„Es wird sich Spreu von Weizen trennen“Bauunternehmen in der Region erwarten weitere Pleiten

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28.03.2023, Köln: Blick auf die Baugrube des Laurenz Carrés. Foto: Uwe Weiser

Nach der Insolvenz der Gerchgroup steht die Baustelle des Laurenz-Carré still.

Viele Bauunternehmen stellen derzeit Projekte zurück – oder versuchen, Grundstücke an Mitbewerber zu verkaufen. Die Lage wird weiter kritisch bleiben. 

Nach den Insolvenzen großer Projektentwickler in den vergangenen Wochen rechnen Experten und Unternehmen damit, dass sich die Situation in der Immobilienbranche weiter verschärfen wird. „Es wird weitere Insolvenzen geben“, sagte Bernd Hoepfner, Professor für Immobilienwirtschaft an der Fresenius-Universität in Berlin, im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Die Immobilienwirtschaft steht vor einigen strukturellen Umwälzungen.“

Auch Martin Koll, Geschäftsführer bei Pareto, dem Projektentwickler der Kreissparkasse Köln, spricht von einer „dramatisch verschlechterten Lage“ allein im Vergleich zum Frühling 2023 – wo die Branche bereits unter hohen Zinsen und Baukosten ächzte. „Vor einem halben Jahr waren wir noch der Meinung, dass es zeitnah wieder bergauf gehen würde. Aber das ist nicht passiert. Stattdessen bieten Kollegen mir Grundstücke an, weil sie sie loswerden möchten. Das ist ein schlechtes Zeichen.“

Vertrieb von Wohnungen ist eingebrochen

Denn immer mehr Bauunternehmen stellen ihre Neubauprojekte zurück – oder geraten gar in finanzielle Schieflage. Zuletzt meldeten gleich mehrere große Projektentwickler innerhalb kurzer Zeit Insolvenz an, davon zwei mit direktem Bezug nach Köln: Development Partner mit Sitz in Düsseldorf, die in den vergangenen Jahren das „Haus am Rudolfplatz“ bauten – und die ebenfalls in Düsseldorf ansässige Gerchgroup, die das Laurenz-Carré am Dom baut. Dort droht nun langer Stillstand.

Neben den massiv gestiegenen Zinsen und Baukosten ist es derzeit vor allem auch die eingebrochene Nachfrage und die dadurch verlangsamte Vertriebsgeschwindigkeit, die den Bauunternehmen zu schaffen macht. Denn Banken verlangen normalerweise, dass ein bestimmter Prozentsatz der Wohnungen verkauft ist, bevor mit dem Bau begonnen wird. Diese Schwelle zu erreichen, wird nun immer mühsamer. In der Folge teilen Projektentwickler nun verstärkt größere Projekte in mehrere kleinere auf, um bauen zu können.

Bauunternehmen kalkulierten sehr unterschiedlich

Die derzeitige Nachfragesituation steht im starken Kontrast zur Lage der vergangenen Jahre – wo sie noch außergewöhnlich hoch war. „Ich würde sagen, dass der Immobilienmarkt verursacht durch die Niedrigzinspolitik überhitzt war, Corona hat dies noch überdeckt“, so Hoepfner. „Einige der Unternehmen, die heute insolvent sind, sind in den vergangenen Jahren sehr schnell sehr stark gewachsen. Dieses Wachstum war nicht organisch.“ Der Immobilienexperte geht davon aus, dass es nun zu einer Marktbereinigung komme.

Auch Koll rechnet damit, dass sich in den kommenden Jahren die „Spreu vom Weizen“ trennen werde. Projektentwickler hätten Projekte in der Vergangenheit sehr unterschiedlich kalkuliert. „Bei Wirtschaftlichkeitsbewertungen sind verschiedene Ansätze möglich. Wir als Tochter einer Bank haben immer mit dem Worst-Case kalkuliert. Es gibt andere Firmen, bei denen ich glaube, dass sie eher mit dem Best-Case gearbeitet haben. Dazwischen liegt eine große Range.“

Auch Pandion beobachtet den Markt genau

Bei Pareto sei die Situation weiter stabil, obwohl auch hier die Margen gesunken sind und Reserven angezapft werden. Der Projektentwickler profitiert derzeit davon, mit der Kreissparkasse Köln eine Bank als Gesellschafterin zu haben. Außerdem setzte Pareto bislang sowohl auf Trading- als auch auf Service-Development: Beim Trading-Development baut ein Entwickler auf eigene Rechnung und verkauft die Immobilie später weiter, beim Service-Development ist er nur Dienstleister und trägt kein eigenes finanzielles Risiko. „Wir haben alle Trading-Projekte angehalten“, so Koll. „Beim Service-Development haben wir dagegen eine hohe Auslastung.“

Auch die Kölner Pandion AG spricht angesichts der Insolvenzen am Markt von einem „Alarmsignal“. Sie verdeutlichten „die Notwendigkeit, bestehende Strategien intelligent zu überdenken und maßvoll nachzujustieren“, so eine Sprecherin auf Anfrage. „Gleichzeitig sehen wir jedoch auch Chancen in der aktuellen Krise. Sie zwingt die Branche zur Selbstreflexion und zur Überarbeitung mancher Standards.“ Pandion selbst sei derzeit „zurückhaltend“ mit Blick auf neue Projekte. Die Pipeline sei jedoch noch gut gefüllt, alle im Bau befindlichen Projekte würden weiter nach Plan umgesetzt. „Die weitere Marktentwicklung beobachten wir sehr genau, um jederzeit flexibel reagieren zu können.“

Experten fordern Förderung für Selbstnutzer

Bis die Branche sich erholt, wird es allerdings noch eine Weile dauern – darin sind sich alle einig. Viele rechnen damit, dass sie sich bis 2025 hinziehen wird. „Die Frage ist, wer die Mittel hat, solange zu überleben“, sagt Hoepfner.

Er sehe die Bundesregierung in der Pflicht, Familien und Selbstnutzern über die KfW günstige Kredite zur Verfügung zu stellen, um den Immobilienkauf zu erleichtern und so die Nachfrage wieder anzustoßen. Koll dagegen erhofft sich auch auf lokaler Ebene bessere Bedingungen: „Dass die Verwaltung versteht, dass aufgrund der steigenden Zinsen die Geschwindigkeit der Verfahren eine große Rolle spielt.“ Baugenehmigungen sind in Köln eine traditionell langwierige Angelegenheit, die sich über mehrere Jahre ziehen kann.

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