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Interview

„Joey’s Jungle“
„Ich sollte Landwirt werden und den elterlichen Betrieb übernehmen“

6 min
Portraitbild von Joeys Jungle

Influencer „Joey’s Jungle“ lebt in Köln. Er ist vor allem durch seinen Podcast „Die Nervigen“ und Videos auf Youtube bekannt. 

Warum der Kölner Podcaster dem Geschäft auf Youtube größtenteils den Rücken gekehrt hat und wie er es schafft, mit Reden Geld zu verdienen.

„Joey ist gerade empört in unser Zimmer gerannt, weil eine unserer Pflanzen zwei braune Blätter hatte“, sagt Julia Beautx in einer Folge des Podcasts „Die Nervigen“. Den nimmt sie gemeinsam mit „Joey’s Jungle“ auf, einem der beliebtesten deutschen Podcaster und Influencer.

So banal manche Themen wirken, so viele Fans hören den Podcast der beiden Kölner: „Die Nervigen“ ist laut dem Medienanalysten Podius der erfolgreichste Comedy-Podcast Deutschlands. Zweimal pro Woche erscheint eine neue Folge auf der Plattform Podimo, mehr als eine Million Menschen hören sie im Schnitt. Zum Vergleich: Damit bewegt sich „Die Nervigen“ etwa in der Größenordnung, die auch Podcasts wie „Gemischtes Hack“ erreichen.

Fast 1 Milliarde Aufrufe auf Youtube

In seinem Podcast spricht „Joey’s Jungle“ von Dingen des Alltags: Dass er von seinem eigenen Schrei aus einem Traum aufgewacht ist, zum Beispiel. Oder darüber, wie gerne er töpfert. Menschen hören sich diese Gespräche, die weit über eine Stunde dauern, an, weil sie „Joey’s Jungle“ schon sehr lange folgen. Schon vor zehn Jahren hat er als Teenager auf Youtube Videos hochgeladen, in einigen testet er verrückte Spielzeuge und zeigt, wie komisch sie sind.

Zusammen kommen die mittlerweile 500 Videos auf fast eine Milliarde Aufrufe. Warum der heute 28-Jährige dem gut laufenden Geschäft auf Youtube größtenteils den Rücken gekehrt hat und wie er es schafft, mit Reden Geld zu verdienen, erklärt er im Interview.

Joey, jede Woche laden Sie zwei Stunden Podcast und alle paar Wochen ein Video hoch. Das klingt zunächst entspannt – wie viel arbeiten Sie?

Ich arbeite durchschnittlich etwa 40 Stunden pro Woche. Hinzukommt, dass ich die ganze Zeit Geschichten für den Podcast sammle. Die 40 Stunden sind aber nur ein Durchschnitt: An manchen Videos arbeite ich mehrere Wochen, andere sind innerhalb einiger Stunden produziert. Als ich 2014 als Teenager angefangen habe, Videos auf Youtube hochzuladen, habe ich noch alles selbst gemacht. Inzwischen habe ich einen Mitarbeiter, der mir unter die Arme greift. Sobald mir etwas Lustiges im Alltag passiert oder ich einen witzigen Gedanken habe, zücke ich sofort mein Handy und schreib es in meine Notiz-App – um dann im Podcast darüber zu reden.

Was haben Sie als Letztes in Ihre Notizen geschrieben?

Ich möchte meine Podcast-Partnerin Julia Beautx über ihre Bildschirmzeit am Smartphone ausfragen und darüber, welche Apps sie am meisten nutzt. Ich war außerdem gerade in Maastricht und werde im Podcast erzählen, wie schön und unterschätzt die Stadt ist.

Das klingt nach normalen Gesprächen mit Freunden. Wie können Sie damit Geld verdienen?

Ja, das denken viele erstmal: Ich quatsche einfach mit Freunden und zack - Podcast. Wir nehmen die Leute mit in unsere Alltagsgeschichten, egal ob es um peinliche Erlebnisse, absurde Gedankenspiele oder einfach witzige Situationen geht. Aber am Ende ist es ein bisschen wie die Lieblingsserie im Fernsehen oder bei Youtube: Wenn viele Menschen regelmäßig und gerne zuhören, wird es für Unternehmen interessant, dort ihre Werbung zu platzieren. Und das ermöglicht es uns, Podcasten zum Teil unseres Berufes zu machen.

„Ich hatte ein Burnout – aus dem Nichts kamen Panikattacken“

2022 haben Sie dann die Notbremse gezogen und sich für ein halbes Jahr komplett aus dem Internet zurückgezogen.

Genau, ich hatte ein Burnout. Wie aus dem Nichts kamen Panikattacken, die ich überhaupt nicht zuordnen konnte. Ich war so überarbeitet, dass plötzlich gar nichts mehr ging. Ich habe meinen gesamten Youtube-Kanal auf Eis gelegt und mir die Zeit genommen, mich zu erholen. In den 1,5 Jahren habe ich mich sehr viel mit mir selbst beschäftigt und versucht, aus dem „Immer-mehr-Aufrufe-haben-müssen“-Hamsterrad herauszukommen. Nur so konnte ich einen gesunden Weg finden, heute wieder den Job auszuführen, den ich so sehr liebe.

Wie haben Sie es geschafft, aus dem Hamsterrad auszusteigen?

