Kölner Reisebusunternehmen„Als würde man darauf warten, dass wir pleitegehen“

Die Busreise-Veranstalter Willfried Backes (l.) und Jochen Pankoke fahren die wenigen Touren jetzt selbst.
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Köln – Anfang Februar sah es noch so aus, als würde vor dem Kölner Busreise-Veranstalter „Auf Extratour“ ein gutes Jahr liegen. Der Kalender war gefüllt, es standen 435 fest gebuchte Buseinsatztage darin. „Danach wäre eigentlich nur noch Zubrot dazugekommen“, sagt Jochen Pankoke, zusammen mit Wilfried Backes Inhaber des Unternehmens. Stattdessen kam die Corona-Pandemie und mit der Pandemie die Stornierungen. Von den 435 Tagen fielen 424 weg. Praktisch alle Gruppenfahrten bis Ende des Jahres wurden abgesagt. Im Moment denkt kaum jemand daran, eine neue zu buchen. Die Firma, so Pankoke, fange schon an zu bröckeln. „Wir hatten für unsere Altersvorsorge und neue Busse Geld zurückgelegt“, sagt er. „Das verbrennen wir gerade. Und wenn alles weg ist, hören wir auf. Anders geht es ja nicht.“
Die Reisebusunternehmen sind genau wie die gesamte Touristik besonders hart in die Krise geschlittert. Einer Blitzumfrage des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmen (BDO) zufolge erlitt jedes der befragten Unternehmen mit touristischem Schwerpunkt bis Mitte Juni einen finanziellen Verlust von mehr als 500 000 Euro. Der Lockdown ist genau in die Haupt-Busreisezeit gefallen. Im Schnitt rechneten die Unternehmen auch für September bis Dezember mit Umsatzeinbußen von etwa 70 Prozent. Zeitweise galten 50 Prozent der Arbeitsplätze laut BDO als konkret gefährdet. „Einige Unternehmen hatten monatelang einen hundertprozentigen Ausfall“, sagt Manfred Krause vom Verband Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO), dem NRW-Arm des Bundesverbandes. „Jetzt beginnt langsam wieder das Geschäft mit den Tagesfahrten. Aber es läuft nur schleppend an.“
100-prozentige Kurzarbeit für die Fahrer
„Auf Extratour“ ist ein kleines Unternehmen: zwei Inhaber, drei Busfahrer, drei Busse, eine Büroangestellte. Die Ehrenfelder organisieren Gruppenreisen, vor allem für Schulklassen, bei denen sie sich auch um Unterkunft und Programm kümmern. Hinzu kommen Tagesreisen und kleine Reiseprogramme, ebenfalls inklusive Unterkunft und Programm. Außerdem kann man die Busse mieten. Pankoke und Backes haben „Auf Extratour“ vor 34 Jahren gegründet. Jetzt sind die drei Busfahrer in 100-prozentiger Kurzarbeit, die Angestellte hat sich aufgrund der unsicheren Situation schon einen neuen Job gesucht. Mangels Geldes fahren Pankoke und Backes die wenigen Touren, die geblieben sind, selbst. Sie können die Fahrer nicht für zwei Fahrten aus der Kurzarbeit holen, auch wenn sie ihnen einen Zuschlag auf das Kurzarbeitergeld zahlen.

Reisebusse bei einer Demonstration im Mai in Berlin
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„Auf Extratour“ leidet wie viele Reisebusunternehmer darunter, dass zu den fehlenden Einnahmen oftmals auch unverschuldete Kosten hinzukommen. Als Veranstalter haben die Ehrenfelder die Anzahlungen für Hotels und Programm vielfach schon geleistet. Während sie selbst ihren Kunden das Geld zurücküberwiesen haben, sieht es bei den Hotels jedoch oft anders aus. „Es ist eine wahnsinnige Arbeit, ihnen hinterherzulaufen und das Geld einzutreiben“, sagt Pankoke. Hinzu komme, dass Erstattungen im Ausland teils nur in Form von Gutscheinen erfolgen, die für die Unternehmen vollkommen nutzlos sind. Das NRW-Schulministerium hat zwar angekündigt, angefallene Stornokosten für entfallene Klassenfahrten zu übernehmen. Aber der Weg ist weit: Erst über Bezirksregierung und Schulen kommt Geld zu den Unternehmen. Bei Pankoke und Backes ist noch nichts angekommen. „Es ist ein Skandal, dass sie sich so viel Zeit lassen“, sagt Pankoke. „Als würde man darauf warten, dass wir pleitegehen.“
Ein Bus kostet im Schnitt 300.000 Euro
Die Politik hat das Problem der Branche grundsätzlich erkannt: Mitte Juli beschloss Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein Maßnahmenpaket über 170 Millionen Euro für die Reisebusunternehmen. Mithilfe dieses Geldes sollen die sogenannten „Vorhaltekosten“ der Unternehmer ausgeglichen werden: Darunter fallen fortlaufende Tilgungs- und Leasingraten für die Anschaffung von Reisebussen und Vorleistungskosten zum Beispiel für Kataloge. Für „Auf Extratour“ sind diese Konditionen allerdings eine Katastrophe. Denn die drei Busse sind bereits abbezahlt – was bedeutet, dass das Unternehmen leer auszugehen droht. „Wir sind eine Firma, die immer sehr solide gearbeitet hat“, sagt Pankoke. „Ein Bus kostet im Schnitt 300.000 Euro. Wir haben immer gespart und dann gekauft.“
Auch der NWO sieht hier Nachholbedarf: „Das sind Sachen, die wir noch besprechen müssen“, so Krause. Da das Reisegeschäft in diesem Jahr voraussichtlich nur sehr verhalten anlaufen werde, sei es dringend notwendig, die bestehenden finanziellen Hilfen bis Ende des Jahres zu verlängern. Und: dass endlich bundeseinheitliche Regelungen kämen. Denn derzeit gelten völlig unterschiedliche Anforderungen an eine Fahrt mit dem Reisebus, was Mindestabstand, Maskenpflicht, Gepäck sowie Ein- und Ausstieg betrifft.
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Pankoke befindet sich mittlerweile auf der ersten mehrtägigen Gruppenreise seit Beginn der Pandemie – nach Österreich statt wie ursprünglich geplant nach Cornwall, mit der Hälfte der Passagiere. „Ich scheue mich, langfristige Prognosen zu machen“, sagt er. „Wir haben alle gelernt, dass die Aussagen, die wir in der Corona-Krise treffen, nach zwei Wochen überholt sein können.“