Köln – Eis-Essen ist nicht gleich Eis-Essen. Schon in der Technik des Vertilgens der kalten Süßspeise lassen sich ganz unterschiedliche Typen ausmachen. Die meisten Deutschen sind nach eigener Einschätzung Eis-Schlecker (38 Prozent), gefolgt von den Eis-Löfflern (21) und Eis-Beißern (18) bis zu den Eis-Wühlern (fünf Prozent) – die solange ihr Eis verrühren, bis es die Konsistenz verloren hat. Zusammen mit dem Rest, der sich nicht einordnen kann, gönnt sich jeder Deutsche im Durchschnitt knapp acht Liter Eis im Jahr. In Portionen gerechnet sind das immerhin 110 Kugeln. Gekauft wird das Eis meist im Supermarkt (82 Prozent), in den Eiscafés geht der Marktanteil leicht zurück auf 14 Prozent. Softeis teilt sich den Rest.
Die verputzte Menge hat sich in den vergangenen Jahren nicht mehr groß verändert. Die Deutschen sind in punkto Eisverzehr wetterfühlig. Sind Frühling und Sommer eher grau und verregnet, macht sich das sofort negativ beim Absatz bemerkbar. Dennoch liegt Deutschland mit seinem Eis-Verzehr in Europa auf einem der vorderen Plätzen.
Führend in der Eis-Rangliste sind die Skandinavier mit zehn bis zwölf Litern im Jahr, Deutschland steht nach Angaben der Süßwaren-Industrie auf Platz fünf. Die vermeintlichen Gelato-Erfinder, die Italiener, landen laut BDSI gerade mal knapp davor auf Platz vier. In anderen warmen Ländern wie Griechenland oder Spanien wird sogar noch weniger Eis gegessen als in Deutschland.
Eis ist letztlich auch eine Geschmacksache. Die Eis-Esser zeigen sich zwar experimentierfreudig, und die Hersteller lassen sich auch immer raffiniertere Rezepturen einfallen. In besonderen Eisdielen gibt es Sorten wie Schokoladeneis mit Chili, Rhabarbersorbet mit Campari, Weinbergpfirsich mit Lavendel oder Avocado-Melone. Hinzu kommen zunehmend vegane, laktosefreie Produkte und Bio-Eis. Gleichwohl bleiben traditionelle Geschmacksrichtungen wie Vanille, Schokolade, Haselnuss vorne – nicht nur in den Eisdielen, sondern auch im Supermarkt. Das Eis aus der Fabrik ist eindeutig cremiger, auch durch die Zugabe von pflanzlichen Fetten.
Die Stiftung Warentest hat im Frühjahr 20 Schokoladeneissorten aus der Tiefkühltruhe in der Haushaltspackung eingekauft. Die Produkte wurden von Eis-Experten probiert und im Labor auf Zusatzstoffe untersucht. Testsieger mit einer glatten Eins im Geschmack war das Eis von Häagen Dazs, dieses Produkt war aber auch mit über 11 Euro pro Liter das mit Abstand teuerste Eis im Test. Wer nicht so viel Geld ausgeben will, muss nicht auf Genuss verzichten. Sechs weitere Eiscremes bekamen insgesamt ein Gut von den Testern. Das preiswerteste Schoko-Eis in dieser Gruppe kam von Penny und kostete nur 1,49 Euro pro Liter. Der Rest der Testprodukte landete mit einem Befriedigend im Mittelfeld. Zwei Eissorten erreichten nur ein ausreichend. (sub)
Angefangen hat die Geschichte des Speiseeises in Deutschland nach dem 1. Weltkrieg. Damals kamen viele Gelatiere vor allem aus den bitterarmen Dolomiten nach Mitteleuropa und eröffneten die ersten italienischen Eisdielen – besonders gerne im Ruhrgebiet und im Rheinland. Der ganz große Aufschwung allerdings setzte mit der deutschen Reisewelle nach Italien in den 1960er-Jahren ein.
Nur ein Drittel macht das Eis selbst
„Die Leute kamen nach Hause und wollten genauso ihr Eis essen wie zuvor im Urlaub“, erzählt Annalisa Carnio vom Fachverband der italienischen Eishersteller (Uniteis). Überall entstanden Eiscafés mit geografischen Namen wie Venezia, Dolomiti oder San Remo – oder nach dem Namen der Besitzer wie Campi oder de Zordo in Köln. Die industrielle Produktion von Speiseeis startete in Deutschland bereits in den 1930er Jahren mit Firmen wie Langnese und Schöller.
In den 1960er Jahren kostete Eis noch 10 oder 20 Pfennig, heute müssen in angesagten Eisdielen auch schon mal 1,30 oder sogar 1,60 Euro hingelegt werden – für eine einzige Kugel. Und manch passionierter Eis-Esser beklagt zudem auch noch kleiner gewordene Portionen. Zur Ehrenrettung muss allerdings gesagt werden, dass im Ausland für die kalte Speise meist oft noch deutlich mehr hingeblättert werden muss – ganz egal ob beim Eis am Stiel, in der Supermarkttheke oder in der Eisdiele.
