Senkung der MehrwertsteuerEin Kilo Äpfel bald für 1,94 Euro statt für 1,99?

Werden Lebensmittel des täglichen Bedarfs bald günstiger? Die Ankündigungen großer Supermarktketten lassen hoffen.
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- Lidl, Rewe und Aldi wollen die Preise senken, nachdem die Bundesregierung angekündigt hat, die Mehrwertsteuer bis zum Jahresende zu reduzieren.
- Ökonomen glauben aber, dass dies nicht in allen Bereichen passieren wird.
- Die Steuersenkung soll die Kauflust der Bürger steigern. Aber funktioniert das? Eine Analyse.
Köln – Unter Ökonomen findet das neue Konjunkturpaket der Bundesregierung weitreichende Zustimmung. Der Bund hatte zur Abmilderung der Lasten durch die Corona-Krise beschlossen, unter anderem die Mehrwertsteuer zwischen dem 1. Juli und dem Jahresende 2020 um drei Prozentpunkte zu senken.
Das bedeutet, dass die reguläre Mehrwertsteuer nun 16 statt 19 Prozent beträgt. Waren des täglichen Bedarfs, das sind zum Beispiel Lebensmittel zum sofortigen Verzehr oder landwirtschaftliche Erzeugnisse, die bislang mit sieben Prozent Umsatzsteuer belegt werden, werden künftig nur noch mit fünf Prozent besteuert.
In der Theorie werden reguläre Waren nun also 2,5 Prozent billiger, bei denen mit reduziertem Steuersatz beträgt der rechnerische Preisrückgang rund 2,8 Prozent – vorausgesetzt die Unternehmen geben die niedrigeren Steuern auch an die Verbraucher weiter. Die sind rein rechtlich die Zahler der Mehrwertsteuer, allerdings gibt es keinen Zwang zur Preisreduzierung für Unternehmen.
Unklar ist, inwieweit die Firmen diese Preissenkungen wirklich an die Kunden weiterleiten werden. „Ich gehe nicht davon aus, dass die Unternehmen die Senkung der Mehrwertsteuer eins zu eins an die Verbraucher weitergeben werden. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern zeigen, dass Steuersenkungen bei der Umsatzsteuer nicht gleichermaßen an die Verbraucher weitergegeben werden wie Steuererhöhungen“, sagt Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft bei der Deka, der Fondsgesellschaft der deutschen Sparkassen.
Außerdem enden viele Verbraucherpreise auf 99 Cent. Es sei schwer vorstellbar, dass eine Ware, die heute im Supermarkt 1,99 Euro kostet dann ab Juli 1,94 Euro kosten werden“, so Bahr. „Ich erwarte, dass die Senkung auf den Konsum täglicher Verbrauchsgüter wenig Effekt hat, wohl aber auf größere Anschaffungen, wie Autos, Möbel oder Elektrogeräte, weil die Summe spürbarer ist. Das kann durchaus zu Vorzieheffekten führen, die gewünscht sind“, sagt der Volkswirt.
Aldi, Lidl und Rewe wollen die Preise reduzieren
Die großen Einzelhandelsketten Aldi, Lidl und die Kölner Rewe haben bereits mitgeteilt, die Steuersenkung an die Kunden weiterzugeben. „Wir werden alle Produkte des täglichen Bedarfs mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von 16 anstatt 19 Prozent und dem ermäßigten Satz von fünf anstatt sieben Prozent anbieten“, sagte Matthias Oppitz, Deutschland-Chef von Lidl.
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Ökonomie-Professor Justus Haucap, der lange Mitglied der Monopolkommission der Bundesregierung war, ist optimistischer als sein Deka-Kollege. „Gerade in den Bereichen mit einem funktionierenden Wettbewerb kommen die Händler gar nicht darum herum, die niedrigeren Preise weiterzugeben, sonst kaufen die Kunden woanders“, sagt Haucap im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Laut Haucap ist es gesamtwirtschaftlich sogar unerheblich, ob die Senkungen an die Kunden weitergegeben werden, da das Geld ja mittelbar ohnehin zur Stützung der angeschlagenen Unternehmen gedacht ist. Gefahren durch Vorzieheffekte in der Zeit nach der Steuersenkung sieht Haucap nicht.
Die befristete Reduzierung würde aber helfen, die Konjunkturwellen etwas zu glätten, meint der Volkswirt.
Die Senkung der Mehrwertsteuer hätte durchaus noch etwas höher ausfallen können, sagen Kritiker. „Der Effekt an der Ladenkasse ist sicherlich nicht riesig, gesamtwirtschaftlich wird er aber spürbar sein“, sagte Hubertus Bardt, Geschäftsführer des IW Köln.
Anschaffungen würden leistbarer. Auch die Befristung sei sinnvoll, damit Käufe und Investitionen schon jetzt getätigt würden und nicht aus Verunsicherung erst ins kommenden Jahr verschoben werden. Man müsse beim Umfang der Absenkung eben auch berücksichtigen, dass es finanzielle Restriktionen gebe.