Abo

1924 gegründetAus für Kölner Molkerei nach 99 Jahren – Rückblick auf Unternehmens-Geschichte

Lesezeit 5 Minuten
Eine Kundin nimmt in Köln eine Milchpackung (Campina/Tuffi) aus dem Kühlregal

Kaum eine Milchmarke ist den Menschen in der Region so vertraut wie Tuffi

Kurz vor dem 100. Geburtstag gehen beim Milchhof in Köln die Lichter aus. Ein Überblick zur Geschichte von Tuffi.

Die Kinder der 1970er und 1980er erinnern sich noch gut, wenn morgens der Hausmeister in die Grundschulklassen kam, warme Milch und Kakao aus viereckigen Plastikbechern an die Schüler verteilte. Auf dem aufgeklebten Aluminiumdeckel, der mit einem Strohhalm durchgestochen wurde, stand in großen roten Buchstaben „TUFFI“, in leicht rundlicher Schrift. Daneben eine freundliche Kuh, um dem Grundschüler eine wichtige Sache klarzumachen: Die Milch kommt von der Kuh.

Kaum eine Milchmarke ist den Menschen in der Region so vertraut wie Tuffi, auch wenn es im Supermarktregal heute längst eine ganze Fülle an Alternativen gibt. Denn traditionell war Tuffi die Milch der Kühe aus dem Bergischen Land, dem Niederrhein und dem westlichen Sauerland, also groß gesprochen das weitere Umland von Köln.

Tuffi: Zirkuselefant in der Wuppertaler Schwebebahn

Ihren Namen hat Tuffi von einem Elefantenmädchen. Das Tier namens Tuffi des Zirkus Althoff fuhr im Juli 1950 in Wuppertal zu Werbezwecken mit der Schwebebahn. Das schien dem jungen und schweren Tier offensichtlich nicht besonders zu behagen. Der Wagen war überfüllt mit Journalisten, und als Tuffi sich umdrehen wollte, es aber nicht konnte, kletterte sie auf einen Sitz, der unter ihrer Last zusammenbrach. Es wurde noch mehr gedrängt und geschubst. Dann durchbrach Tuffi in einem Anlauf die Seitenwand und fiel in die Wupper. Das Elefantenmädchen landete zum Glück glimpflich und ohne Verletzungen im Fluss – in Wuppertal bis heute legendär.

Etwa acht oder neun Jahre später bringt eine Wuppertaler Molkerei einen neuen Quark auf den Markt und nutzt den Namen Tuffi, der weder geschützt noch anderweitig verwendet wurde. Über Umwege wurde der Markenname Tuffi so zum Firmennamen der regionalen Molkerei-Genossenschaften.

Tuffi: Milchproduktion im Kölner Stadtteil Bilderstöckchen

Deren Geschichte geht freilich noch viel weiter zurück als die des Milchmarkennamens Tuffi. Die Kölner Keimzelle ist die „Milchversorgung Rheinland GmbH“, die im Jahr 1924 gegründet wurde. Hauptproduktionsstätte wurde der Milchhof im Kölner Stadtteil Bilderstöckchen an der Geldernstraße 46.

Das Gelände erschien günstig, da es dort damals, heute fast nicht vorstellbar, kaum Bebauung gab und die Eisenbahn nahe lag. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs gab es auf dem Betriebsgelände ein Zwangsarbeiterlager. Nach Kriegsende blieb der Milchhof bestehen und nahm seine Produktion wieder auf. Im Nachkriegsdeutschland erlebt die Landwirtschaft des Rheinlands ein Wirtschaftswunder, das mit steigender Nachfrage nach guten Lebensmitteln und einer deutlich zunehmenden Kaufkraft einherging. Außerdem wird das Land mobil.

Nicht nur, dass Traktoren die Pferde in der Landwirtschaft ersetzten. Auch die immer schneller fahrenden Lastwagen wandeln den Milchmarkt in der Region. Mit den Fahrzeugen kann die Rohmilch vom Bauern viel günstiger zu zentralen Milchhöfen, sprich Molkereien, transportiert werden.

