zügig wie möglich schließen wollen.“
Copyright: Arne Dedert/dpa
Kreditkarte, Kinder-Girokonto, Anreize für Vieltrader - mit Tempo will ING-Deutschland-Chef Lars Stoy Lücken im Angebot von Europas größter Direktbank schließen. „Der Zettel, den wir in den vergangenen sieben Monaten gefüllt haben, ist lang“, sagte der Manager, der die 100-Prozent-Tochter der niederländischen Großbank ING seit 1. Januar 2025 führt, der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt.
Gerade in Ferienzeiten ärgert sich mancher Kunde, dass die Direktbank bis heute keine echte Kreditkarte im Angebot hat, die etwa auf Reisen im Ausland bisweilen notwendig ist. Stoy verspricht Abhilfe: „Wir arbeiten daran, 2026 eine solche Lösung für unsere Kundinnen und Kunden zu realisieren. Wenn wir über bedarfsgerechte Lösungen für Kunden nachdenken, gehört eine Kreditkarte ganz sicher dazu. Das steht dick auf dem Zettel und ist hoch priorisiert.“
Kein Kundenwachstum um jeden Preis
Im März überschritt die ING in Deutschland die lange angepeilte Marke von zehn Millionen Kunden. „Die Gesamtkundenzahl darf gerne weiterwachsen, aber nicht um jeden Preis“, betonte Stoy. „Wir wollen die Verbindung mit Kunden intensivieren.“ Dies sei „keine Wachstums-Absage, aber Wachstum um jeden Preis wird es nicht mehr geben“.

Gezieltere Angebote für bestimmte Kundengruppen: Neuer ING-Deutschland-Chef Lars Stoy will kein Wachstum um jeden Preis.
Copyright: Arne Dedert/dpa
Girokonto für Kinder ab 7 Jahren noch im August
Wachstumspotenzial sieht Stoy in jüngeren Kundengruppen: „Wir werden noch im August ein Girokonto Junior für 7- bis 17-Jährige einführen.“ Dieses können zunächst Eltern eröffnen, deren Kinder bereits ein Depot oder ein Tagesgeldkonto bei der ING Deutschland haben. „Ab Anfang nächsten Jahres werden wir das dann breiter ausrollen, auch für Neukunden.“
Aus Sicherheitsgründen können die unter 18-Jährigen das Konto nicht überziehen, bestimmte Geschäfte (Glücksspiel, Alkohol, Tabak) sind ausgeschlossen. „Wir wollen mit diesem Konto junge Menschen an Finanzthemen heranführen“, sagt Stoy. „Eltern haben ein Cockpit, über das sie sehen können, was ihre Kinder mit dem Konto tun.“

Manager sieht auch Wachstumspotenzial in der Gen Z und bei vermögenden Kunden.
Copyright: Arne Dedert/dpa
Keine Kunden zweiter Klasse
Es werde bei der ING Deutschland weiterhin keine Kunden erster und zweiter Klasse geben, versichert Stoy: „Wir sind groß geworden mit dem Ansatz, dass Kunden bei uns gleichbehandelt werden, egal mit wie viel Geld sie zu uns kommen. Davon wollen wir keinen Abstand nehmen.“
Zugleich seien Anreize für diejenigen nötig, die mehr Geschäft machen wollen. Seit Juli belohnt das Institut Kunden, die viel handeln: Wer vom „Basis-Level“ bis in den Platin-Status aufsteigt, erhält Vergünstigungen. „Das hat aber für denjenigen, der bei uns ab und zu mal einen Trade macht, überhaupt keine Verschlechterungen zur Folge“, sagt Stoy. „Ich würde nicht ausschließen, dass wir derartige Kundenbindungsprogramme auch für andere Bereiche bringen.“
Bank will vor allem mehr App-Nutzer
Seit einigen Jahren setzt die ING verstärkt auf Hausbankkunden, die nicht nur Geld parken, sondern über Baufinanzierung, Verbraucherkredite oder Wertpapiersparen für Erträge sorgen. Künftig sind die zentrale Messgröße diejenigen Hausbankkunden, die regelmäßig die App der Bank nutzen.
2,75 Millionen solcher „Mobile Primary Customers“ zählte die ING Deutschland Ende Juni - bei 3,1 Millionen Hausbankkunden. „Der Konzern hat das Ziel, um eine Million Mobile-Primary-Kunden pro Jahr zu wachsen“, ordnet Stoy ein. „Deutschland trägt rund 30 Prozent dazu bei - und das ist auch unser Anspruch nach vorne.“
Weniger Zinseinnahmen - weniger Gewinn
Die gesunkenen Leitzinsen schmälern allerdings den Gewinn. Im zweiten Quartal lag der Vorsteuergewinn mit 381 Millionen Euro um gut ein Fünftel unter dem Vorjahreswert, bereits im ersten Vierteljahr hatte es einen Rückgang gegeben, wie aus Zahlen des niederländischen Mutterkonzerns ING hervorgeht.
„Unterm Strich sind die Kennzahlen sehr gesund“, betont Stoy. „Dass sich Rekordergebnisse wie 2023, als die Zentralbankzinsen so sprungartig angestiegen sind, nicht wiederholen lassen, liegt auf der Hand.“

Europas größte Direktbank ist stark vom Zinsüberschuss abhängig, der neue Chef will für mehr Balance sorgen.
Copyright: Arne Dedert/dpa
Erklärtes Ziel der ING-Gruppe sei es, zinsunabhängiger zu werden, sagt Stoy: „Bei uns kommen über 80 Prozent des Ergebnisses aus dem Zinsergebnis, der Rest aus Provisionen. Dieses Verhältnis wollen wir zugunsten des Provisionsüberschusses verändern. Dennoch werden wir immer ein eher zinsüberschusslastiges Haus sein.“
Stoys Ziel: Immer eine Nase voraus im Wettbewerb
Wichtig sei, dass die ING Deutschland, „insbesondere im Privatkundengeschäft Geschwindigkeit aufnehme“. Einige Wettbewerber machten „ihren Job wirklich gut“, sagt Stoy mit Blick auf Neo-Banken wie N26, Trade Republic und Revolut. „Im besten Fall bleiben wir immer eine Nase voraus. Die ING ist die größte Digitalbank in Deutschland, und der Anspruch bleibt ganz sicher bestehen.“ (dpa)