Streit über FrauenquoteWarum der Chef des Kölner Motorenbauers Deutz gehen musste

Lesezeit 4 Minuten
Motorenbauer Deutz KRASNIQI

Hauptsitz des Kölner Maschinenhersteller Deutz AG in Eil 

Köln – Harte Auseinandersetzungen und Abberufungen sind in den Führungsetagen großer Konzernen keine Seltenheit. Ein Showdown, wie ihn sich der Vorstands- und Aufsichtsratschef des traditionsreichen Kölner Motorenbauers Deutz geliefert haben, ist allerdings bemerkenswert – geht es doch um eine Frau oder eben keine. Am Ende des Machtkampfes müssen nun sowohl Vorstandschef Frank Hiller als auch der Vorsitzende des Aufsichtsrates Bernd Bohr ihre Spitzenpositionen aufgeben.

Deutz AG: Gesetz fordert mindestens eine Vorständin

Im Kern geht es um die Umsetzung der Frauenquote. Bislang ist der vierköpfige Vorstand des im SDax notierten Unternehmens rein männlich besetzt. Seit August 2021 müssen aber große Unternehmen nach dem sogenannten Zweiten Führungspositionen-Gesetz neue Regeln zur Besetzung von Spitzenpositionen befolgen. Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten und mehr als drei Vorständen müssen demnach bei Nachbesetzungen in der Top-Management-Etage sicherstellen, dass mindestens eine Frau im Vorstand vertreten ist.

Frank Hiller Deutz AG

Frank Hiller 

Ein Unternehmenssprecher bestätigte, dass es eine Diskussion über die Umsetzung der Vorgabe gegeben habe, insbesondere darüber, wie das vorausschauend am besten erfolgen könne. Dabei habe es unterschiedliche Auffassungen gegeben. Am Ende habe der Aufsichtsrat die genannten Entscheidungen getroffen, so der Sprecher.

Deutz war jahrelang Vorbild

Dabei war Deutz über Jahre vorbildlich, was den weiblichen Anteil im Vorstand betraf. Insgesamt neun Jahre führte Margarete Haase das Finanzressort. Nachdem die gebürtige Österreicherin 2018 in den Ruhestand ging, besetzen wieder Männer die Position.

Im vergangenen Jahr erweiterte Aufsichtsratschef Bohr dann den Vorstand von drei auf vier Personen und berief jeweils einen Mann als neuen Finanzchef beziehungsweise Technologiechef. Die Erweiterung und in Folge die rein männliche Besetzung sehen Bohrs Kritiker als zentralen Fehler. 

Motorenbauer hat Gesetzeslage wohl ignoriert

Zwar war das Gesetz, das ab dem vierten Vorstandsposten eine Frau verlangt, damals noch nicht in Kraft. Dass es so kommen würde, war laut Beobachtern aber sehr wohl absehbar. Der Deutz-Aufsichtsrat hat die anstehende Änderung der Gesetzeslage entweder nicht erkannt oder ignoriert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bei der Suche nach einer Lösung des Problems soll es unter anderem nach Informationen des Handelsblattes Überlegungen gegeben haben, den Vertriebschef bei gleichen Bezügen zu einem Generalbevollmächtigten zu degradieren und dafür eine Frau in den Vorstand zu berufen. Daraufhin protestierte Vorstandschef Frank Hiller vehement beim Aufsichtsrat. So soll es zum Zerwürfnis der beiden Männer gekommen sein, mit wochenlangen Streitigkeiten und dem besagten Showdown am Wochenende.

Keine Dankesworte in der Mitteilung

Vorstandschef Hiller wurde einstimmig aus dem Vorstand abberufen und scheidet mit sofortiger Wirkung aus. Dankesworte für den 53-Jährigen, der das Unternehmen seit 2017 gesteuert hat, finden sich nicht in der Pressemitteilung. Dafür gibt es deutliches Lob für den Nachfolger. Finanzvorstand und Arbeitsdirektor Sebastian Schulte (43) sei ein „führungsstarker Analytiker und Teamplayer“, heißt es in der Mitteilung. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler hatte zuvor für Thyssen-Krupp gearbeitet. Mit der Abberufung Hillers ist nun auch der Weg frei für ein weibliches Vorstandsmitglied. Ein entsprechender Prozess dazu sei bereits aufgesetzt, teilte Deutz mit.

Auch Aufsichtsratschef Bernd Bohr (65) gibt seinen Vorsitz ab. Er bleibt aber einfaches Mitglied des Kontrollgremiums, teilte das Unternehmen mit. An die Spitze rückt nun Dietmar Voggenreiter (53), der seit 2019 im Aufsichtsrat sitzt und zuvor für den Autobauer Audi gearbeitet hat. 

Damit sei nun  ein Neuanfang möglich, schreibt Aufsichtsratsmitglied Sabine Beutert von der IG Metall Köln. „Das Unternehmen kann sich wieder darauf konzentrieren, Motoren zu verkaufen, zu bauen und zu entwickeln und beschäftigt sich nicht mehr mit sich selber“, so die Arbeitnehmervertreterin.

Deutz AG: Anlegerschützer sprechen von Super-Gau

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bezeichnete die gesamten Vorgänge bei Deutz als „Super-Gau“. So etwas dürfe schlichtweg nicht passieren, sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Hier müsse der Aufsichtsrat und vorne weg der Aufsichtsratsvorsitzende frühzeitig die Weichen stellen und Entscheidungen treffen. Die Vorgaben des Zweiten Führungspositionen-Gesetzes seien gerade für mittelständisch geprägte Unternehmen eine große Herausforderung.

In jedem Fall wird die Trennung von Hiller teuer für Deutz. Der Vertrag wäre noch bis Ende 2026 gelaufen, 2020 verdiente Hiller insgesamt 1,4 Millionen Euro.

Für den Motorenbauer ist ein Ende des Streits wichtiger denn je, denn das Unternehmen steckt in einem schwierige Transformationsprozess. So wird  an der Entwicklung und Herstellung von neuen Antrieben jenseits des Dieselmotors gearbeitet. Dazu zählen zum einen elektrische Motoren. Dafür hatte Deutz vor einiger Zeit das Start-up Torqeedo gekauft, das elektrische Bootsmotoren herstellt und zudem 2019 den Batteriespezialisten Futavis übernommen. Darüber hinaus entwickelt Deutz einen Wasserstoffmotor. Diese „grünen“ Aktivitäten belaufen sich auf rund 60 Millionen Euro und damit vier Prozent des Umsatz. Bis 2031 soll dieser Anteil laut Deutz auf mehr als 50 Prozent gesteigert werden.

KStA abonnieren