Beim deutschen Discounter kostet hingegen ein ganzer Kanister Eis weniger als zwei Euro. Wie passt das zusammen? Werden hier Äpfel mit Birnen verglichen? Zum Teil Ja.
Viele der rund 9000 Eisdielen in Deutschland (soviel wie nirgendwo sonst in Europa) berufen sich darauf, ihren Kunden handwerklich hergestelltes Eis anzubieten. Das bedeutet eigentlich, hier werden vor allem Milch, Sahne, Eigelb, Zucker, Butter und sowie je nach Eissorte frische Früchte, Nüsse, Schokolade und Gewürze als Rohstoffe verwendet. Hinzu kommen Emulgatoren und Stabilisatoren, natürliche Substanzen wie Johannisbrotkern- oder Guarkernmehl, Lecithin, Alginate, Pectin und Gelatine. Doch nur noch ein gutes Drittel der Eiscafés fabriziert das Eis noch selbst, der Rest kauft es bei Kollegen ein oder im Großhandel.
Die „historische“ Eisherstellung lässt sich also eher seltener antreffen. Es geht deutlich einfacher mit Milchpulver, Aromen und irgendwelchen vorgefertigten Mischungen. Mancher Hersteller zieht das preisgünstige Kokosfett dem Milchfett vor. Wer glaubt, Erdbeereis beispielsweise werde unbedingt aus Erdbeeren gemacht, der muss sein Weltbild ändern. Selbst mit relativ vielen Früchten, wäre es zu blass und würde von den Verbraucher nicht akzeptiert. Also wird vielfach Aroma hinzugefügt.
Es gibt Eissorten, die man ohne Farbstoffe eigentlich nicht machen kann. So wurde Pistazien-Eis von einigen Eisdielen ganz aus dem Sortiment genommen, weil das natürliche Pistazien-Eis grau statt grün ist. Dies hatte viele Kunden irritiert. Sandro Pol, ein alteingesessener Gelatiere aus Bergisch Gladbach, hat einmal gesagt: „Von mir möchten Sie ein natürliches Eis, wenn Sie Farbe wollen, müssen Sie in ein Farbgeschäft gehen.“
Mächtig Luft im Eis
Andererseits ist die Eisherstellung auch einfacher geworden, das Angebot an frischen Zutaten hat sich deutlich vergrößert. „Der Handel ist so spezialisiert, er liefert fast alles, was man braucht,“ erläutert Carnio. „Frische“ Erdbeeren beispielsweise gibt es das ganze Jahr über als gefrorene Früchte, als Püree oder vakuumverpackt.
Ein großer Unterschied zwischen dem industriellen und dem handwerklichen Eis liegt in der Zufuhr von Luft. Die kommt in jedes Eis, weil sonst die kühle Leckerei steinhart wie Wassereis bliebe. Ins Supermarkt-Eis wird allerdings zum Teil mächtig Luft zugeführt, oft weit über 100 Prozent. So wiegt denn ein Liter Eis nicht ein Kilogramm, sondern meist nur rund 500 Gramm oder noch weniger. Im handwerklich hergestellten Eis werden lediglich 20 bis 30 Prozent Luft in die Masse geschlagen.
Dass Eis in den Eisdielen so teuer geworden ist, hat weniger mit den Zutaten zu tun. Denn Hauptbestandteile des Eises wie Milchprodukte und Zucker sind eher preiswerter als früher. Stärker ins Kontor schlagen hingegen die Energiekosten, Mieten und auch Fremdpersonal, da die Zeiten, wo noch die ganze italienische Familie in der Eisdiele aushalf, zu Ende gehen. Nur noch die ganz gut laufenden Eisdielen können es sich erlauben, im Winterhalbjahr zuschließen. Viele Eiscafés machen deshalb aus Kostengründen nur noch kurze Winterferien und haben ihr Angebot erweitert in Richtung Kaffee-Shop, um weitere Geldquellen zu erschließen..
„Es gibt erheblich Nachwuchsprobleme, die zweite, dritte Generation, die in Deutschland geboren ist, will die Eisdiele oft nicht mehr übernehmen“, sagt Annalisa Carnio. Der Grund: Lange Arbeitszeiten und geringe Margen. So manche „italienische“ Eisdiele ist inzwischen in türkischem oder südeuropäischem Besitz. Laut Uniteis beklagt deshalb inzwischen jeder dritte Deutsche, dass die italienischen Eiscafés schon seit einiger Zeit ihre italienischen Merkmale verloren haben.
Früher war es üblich, dass der Gelatiere sein Wissen und seine Geheimnisse von der Eisherstellung an die nächste Generation weitergab. Weil das immer seltener funktionierte, gibt es inzwischen schon den Eismacher als anerkannten Ausbildungsberuf. Für manchen Eisschlecker oder Eislöffler mag das verführerisch klingen, aber viel verdienen lässt sich in diesem Beruf in der Regel leider nicht.