Die Erdbeer-Saison hat begonnen. Die Preise sind hoch, doch sie sollen in den kommenden Wochen fallen. Besuch auf einem Obsthof im Rheinland.
Start der Saison im Rheinland„Bei 4 Euro pro Schale hat man 2 Euro Lohnkosten“ – Preiskampf bei Erdbeeren

Kristina Wollseifen gehört mit ihrer Schwester Teresa zur dritten Generation auf dem Obsthof Wollseifen im Kreis Düren.
Copyright: Hendrik Geisler
Andrea Wollseifen trägt eine erdbeerrote Fleece-Arbeitsjacke, als sie die Tür zu ihrem Wohnzimmer öffnet. Am mit Schnitzereien verzierten Holztisch sitzen ihre Töchter Kristina, 32, und Teresa, 29 Jahre alt. Die Schwestern tragen die gleiche erdbeerrote Jacke wie ihre Mutter. Über einem der Stühle hängt ein Deckchen mit Erdbeer-Motiv. Direkt daneben steht auf einem Schränkchen eine große, leere Vase in Form einer Erdbeere, auf dem Tisch liegt eine weitere. Die Erdbeer-Saison im Rheinland hat begonnen.
Ein Kilo Erdbeeren kostet 8 Euro
„Früher gab es Erdbeeren von Mitte Juni bis August, dann war Sense“, sagt Andrea Wollseifen. „Heute“, ergänzt ihre jüngere Tochter, „fragen die Leute schon im Februar, März, wann sie Erdbeeren kriegen.“ Dreimal in der Woche steht Teresa Wollseifen um halb vier morgens auf und fährt zum Dürener Markt, verkauft dort, was der Betrieb ihrer Familie produziert: Äpfel und Birnen, Süß- und Sauerkirschen, Pflaumen und Aprikosen, Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren, Stachelbeeren, Blaubeeren – und Erdbeeren.
Auf rund 30 Hektar bauen die Wollseifens in Boich, einem Ortsteil der Gemeinde Kreuzau im Kreis Düren, 60 Kilometer vom Kölner Dom entfernt, Obst an. Regelmäßig beliefert der Hof auch Kölner Händler.

Hans-Peter Wollseifen (rechts) führt den Familienbetrieb seit 1981.
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Für ein 500-Gramm-Schälchen verlangt der Obsthof Wollseifen aktuell 4,50 Euro, ein Kilo kostet 8 Euro. In der vergangenen Woche kosteten deutsche Erdbeeren in NRW durchschnittlich 8,19 Euro pro Kilogramm, teilt die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mit, im Vergleich zum Vorjahr sind sie nur geringfügig teurer.
Kaum teurer ist es auf dem Hof Gerd Fuchs & Sohn in Köln-Rheinkassel. 8,20 Euro kostet ein Kilo Erdbeeren hier aktuell, heißt es auf Anfrage. Zwei Höfe in und nahe Köln liegen mit 11,98 und zwölf Euro deutlich darüber. Auch regionale Erdbeeren in einem Kölner Rewe-Markt kosteten in dieser Woche 11,98 Euro je Kilogramm.