Milchversorgung Rheinland: Zusammenschluss von mehr als dreißig Molkereigenossenschaften

Die Folge: Es ist wirtschaftlich, eine größere Molkerei mit der Milch einer ganzen Region zu betreiben, als die Milch in Kleinstbetrieben verteilt übers Land zu verarbeiten. So entsteht 1965 die Milchversorgung Rheinland durch den Zusammenschluss von mehr als dreißig Molkereigenossenschaften des Rheinlandes, darunter eben auch der früheren Milchversorgung Köln.

1971 fusionierte auch der Milchhof Düsseldorf mit der MVR. Das ist auch das Jahr, in dem der Name Tuffi erstmals flächendeckend für die Milchprodukte der Region eingesetzt wird. Später kommt dann der prägnante Kopf der Kuh auf den Verpackungen der verschiedensten Erzeugnisse aus Bilderstöckchen hinzu. Die MVR betreibt damals aber noch mehrere Molkereien.

Milch-Großkonzern Campina übernimmt in den 1990ern

Ab 1997 werden die MVR und die Milchwerke Köln-Wuppertal (mit Betrieben in Köln, Wuppertal, Essen, Iserlohn und Lindlar-Hommerich) integriert. Als der Milch-Großkonzern Campina schließlich in den 1990ern das Gebilde übernimmt, beginnt die Zeit der Molkerei-Schließungen. Der Markt erlebt eine Konsolidierung. Rheinische Milch wird nicht mehr nur in der Region verarbeitet, sondern geht auch nach Belgien. Die Fusionswelle geht weiter, aus der Tuffi-Mutter Campina wird der deutsch-niederländische Milchkonzern Friesland-Campina.

Der und damit auch die Molkerei in Köln-Bilderstöckchen erlebt in den Jahren 2007 und 2008 turbulente Zeiten. Der Milchpreis ist im Keller, und das wollen sich die Bauern nicht mehr gefallen lassen. An vielen Tagen fahren sie mit ihren schweren Traktoren zur Kölner Molkerei, um lautstark zu demonstrieren. Dabei durch stehende Traktoren die Mülheimer Brücke zu blockieren, bleibt es nicht. Die Bauern drohen mit dem Aufsehen erregenden „Milchstreik“ und schütten ihre Milch lieber in den Abguss als sie für wenige Cent zu verkaufen.

Tuffimilch: Konflikte wegen Tanklastwagen in Köln

Die Kölner Molkerei ist inzwischen schon längst nicht mehr eine Fabrik im Grünen. Die Millionenstadt Köln ist mit Wohnhäusern engstens an das Werk herangewachsen, was zu zunehmenden Konflikten führt, insbesondere wegen der Tanklastwagen mit der Milch. Aber: Die Molkerei war vorher da.

Im Jahr 2022 ist schließlich auch die Zeit der Friesland-Campina besiegelt. Der viel größere Milchgigant Theo Müller (Müllermilch) darf das Unternehmen schlucken. Allerdings erteilt das Bundeskartellamt Auflagen. Und die bringen für Köln gravierende Nachteile mit sich. Die Marken Tuffi und Landliebe muss Müllermilch verkaufen, sonst wird die Fusion nicht genehmigt.

Die Molkerei Hochwald kauft die Marke Tuffi. Die sitzt in Thalfang, Hunsrück, eine Fortführung der Molkerei in Köln ist wirtschaftlich unattraktiv. So lebt zwar die Marke Tuffi weiter, doch in Köln gehen die Lichter aus. Ende Oktober schließt die Molkerei in Bilderstöckchen für immer, weniger als ein Jahr vor ihrem 100. Geburtstag. Die Mitarbeiter können zu anderen wechseln. Tuffi-Milch aus Köln ist endgültig Geschichte. Auf dem Gelände sollen Wohnungen entstehen.

KStA abonnieren