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DrogerieketteDM will online Medikamente verkaufen – Was das für Kölner Apotheken bedeutet

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4 min
Ein Stapel rezeptfreier Medikamente

Rezeptfreie Mittel gegen Fieber, Halsweh und verstopfte Nase könnte es bald auch bei der Drogeriekette DM geben. 

DM will den Gesundheitsmarkt aufmischen, doch Apotheken und Verbraucherschützer reagieren mit Skepsis.

Rezeptfreie, aber apothekenpflichtige Schmerztabletten, Nasenspray oder Hustenhemmer – was derzeit lediglich bei Apotheken stationär oder online gekauft werden kann, könnte es bald auch im Angebot der Drogeriemarktkette DM geben, zumindest im Onlineshop. Das Vorhaben sei Teil einer umfassenden Gesundheitsstrategie, mit der DM „Verbraucherinnen und Verbrauchern Vorsorge und eigenverantwortliche präventive Maßnahmen niederschwellig zu erschwinglichen Preisen zugänglich zu machen“ will, teilte das Unternehmen mit. 

DM will aus Tschechien versenden

„Stand heute gehen wir davon aus, dass wir wie geplant noch in diesem Kalenderjahr mit der Versand-Apotheke starten werden“, kündigte Konzernchef Christoph Werner an. Die Apotheke samt Verteilzentrum habe das Karlsruher Unternehmen bereits gegründet – am Standort Bor in Tschechien. Denn während der Verkauf von apothekenpflichtigen Arzneimitteln laut Susanne Punsmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Drogerie-Filialen nach geltender Rechtslage verboten ist, wäre die Abgabe über eine Apotheke in Tschechien – sofern diese über eine Versandhandelserlaubnis verfügt – möglich. Medienberichten zufolge sondieren auch andere Unternehmen wie Wettbewerber Rossmann und der Discounter Lidl den Markt und prüfen den Einstieg in den Versand von Medikamenten.

Bei Apothekern sorgen die Entwicklungen wenig überraschend für Kritik. „Arzneimittel sind besondere Produkte, die einer fachkundigen Beratung bedürfen. Diese Beratung bekommt man im persönlichen Gespräch in der Apotheke. Das ist unersetzbar“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und des Apothekerverbands Köln. Insbesondere, wenn Medikamente schnell benötigt werden, brauche es Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe.

Anzahl der Apotheken in Köln seit 2010 um 20 Prozent gesunken

Die gibt es auch weiterhin, allerdings nicht mehr so viele: „Auch, wenn die Apotheken in Köln immer weniger werden, sind die Menschen noch versorgt“, so Preis. Seinen Angaben zufolge haben in den vergangenen 15 Jahren etwa 20 Prozent der Apotheken in Köln geschlossen. Seien es 2010 noch 267 gewesen, sollen es zu Beginn dieses Jahres noch 211 Apotheken gewesen sein.

Trotz Apothekensterben prognostiziert Preis, dass sich der Eintritt von DM hauptsächlich aufs Geschäft anderer Onlinehändler auswirke, wie etwa Docmorris oder Shopapotheke, weniger auf die Apotheken in den Städten. „Die Konkurrenz durch den Versandhandel kennen wir schon seit 20 Jahren. Trotzdem sind wir weiterhin die wichtigste Anlaufstelle für die Kunden. Allerdings bekommen die Versandhändler im Ausland durch DM nun einen weiteren Konkurrenten.“

Verbraucherzentrale NRW noch skeptisch

Skepsis gegenüber der DM-Strategie äußerte auch Susanne Punsmann, Referentin im Bereich Recht und bei der Verbraucherzentrale NRW zuständig für den Gesundheits- und Pflegemarkt. Es gebe rechtliche Bedenken, etwa inwiefern der Konzern in seinem Produktkatalog deutlich mache, dass es sich bei den Angeboten um einen Drittanbieter handele oder ob pharmazeutisches Personal zur Verfügung stehe.

Punsmann sagt aber auch, dass bislang zu wenig über das Konzept bekannt sei: „Wir werden daher nun abwarten müssen, was DM genau plant, bevor wir uns positionieren können.“

Wichtig sei, die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. „Beim Kauf von Arzneimitteln haben wir es ja nicht nur mit Verbraucherinnen und Verbrauchern zu tun, sondern mit Patientinnen und Patienten, die aufgrund von Erkrankungen oder Symptomen medizinischen beziehungsweise pharmazeutischen Rat suchen.“ Sie seien abhängig vom Fachwissen ihres Gegenübers. „Auch deshalb hat der Gesetzgeber bewusst zwischen Arzneimitteln unterschieden, die frei verkäuflich sind und anderen, die wegen des erhöhten Beratungsbedarfs nur in der Apotheke erhältlich sind.“

DM-Chef warnt vor Gesundheitskrise

DM-Konzernchef Werner monierte derweil den verbreiteten Widerstand in Deutschland, der sich mit Neuerungen im Gesundheitssystem ergebe. Er sprach von einer „Besitzstandwahrung“, während der Kölner Apotheker Preis entgegensetzte, dass„ der Versandhandel den gesetzlichen Versorgungsauftrag der Apotheken vor Ort“ störe.

Wir werden neue Angebote im Gesundheitsmarkt bekommen und uns daran gewöhnen müssen, dass Gesundheit nicht immer nur über eine uns bekannte Arztpraxis oder Apotheke vor Ort angeboten wird
Susanne Punsmann, Verbraucherzentrale NRW

Jeder Vorschlag werde als abwegig dargestellt, obwohl jeder die Probleme sehen könne, kritisierte Werner weiter. Seiner Meinung nach zeichne sich eine „Gesundheitskrise“ ab, weil viele Babyboomer aus Gesundheitsberufen ausschieden, aber weniger nachkämen. „Das heißt, wir laufen auf einen Engpass zu. Deswegen glauben wir, dass Menschen offen sein werden für Angebote auch außerhalb der klassischen Praxen.“

Aussagen dieser Art wiederum sorgten bereits im Spätsommer für sorgenvolle Mienen bei der deutschen Ärzteschaft und Verbraucherschutzverbänden. Neben dem Online-Handel mit rezeptfreien Medikamenten testet DM etwa Augenscreenings. Möglich ist das in vier Läden, darunter die Kölner Filiale am Hohenstaufenring sowie jeweils ein Standort in Düsseldorf und Aachen. Dabei handele es sich um eine Netzhautfotografie und einen Sehtest samt KI-basierter Auswertung, „ärztlich validiert“, so ist es auf der Website zu lesen. 

Die deutschen Berufsverbände der Augenärzte und der Dermatologen haben sich mit ausführlichen kritischen Stellungnahmen zu Wort gemeldet. Sie hinterfragen unter anderem fachliche Standards, warnen vor Verunsicherung bei fehlerhaft auffälligen Befunden, monieren den Werbeaspekt und weisen darauf hin, dass es im Zweifel bei einer notwendigen Behandlung in Haut- oder Augenarztpraxen vor Ort Probleme wegen dortiger Engpässe geben könnte.

Verbraucherexpertin Susanne Punsmann sagt: „Wir werden neue Angebote im Gesundheitsmarkt bekommen und uns daran gewöhnen müssen, dass Gesundheit nicht immer nur über eine uns bekannte Arztpraxis oder Apotheke vor Ort angeboten wird.“ Sie warnt aber auch vor einer Verunsicherung der Bevölkerung. „Gesundheit gehört in die Hände von Fachleuten, und zwar von solchen, die es auch objektiv sind und sich nicht nur dafür halten.“