Maut-Deal mit Toll CollectDobrindt will den Bundestag mit Maut-Trick täuschen

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Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt.

Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt.

Berlin – Es geht um Milliarden für den Staatshaushalt, um die wichtigste Einnahmequelle des klammen Bundesverkehrsministeriums und um einen sehr lukrativen Auftrag der Bundesregierung an die Wirtschaft: Das Verkehrsministerium muss bis 28. Februar 2015 entscheiden, wer in den nächsten drei Jahren die jährlich vier Milliarden Euro Lkw-Maut auf Deutschlands Autobahnen eintreibt. Dann läuft der bisherige Vertrag mit Daimler und Deutscher Telekom aus, die dafür die gemeinsame Tochter Toll Collect gegründet haben.

2002: Schon die Ausschreibung, mit der die rot-grüne Regierung Betreiber für das Lkw-Maut-System sucht, ist umstritten. Ausgeschlossene Firmen erfahren keine Gründe, klagen dagegen. Am Ende bekommt ein Konsortium aus Daimler, Telekom und Cofiroute den Zuschlag und gründet Toll Collect.

2006: Erst mit dreijähriger Verspätung läuft Toll Collect in vollem Umfang. Bald wird klar, dass die Konsorten bewusst zu viel versprachen. Der Bund klagt auf Schadenersatz und Strafe.

2014: Noch immer läuft der Prozess. 2012 wollte der Bund auf große Teile der Streitsumme verzichten. Als die Berliner Zeitung das publik machte, platzte der Deal.

Doch obwohl Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) noch immer geheim hält, wie es mit der Lkw-Maut weitergehen soll, ist die Entscheidung offensichtlich längst gefallen: Wenn die Bundestagsabgeordneten Ende November dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2015 zustimmen, nicken sie – viele womöglich unbewusst – die Vertragsverlängerung mit Daimler und Telekom bis 2018 gleich mit ab.

Dem Staat drohen Milliardenausfälle

Vor ihnen haben darüber die Haushaltspolitiker entschieden, wenn sie in der Nacht zu diesem Freitag der „Bereinigungsvorlage“ zum Staatshaushalt zugestimmt haben. Dieses Konvolut, mit dem Nachbesserungen des Parlaments in die Regierungspläne für 2015 eingearbeitet werden, weist dem Verkehrsministerium für 2015 bis 2018 jeweils knapp 537 Millionen Euro zu – als „Ausgaben für den Einzug der streckenbezogenen Straßenbenutzungsgebühren“.

Mit anderen Worten sichert sich Dobrindt die nötigen Milliarden, um Daimler und Telekom auch in den kommenden drei Jahren ihre Vergütung zukommen lassen zu können. Eine „Bemerkung“ erklärt lapidar: „Zur Fortführung der Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen (...) müssen Vereinbarungen mit der Toll Collect GmbH geschlossen werden, die bis in das Jahr 2018 reichen.“

Der Eintrag wäre schon beachtlich, weil die milliardenschwere Entscheidung so gut versteckt ist. Doch die Entscheidung ist auch rechtlich riskant: Die Koalition will die Lkw-Maut in den nächsten Jahren auf Bundesstraßen und weitere Lkw-Gewichtsklassen ausweiten. Das erlaubt der bisherige Vertrag mit Toll Collect nicht.

Um die avisierten Neu-Einnahmen in Milliardenhöhe pro Jahr nicht zu gefährden, hätte der Maut-Betrieb neu ausgeschrieben werden müssen. Dafür ist die Zeit längst zu knapp. Der sicherste Ausweg wäre, dass der Bund Toll Collect übernimmt und selbst betreibt – was der aktuelle Vertrag fast gratis erlaubt. Der Griff zur Vertragsverlängerung ist die heikelste Variante: Konkurrenten drohen, die Ausweitung der Maut durch Klagen wegen Vergaberechtsbruchs zu verzögern. Dem Staat drohen Milliardenausfälle.

Die Nebelkerzen-Werferin

Offenbar wollte das Ministerium das Parlament täuschen. Erst an diesem Mittwoch sagte Dobrindts Staatssekretärin Katherina Reiche (CDU) im Bundestag: „Das Ministerium prüft nach wie vor alle Optionen. Eine endgültige Entscheidung ist nicht gefällt.“ Dabei stammt das Haushaltspapier vom 5. November und spricht ausdrücklich von der „Ausübung der im laufenden Betreibervertrag vorgesehenen Verlängerungsoption bis zum 31.8.2018“.

Andere Optionen sind nicht erwähnt. Damit ist die Entscheidung politisch bindend. Selbst wenn der neue Vertrag noch nicht durch Dobrindts Unterschrift besiegelt ist, lässt der beschlossene Haushalt keinen anderen Weg mehr zu.

Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens, der die verräterische Passage entdeckte, ist empört: „Die klammheimliche Verlängerung des Vertrages ist ein Skandal“, sagte er der Berliner Zeitung. „Dobrindt setzt die Ausweitung der Lkw-Maut aufs Spiel. Jetzt droht genau wie bei seiner Pkw-Maut ein Einfallstor für Klagen – oder das Ende einer der wichtigsten Quellen für die Infrastruktur-Finanzierung.“ Das Ministerium erklärte am Donnerstag lediglich: „Entscheidungen werden gerade vorbereitet.“

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