Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Immer mehrSo viel verdienen Deutschlands Dax-Vorstände

5 min
Vorn im Gehaltsranking: Oliver Blume (M), Björn Gulden (r) und Christian Sewing.

Vorn im Gehaltsranking: Oliver Blume (M), Björn Gulden (r) und Christian Sewing.

Die Gehälter der Dax-Vorstände sind weiter gestiegen. Zwei Chefs haben achtstellige Jahreseinkommen. Aktionärsvertreter erwarten eine Spirale nach oben und kritisieren das VW-System.

Die Vorstände der Dax-Konzerne haben trotz der kriselnden Wirtschaft 2024 besser verdient als im Vorjahr. Die Grenze von 10 Millionen Euro pro Jahr gerät dabei immer mehr ins Wanken. Im vergangenen Jahr lagen erstmals zwei Chefs knapp darüber, nämlich Oliver Blume bei VW und Björn Gulden bei Adidas, für die Experten 10,6 und 10,3 Millionen Euro ausgerechnet haben. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing liegt knapp darunter.

Achtstellige Jahresgehälter werde es künftig öfter geben, sagt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer des Anlegervereins DSW: „Die Schallmauer erodiert heimlich, still und leise.“ Speziell bei VW fehlt ihm das Verständnis: Wenn ein Vergütungssystem trotz Unternehmenskrise und Aktienkursverfall zum Höchsteinkommen führe, „dann funktioniert es nicht“.

Durchschnittlich 3 Prozent mehr als im Vorjahr

Jedes Jahr untersucht die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gemeinsam mit der TU München die Vergütung der rund 250 Vorstandsmitglieder in den 40 Dax-Unternehmen. Das Ergebnis stimmt wegen unterschiedlicher Methoden nicht genau mit den offiziellen Unternehmensangaben überein.

Für 2024 haben die Forscherinnen und Forscher einen Durchschnitt von 3,76 Millionen Euro errechnet, 3 Prozent mehr als im Jahr davor. Damit stiegen die Spitzengehälter langsamer als die Reallöhne. Im Vergleich zu den durchschnittlichen Personalkosten pro Kopf bekommen die Männer und Frauen an der Spitze damit das 41-Fache - wobei die Spannweite groß ist: Bei Sartorius ist es das 18-Fache, bei Adidas das 95-Fache.

Dax-Chefs zwischen 2 und 10 Millionen

Adidas-Chef Gulden hat sein deutlich gestiegenes Gehalt in der Hauptversammlung jüngst mit einem anderen Vergleich gerechtfertigt: Er verdiene damit immer noch deutlich weniger als Fußballer, die beim FC Bayern München auf der Reservebank sitzen. Adidas ist dort Anteilseigner.

Innerhalb der Vorstände stechen noch einmal die Vorsitzenden heraus: Sie bekommen im Schnitt 5,7 Millionen Euro, also gut halb so viel wie die beiden Bestverdiener Blume und Gulden. Am anderen Ende der Rangliste steht Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg mit 2,1 Millionen Euro. So viel bekam auch Christian Bruch an der Spitze von Siemens Energy. Für ihn ist allerdings Besserung in Sicht: Weil das Unternehmen vorübergehend eine Bundesbürgschaft brauchte, durften keine Boni gezahlt werden. Das Kapitel ist inzwischen abgeschlossen.

Gehaltslimits werden angehoben

Jahrelang galten zehn Millionen Euro Jahreseinkommen als eine Art freiwillige Obergrenze für angestellte Manager in Deutschland. VW etwa hatte sich dieses Limit nach dem Dieselskandal gesetzt - nachdem der frühere Chef Martin Winterkorn noch im Jahr vor dem Skandal mehr als 15 Millionen Euro bekommen hatte.

Bei der DSW, die unter anderem Kleinanleger in Hauptversammlungen vertritt, hat man nichts gegen hohe Managergehälter. Sie müssten aber nachvollziehbar sein, und wenn sie achtstellig würden, sei die öffentliche Akzeptanz in Gefahr, sagte Tüngler am Dienstag bei der Vorstellung der Studie. Zehn Millionen Euro seien „eine sinnvolle Marke, weil sie auch ein wichtiger Indikator für den sozialen Frieden in unserem Land ist“.

In den Vergütungssystemen sind zwar in der Regel Höchstgrenzen festgelegt, die würden aber Stück für Stück nach oben gesetzt. „Die Vergütungen werden sicher nicht sinken, sondern eher steigen“, sagte Tüngler. Beim VW-Konzern liegt die Obergrenze für den Vorstandvorsitzenden inzwischen wieder bei 15 Millionen Euro.