Zwei Kilo Erdbeeren gibt es im Hofladen für 14 Euro.
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„Je mehr an reifen und frischen Erdbeeren dazu kommt, desto stärker geht der Preis nach unten“, sagt Teresa Wollseifen. Letztes Jahr habe der niedrigste Kilopreis 6 Euro betragen. Angefangen haben die Wollseifens in diesem Jahr mit 9 Euro pro Kilo. „Die Preise werden noch fallen, aber sehr viel Spielraum haben wir nicht, wenn wir noch einen gewissen Gewinn haben wollen, den wir dann wieder reinvestieren können“, sagt Kristina Wollseifen.
Sie ist Obstbaumeisterin, hat einen Master in Agrarökonomie, kennt sich mit Zahlen so gut aus wie mit Erdbeeren. „Bei 4 Euro pro Schale hat man locker 2 Euro Lohnkosten. Dann habe ich aber noch nicht meine Fixkosten drin, das Pflanzgut, die Tunnel, die Stellage, die Verpackung. Auch das ist alles teurer geworden.“ Eine Prognose, wie weit es denn diesmal nach unten geht, will sie nicht wagen.
Trend geht zum geschützten Anbau
Etwa 340 Betriebe in Nordrhein-Westfalen bauen Erdbeeren an. Auf 1600 Hektar wächst die Frucht im Freiland, auf 500 Hektar unter einer Folie oder im Tunnel. Auf rund sechs Hektar baut Familie Wollseifen Beerenobst an, der Großteil sind Erdbeeren. Zwei Felder mit Freilandfrüchten gibt es noch auf dem rheinischen Obsthof, die meisten Pflanzen aber stehen in langen Folientunneln, sind so besser geschützt vor Regen, Wind und Fäulnis.
„Der Trend geht weiter in Richtung geschützter Anbau“, sagt Bernd Möllers, Anbauberater der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Den verregneten Sommer 2024 hatten die unter Folie geschützten empfindlichen Erdbeeren besser überstanden als die Kulturen im Freiland.
Gleich neben dem Wohnhaus der Familie Wollseifen kommt Vater Hans-Peter gerade mit Arbeitern vom Pflücken. Er hat den 1950 gegründeten Betrieb vor 44 Jahren übernommen und wird ihn an die Töchter weitergeben. Auf Paletten stapeln die Männer blaue Kunststoff-Kisten voller Erdbeeren. Mit einem Hubwagen werden die Früchte in einen Kühlraum gebracht, am nächsten Morgen werden sie auf dem Dürener Markt feilgeboten.
„In der Hochzeit arbeiten wir mit 40 Leuten auf dem Hof, bis zu 30 Saisonarbeitskräfte aus Rumänien sind dann hier“, berichtet Kristina Wollseifen. „Wir haben einige, die seit Jahren immer wieder zu uns kommen. Eine Arbeiterin hat jetzt ein Kind bekommen, ihren Mann hat sie sogar bei uns kennengelernt. Sie ist dieses Jahr nicht dabei, aber er ist wieder gekommen.“

Die Schwestern Teresa (links) und Kristina Wollseifen arbeiten in dritter Generation im Betrieb.
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Die Wollseifens konkurrieren nicht nur mit anderen Höfen der Region, sondern auch mit Waren aus dem Ausland. „Gestern im Supermarkt kosteten 500 Gramm spanische Erdbeeren 1,99 Euro“, sagt Andrea Wollseifen. Sie klingt resigniert. „Dafür können wir sie auf dem Feld stehen lassen.“ In Deutschland sei der Mindestlohn viel höher. Eben diesen, 12,82 Euro pro Stunde, bekommen die Saisonkräfte in Kreuzau-Boich. „Außerdem gibt es bei uns hohe Sozialstandards für die Saisonarbeitskräfte. Das macht deutsche Erdbeeren teurer als ausländische Ware.“
Schon jetzt entfielen rund 60 Prozent der Kosten auf die Löhne, „weil wir im Obstbau sehr viel Handarbeit haben“, sagt Tochter Kristina. „Es ist ja nicht nur die Ernte. Wir pflanzen ab Februar, März, je nach Witterung. Da wird jede Pflanzen einzeln reingesteckt – und es sind ein paar Tausend Pflanzen. Dann müssen die Folientunnel je nach Witterung täglich morgens und abends lüften. Auch das Unkraut in den Rinnen wird per Hand sauber gemacht, da kommt kein Glyphosat drüber.“
Saisonarbeiter bekämen Mindestlohn
Wenn es um Saisonarbeit geht, sei oft schnell von Ausbeutung die Rede, sagt die 32-Jährige: „Das kann ich nicht nachvollziehen. Die Leute werden hier alle fair nach Mindestlohn bezahlt. Sie kommen für zwei, drei Monate, und davon können viele in Rumänien gut leben.“ Früher seien die Erntehelfer länger geblieben, weil es weniger Geld gab, jetzt blieben sie kürzer auf dem Hof. „Das ist für uns auch schwierig.“
Und was, wenn der Mindestlohn auf 15 Euro steigt? „Wenn der Mindestlohn auf 15 Euro erhöht wird, müsste ich das eigentlich direkt auf den Erdbeerpreis aufschlagen“, sinnt sie nach. „Aber ein Aufschlag von 20 Prozent – das trägt nicht jeder Kunde mit.“ Und was ist die Alternative? „Es kann gut sein, dass wir dann weniger anbauen.“