Kommentar zu Gorillas und AlnaturaEin Lieferdienst braucht dringend gute Nachrichten

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Gorillas-Lieferant

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Köln – Nach Ankerkraut und Nestlé haben nun erneut zwei Unternehmen, deren Außenwirkungen nicht unterschiedlicher sein könnten, ihre Zusammenarbeit bekannt gegeben: Der stark in der Kritik stehende Schnelllieferdienst Gorillas nimmt 250 Produkte des als nachhaltig und sozial geltenden Bio-Einzelhändlers Alnatura in sein Sortiment auf. Profitieren können naturgemäß beide, doch Gorillas kann derart gute Nachrichten derzeit mehr als gebrauchen.

Alnatura hat sich – Zitat der eigenen Webseite – auf die Fahnen geschrieben, „dass mehr Lebensmittel aus biologischem Landbau ihren Weg von den Bio-Höfen zu den Kundinnen und Kunden finden.“ Gorillas ist für den Bio-Händler vor allem ein weiterer Vertriebsweg, denn Kooperationen zum Beispiel mit den Lieferdiensten Picnic, Bringmeister oder Knuspr hat Alnatura schon lange. Die Umsätze steigen, ein Online-Shop ist in Arbeit. Dass die Bio-Produkte nach einem Streit vor Jahren bei der Drogeriekette DM aussortiert wurden, ist mittlerweile bloß noch eine Randnotiz. 

Schlechte Arbeitsbedingungen

Gorillas-CEO Kagan Sümer zufolge handelt es sich bei der Sortimentserweiterung um Alnatura-Produkte nicht um Greenwashing, sondern um eine Herzensangelegenheit. Dass Gorillas sich nun aber mit dem grünen und sozialen Image von Alnatura schmücken kann, dürfte kaum einer leugnen. Denn gute Nachrichten sind in schlechten Zeiten wichtig: Erst vergangene Woche hat der Lieferdienst bekannt gegeben, die Hälfte der Belegschaft der Firmenzentrale in Berlin – etwa 320 Mitarbeitende – zu entlassen. Man müsse endlich wirtschaftlich werden, um attraktiv für neue Investoren zu werden. Selbst der Rückzug von einzelnen Märkten steht zur Debatte.

Und das ist nur eine von vielen Negativschlagzeilen über Gorillas, steht das Unternehmen noch immer wegen prekärer Arbeitsbedingungen in der Kritik. Einst waren es schlechte Dienstplanungen, dass Fahrerinnen und Fahrer Arbeitsausrüstung selbst zahlen müssen und bloß befristete Arbeitsverträge mit niedrigem Lohn erhalten, die beklagt wurden. Zahlreiche Proteste und Streiks brachten schließlich Bewegung in die Sache: Die Ausstattung wird mittlerweile gestellt, der Stundenlohn wurde auf 12 Euro angehoben. Dass der gesetzliche Mindestlohn im Oktober aber ohnehin auf 12 Euro angehoben werden soll: geschenkt.

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Trotzdem: 30 streikenden Mitarbeitern hat Gorillas fristlos gekündigt. Eine Betriebsratswahl wollte man gerichtlich verhindern, ist damit aber gescheitert. Gorillas zweifelt dennoch an der Gültigkeit der Wahl.

Um Gorillas trotz der schwierigen Fahrwasser nun ein wenig Image-Stabilisierung zu geben, ist Alnatura scheinbar als Partner keine schlechte Wahl. Dass der Bio-Händler aber im Jahr 2015 selbst juristische Schritte eingeleitet hat, um eine freie Betriebsratswahl in einer Bremer Filiale zu verhindern und der Fall gar bis vor das Bundesarbeitsgericht Erfurt ging, dürfte dabei keine Rolle spielen.

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