Ein Brauereichef in Europa vorn

Dabei treiben sich die Unternehmen faktisch gegenseitig hoch. Denn sie sollen sich an einer Vergleichsgruppe orientieren, der so genannten Peer Group. Setzt eins dieser Unternehmen die Vergütung herauf, zieht das automatisch andere nach. Auch in der Auswahl der Peer Group steckt eine Menge Spielraum: VW vergleicht sich zunehmend mit globalen Tech-Konzernen, die erheblich besser zahlen. „Wir haben den Eindruck, dass die Spirale nach oben geht“, sagt Tüngler.

Dazu trägt auch der internationale Vergleich bei: In Europa steht Blume auf Rang fünf, der Chef des Brauereikonzerns ABInbev, Michel Doukeris, verdient doppelt so viel wie der VW-Mann. In den USA steht Microsoft-Chef Satya Nadella mit 73 Millionen Dollar ganz vorn. Tüngler weist allerdings darauf hin, dass dort die Haftungsrisiken für Manager höher seien und das Gehalt noch stärker an der Aktienentwicklung hänge.

Zwei Drittel vom Gehalt sind variabel

Die Vergütungen setzen sich aus fixen und variablen Beträgen zusammen, die zum Teil über mehrere Jahre verrechnet werden. Typischerweise macht das Festgehalt rund ein Drittel der Gesamtsumme aus - relativ viel im internationalen Vergleich. Rund ein Viertel entfällt auf den Jahresbonus, der meist vor allem vom operativen Gewinn abhängt.

Durchschnittlich 43 Prozent macht der langfristige Bonus (Long Term Incentive - LTI) aus, der an die Aktienkursentwicklung über mehrere Jahre gekoppelt ist. Außerdem haben alle Dax-Konzerne eine ESG-Komponente, bewerten also nach den Kriterien Ökologie, Soziales und Unternehmensführung. Deren Einfluss auf die Gesamtsumme ist in der Regel aber bescheiden.

Der Doppeljob kostet Blume Geld

Mittlerweile füllen die vorgeschrieben Vergütungsberichte viele Seiten. „Umfangreich heißt aber nicht immer, dass es verständlich ist“, sagt Tüngler. Die DSW fordert deshalb eine Vereinheitlichung, um mehr Vergleichbarkeit und Transparenz zu schaffen.

Dem langfristigen Bonus verdankt Blume auch seinen Gehaltsanstieg um knapp 3 Prozent im Krisenjahr. Der kurzfristige Bonus für das vergangene Jahr ist tatsächlich leicht geschrumpft, und beim Festgehalt haben alle Vorstände wegen der akuten Krise auf 5 Prozent verzichtet. Der langfristige Bonus ist jedoch gestiegen, weil sich darin laut Geschäftsbericht noch Ergebnisse aus 2021 niederschlagen.

Bei Blume wird die Rechnung durch seinen Doppeljob noch unübersichtlicher. Er ist gleichzeitig Vorstandschef beim Volkswagen-Konzern und der Tochtergesellschaft Porsche AG und bekommt jeweils das halbe Gehalt - wobei Porsche schlechter zahlt. Stünde der Chef zu 100 Prozent auf der VW-Gehaltsliste, würde er mehr verdienen.

VW „ein geschlossenes System“

Tüngler sieht grundsätzliche Fehler im VW-System: Wenn Kurs und andere Kennzahlen fallen, sollte das auch für die Vergütung gelten. Die Aktionärsschützer kritisieren schon lange die Verhältnisse im VW-Kosmos. Aktuell sind neben der Volkswagen AG auch deren Tochtergesellschaft Porsche AG und die gemeinsame Muttergesellschaft Porsche SE im Dax notiert. In allen Unternehmen haben die Familien Porsche und Piëch dank ihrer stimmberechtigten Stammaktien das Sagen. Gleichzeitig ist der Chef der Porsche SE, Hans Dieter Pötsch, auch Aufsichtsratschef bei VW.

„Wir hadern sehr mit der Verteilung von Macht und Risiko im VW-System“, sagte Tüngler. Denn Fehlentscheidungen träfen auch die Vorzugsaktionäre, doch die könnten mangels Stimmrecht keinen Einfluss nehmen. Es herrsche ein „in sich geschlossenes System, das sich schützt“.