Erstmal habe ich Arbeit und Privates räumlich getrennt: Früher haben meine Mitarbeiter und ich in meiner Wohnung gearbeitet, im Wohnzimmer standen Studiolichter. Heute habe ich zusammen mit meiner besten Freundin und Kollegin Julia Beautx ein Büro, in dem wir auch den Podcast aufnehmen. Trotzdem ist weniger Druck dahinter, da die Klickzahlen nicht direkt sichtbar und kurzfristig weniger wichtig als bei Youtube-Videos sind. Die Videos für Youtube mache ich auch noch, aber unregelmäßig und nur, wenn ich gerade Lust darauf habe. Sie sind im Vergleich zum Podcast sehr aufwendig: Je nach Video kann es zum Beispiel bis zu 40 Stunden dauern, ein Video zu schneiden.

In Ihren Youtube-Videos ist Julia Beautx seit mehr als neun Jahren regelmäßig Gast, den Podcast nehmen Sie immer zusammen auf. Gleichzeitig sind Sie eng befreundet. Wie lassen sich Freundschaft und Beruf verbinden?

Unsere Arbeit besteht zu großen Teilen auch aus unserem Privatleben. Wenn wir nicht so gut miteinander befreundet wären, würde das Ganze ziemlich sicher auch nicht so gut funktionieren. Trotzdem müssen wir natürlich darauf achten, auch regelmäßig ganz privat Zeit miteinander zu verbringen. Wir nehmen uns sehr bewusst Tage, an denen wir nur als private Freunde zusammen Zeit verbringen und das Berufliche komplett heraushalten.

Julia Beautx ist bei einer Premierenfeier im Porträt zu sehen.

Julia Beautx ist mit „Joey’s Jungle“ im Podcast die Nervigen zu hören.

Vor zwanzig Jahren gab es den Beruf Influencer noch nicht. Was wollten Sie als Kind werden – Astronaut?

Nein, ich hatte in meiner Kindheit keinen richtigen Plan, was das Richtige für mich ist. Ich sollte Landwirt werden und den elterlichen Betrieb übernehmen, zumindest hat mein Vater sich das immer gewünscht. Dadurch hatte ich zu viel Druck, um davon zu träumen, Astronaut zu werden oder Dinos auszubuddeln. In meinen jetzigen Beruf bin ich dann eher reingestolpert: Das erste Jahr habe ich Videos nur zum Spaß aufgenommen, ohne einen einzigen Cent zu verdienen.

Ab wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie hauptberuflich Influencer sind?

Während meines Online-Marketing-Studiums habe ich gemerkt, dass immer mehr Follower dazu kamen und zwei Jahre nach dem Beginn, 2016, sind meine Abonnenten dann schnell von tausend auf 17.000 gesprungen – dann konnte ich auf einmal mein Leben damit finanzieren. Das war schon sehr cool. Da habe ich verstanden: Das ist wirklich mein Job. Damit hatte ich mit meinem Studium zwei Vollzeitjobs: Wochenenden und genug Schlaf kamen da auch oft ein bisschen zu kurz.

Versteht Ihre Familie, was Sie beruflich machen?

Meine Gastfamilie aus meinem Auslandsjahr nach dem Abitur in Australien hat mich sofort unterstützt und die Videos begeistert geschaut – und das, obwohl sie nicht mal Deutsch verstanden hat. Das war richtig schön. Mein Papa hat am Anfang nicht verstanden, warum ich so viel Zeit in Videos stecke, die damals kein Geld gebracht haben. Da gab es dann Sprüche wie „Such dir doch mal einen richtigen Job“. Meine Oma und meine Mama finden gut, was ich tue, sie sind inzwischen meine größten Fans.

„Meine Oma und meine Mama finden gut, was ich tue, sie sind inzwischen meine größten Fans“

Als Beruf veröffentlichen Sie Ausschnitte aus Ihrem Alltag. Wie unterscheidet sich der Joey vor der Kamera von dem hinter der Kamera?

Der private Joey hat deutlich mehr Facetten als der vor der Kamera. Der Joey vor der Kamera ist meine unbeschwerte, lustige Seite; ich bin aber noch mehr als das. Es tut mir gut, diese positive Seite von mir rauszulassen. Denn nachdem ich ein Video gedreht habe, bin ich den ganzen Tag noch gut gelaunt. Abseits der Kamera bin ich auch mal ernst oder nachdenklich.

Sie haben sich 2021 als schwul geoutet, seitdem kommt Ihr Freund öfter in Videos vor. Wieso haben Sie das so lange privat gehalten?

Ich komme aus einem Dorf in Thüringen, das größtenteils queerfeindlich war. Ich hatte nie große Ambitionen, öffentlich über meine Sexualität zu sprechen, weil sie im Kontext meiner Videos keine Rolle gespielt hätte. Eines Morgens bin ich aufgewacht und dachte: Irgendwie muss das jetzt sein.

Auf einmal hat es sich richtig angefühlt, auch diesen Teil von mir zu zeigen. Kurz vor der Veröffentlichung hatte ich dann ganz schön Herzrasen. Innerhalb kürzester Zeit hatte das Video dann eine Million Aufrufe, das war schon krass. Aber auch, wenn es anfangs natürlich große Wellen geschlagen hat, wurde das Video rückblickend nicht großartig anders angeklickt als meine anderen Videos. Die meisten Leute haben sich einfach für mich gefreut. Ich wurde nicht auf meine Sexualität reduziert. Im Fokus stand immer noch, dass ich Videos produziere, die meine Community zum Lachen bringt. Darüber freue ich mich sehr.

Was steht für die Zukunft an?

Wir planen gerade eine Podcast-Tour durch Deutschland für 2026 und die Planung für das Programm läuft auf Hochtouren. In den Shows gibt es nicht nur ein normales Podcast-Gespräch im klassischen Sinne, sondern auch typische Elemente und Challenges, die man aus unseren Youtube-Videos kennt. Und ich muss sagen, ich bin schon jetzt echt aufgeregt, das wird richtig cool.