Kommentar zu Plänen der BundesregierungElterngeld für Gutverdiener zu streichen, birgt sozialen Brennstoff

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Thema: Mutter spielt mit ihrem Kind in einer Sandkiste. Bonn Deutschland *** subject mother playing with her child in a sandbox Bonn Germany Copyright: xUtexGrabowsky/photothek.netx

Die neue Einkommensgrenze würde vor allem Frauen benachteiligen. (Symbolbild)

Die Pläne gefährden die Gleichstellung von Frau und Mann, schreibt unser Autor.

Für das Elterngeld gilt bislang eine Grenze des zu versteuernden Einkommens von 300.000 Euro jährlich. Haushalte, die darüber liegen, haben kein Recht auf die staatliche Unterstützung in Höhe von maximal 1800 Euro im Monat. Nun soll die Einkommensgrenze halbiert werden. Ist der Plan gerecht oder falsch? Eliana Berger, Redakteurin im Wirtschaftsressort, sagt: Gleichstellung erreichen wir nicht mit Elterngeld für Spitzenverdienende. Tim Attenberger, Leiter der Lokalredaktion Köln, hält dagegen:

Die Ankündigung aus dem Bundesfamilienministerium, das Elterngeld für alle Eltern mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro zu streichen, muss als sozialer Brennstoff bezeichnet werden. Sicher, auf den ersten Blick mag es so wirken, als hätten Paare mit einem gemeinsamen Einkommen in dieser Höhe einen solchen Zuschuss gar nicht nötig.

Menschen werden am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn belastet

Schnell gerät in Vergessenheit, dass Menschen mit einem hohen Einkommen nicht automatisch Menschen mit einem großen Vermögen sind. In der Regel handelt es sich um Akademiker, die erst spät angefangen haben, überhaupt nennenswert Geld zu verdienen. Das Alter, in dem Paare üblicherweise Kinder bekommen, ist zudem eher niedrig anzusetzen. Belastet werden also faktisch Menschen, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen und nicht bereits seit Jahrzehnten Besserverdiener sind. Zur Berechnung herangezogen wird das Einkommen des vergangenen Jahres. Völlig egal, ob es das erste Jahr war, in dem das Paar jemals die 150.000-Euro-Grenze überschritten hat.

Angesichts der nach wie vor dramatisch klaffenden Lohnlücke zwischen Frauen und Männern in Deutschland sind die Pläne ein Schlag ins Gesicht der Gleichstellung der Geschlechter. Denn tatsächlich ist es so, dass in den meisten Eltern-Paarbeziehungen der Mann nach wie vor signifikant mehr verdient als die Frau.

Streicht die Bundesregierung das Elterngeld, wird das also in der Regel bedeuten, dass die Frau den Großteil der Elternzeit in Anspruch nehmen muss, während der Mann arbeiten geht – und zwar aus einer rein wirtschaftlichen Abwägung heraus. Auf das geringere Einkommen lässt sich eher verzichten. Das Elterngeld sorgt hingegen dafür, die Lohnungerechtigkeit zumindest ein Stück weit auszugleichen. Natürlich wäre es wünschenswert, es gäbe erst gar keine Lohnlücke. Aber solange es noch so ist, sind Hilfsmittel wie das Elterngeld absolut sinnvoll.

Im Gegenzug stehen nicht einmal genug Kita-Plätze zur Verfügung

Das Elterngeld ist außerdem ohnehin auf 1800 Euro monatlich begrenzt, unabhängig davon, wie viel man vorher verdient hat. Man muss also sowieso bereits auf größere Beträge verzichten. Wenn ab Januar 2024 auch noch die 1800 Euro fehlen, wird das auch Familien mit einem höheren Einkommen in Schwierigkeiten bringen. Es wird vielen am Ende nichts anderes übrigbleiben, als die Elternzeit stark zu verkürzen.

Völlig lebensfremd ist zudem der Zeitplan für die Kürzung. Wer Anfang 2024 ein Kind zur Welt bringt, ist jetzt bereits schwanger. Ein Vorlauf von nicht einmal einem halben Jahr, um einen fünfstelligen Geldbetrag anzusparen, der durch den Verlust des Elterngelds fehlt – so etwas will das Familienministerium einer jungen Familie zumuten.

Und dann stehen im Gegenzug nicht einmal genug Betreuungsplätze in den Kitas zur Verfügung. In dieser Einkommensklasse zahlt man zudem für die Mindestbetreuung im ersten Kita-Jahr schon mehr als 500 Euro im Monat, was eine weitere Belastung bedeutet. Alles in allem betrachtet sind diese Pläne also vor allem eines: unsozial.

KStA abonnieren