Canyon-Gründer Roman Arnold, 62, kehrt nach dreieinhalb Jahren auf den Chefsessel des Koblenzer Fahrradbauers zurück. Der konnte seine hoch gesteckten Ziele zuletzt nicht erreichen.
Gründer Roman Arnold kehrt zurückKoblenzer Fahrrad-Ikone Canyon tauscht den Chef aus

Roman Arnold hat die Hände beim Koblenzer Fahrradbauer Canyon wieder selbst am Lenker. Seit Anfang September ist der Gründer auf den Chefposten zurückgekehrt.
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Der passionierte Radfahrer Roman Arnold ist ein Mann für das Zeitfahren. Den Berg rauf, das ist nichts für ihn. So hat er es immer in Interviews gesagt. Die nächste Etappe seiner Karriere als Unternehmer dürfte demnach nicht nach seinem Geschmack sein. Denn die Zeichen beim Fahrradbauer Canyon stehen auf unruhige Berg- und Talfahrt.
Arnold, der das Unternehmen vor Jahrzehnten aus dem Nichts aufbaute, hat den Chefsessel bei Canyon erst vor dreieinhalb Jahren geräumt. Sein Nachfolger, der langjährige Nike-Manager Nicolas De Ros Wallace nutzte die Zeit und den Rückenwind in der Fahrradbranche während der Corona-Pandemie, um den Umsatz von rund 450 auf knapp 800 Mio. Euro hochzuschrauben und die Internationalisierung voranzutreiben. In diesem Jahr eröffneten etwa Geschäftsstellen in China und Kanada. Mittlerweile ist Canyon in 19 Ländern vertreten.
Corona-Boom erweist sich als Strohfeuer
De Ros Wallace verantwortet aber auch den Einnahme-Knick der jüngsten Vergangenheit. Der Corona-Boom erwies sich als Strohfeuer. Statt der angepeilten Umsatzmilliarde, die Canyon 2025 einfahren wollte, stagniert der Absatz bestenfalls. Das ist kein Problem von Canyon allein. In der gesamten Branche müssen zu hohe Bestellmengen erst abverkauft werden, volle Lager geleert. Die Folge ist eine unerbittliche Rabattschlacht. Auch Canyon rutschte zuletzt in die roten Zahlen.
Nun soll es also der Gründer richten. Arnold, der der Firmenlegende nach schon als Teenager Fahrradteile und -bekleidung aus einem Anhänger heraus verkaufte, um sich das teure Radsporthobby zu finanzieren, leitet seit September wieder das Tagesgeschäft. Auf seinen Vorgänger De Ros Wallace lässt das Unternehmen offiziell nichts kommen.
Canyon war ein Pionier des Onlinehandels
Der in Spanien aufgewachsene Manager habe nicht nur den Umsatz, sondern auch „die organisatorischen Fähigkeiten“ von Canyon ausgebaut, erklärt Canyon auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Gründer Arnold sei aber „die einzige Person, die die gesamte Geschichte von Canyons Innovations- und Performancekultur“ verkörpere. Das ist wohl wahr. Arnold entwickelte nicht nur die ersten super-leichten Canyon-Räder selbst, er setzte auch bereits in den früher 2000er Jahren auf den Direktvertrieb übers Internet. Canyon wurde so zum Pionier des Onlinehandels.

Aus diesem blauen Trailer verkaufte Roman Arnold bereits als Teenager Fahrradzubehör.
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Canyon kämpft mit Qualitätsmängeln
Ein Blick auf die Zahlen legt aber nahe, dass mehr hinter dem plötzlichen Wechsel an der Unternehmensspitze steckt. Canyon selbst kommuniziert zwar keine Kennzahlen. Der größte Anteilseigner, die belgische Finanzholding Groupe Bruxelles Lambert (GBL), dagegen schon. Und die hat ihren Wert an der Beteiligung Canyon jüngst deutlich nach unten berichtigt. Während der Canyon-Anteil von knapp 50 Prozent Ende 2023 noch mit 460 Mio. Euro bei GBL in den Büchern stand, musste der Wert binnen Jahresfrist auf 261 Mio. Euro gekürzt werden. Ein sattes Minus von 43 Prozent.
Canyon verweist auf das „herausfordernde Marktumfeld“, die Zinsentwicklung und negative Zolleffekte. Zuletzt setzten dem Unternehmen aber auch Qualitätsmängel zu. Zwei E-Mountainbike-Modelle mussten wegen fehlerhafter Akkus zurückgerufen werden. Ersatz konnte teilweise erst nach Monaten beschafft werden. Wasser auf die Mühlen der Verkäufer im stationären Handel, denen Canyons Direktvertrieb seit jeher ein Dorn im Auge ist.
Lagerbestand um 15 Prozent reduziert
Immerhin, so Canyon, sei es innerhalb der vergangenen zwölf Monate gelungen, die Lagerbestände um 15 Prozent zu reduzieren. Für das Jahr 2025 bleibe man dennoch vorsichtig und vermeide den Aufbau von Überbeständen, so Canyon gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Mathieu van der Poel ist mit Canyon im Querfeldein (u.a. 2024 und 2025) und Gravel (2024) schon Weltmeister; seinen anvisierten ersten WM-Titel auf dem Mountainbike hat er jüngst verpasst und fuhr beim Rennen im Wallis nur auf den 29. Rang.
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Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, dass der Expansions-Experte De Ros Wallace, der zuletzt auch Freizeitbekleidung ins Programm aufnehmen ließ und über den Bau von Lastenrädern nachdachte, nun dem gelernten Radmechaniker und Kaufmann Roman Arnold Platz machen muss. Der solide Zeitfahrer übernimmt, schaltet womöglich einen Gang zurück und soll Canyon so wieder in die Spur bringen.
Neues E-Bike-Center eröffnet 2026 in Koblenz
Die Chancen, dass das gelingt, stehen nicht schlecht. Radprofi Mathieu van der Poel aus den Niederlanden fährt auf Canyon-Rädern einen Titel nach dem anderen ein, unter anderem die jüngste Weltmeisterschaft mit den derzeit besonders angesagten Gravelbikes. Im margenstarken Direktvertrieb sieht das Unternehmen sich ohnehin weiter als Marktführer unter den Premium-Bike-Anbietern und wenigstens die Radsport-Fans aus der Region haben demnächst einen Grund mehr, an den Canyon-Sitz nach Koblenz zu pilgern. Dort eröffnet im Frühjahr 2026 ein neues E-Bike Center, in dem die mehrere tausend Euro teuren Sportgeräte auch zur Probe gefahren werden können.
Roman Arnold, der nach wie vor 35 Prozent der Anteile am Unternehmen hält, wird zur Eröffnung vermutlich noch Geschäftsführer sein. Den Posten übernehme er nämlich nicht nur interimsweise, sondern „bis auf Weiteres“, so Canyon.