NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann nennt das Kölner Jobcenter als Negativbeispiel. Doch liegt es am Bürgergeld? Was wirklich dahintersteckt.
Seit Einführung des BürgergeldsZahl versäumter Termine im Kölner Jobcenter hat sich verdoppelt – Das ist die Erklärung

Verpassen Kölner Sozialhilfe-Empfänger besonders häufig Termine?
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In der Debatte um die Bürgergeld-Reform geht es immer wieder darum, ob hart genug sanktioniert wird, wenn Bürgergeld-Empfänger ihren Pflichten nicht nachkommen. Dazu gehört unter anderem, sich regelmäßig beim Jobcenter vorzustellen und Termine wahrzunehmen. Immer öfter hätten die Geschäftsführungen der Jobcenter in Gesprächen die Wahrnehmung geäußert, dass die Zahl versäumter Termine steigt, berichtete NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann kürzlich dem Landtag. Seit Einführung des Bürgergeldes sei zu erkennen, dass mehr Leistungsberechtigte nicht zu den Beratungsgesprächen in den Jobcentern erscheinen. Der CDU-Politiker nannte ein Jobcenter als Beispiel für eine dramatische Entwicklung: das Kölner Jobcenter.
NRW-weit stiegen die Meldeversäumnisse um 66 Prozent
Die einzelnen Termine der Jobcenter-Mitarbeiter würden zwar nicht statistisch erfasst, heißt es in dem Schreiben von Laumann, „jedoch sind die Erkenntnisse der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer aussagekräftig“. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit liefert die entsprechenden Zahlen: Bundesweit wurden 2023 (Februar bis Dezember) insgesamt 191.928 Meldeversäumnisse festgestellt. Von Januar bis September 2024 waren es allein schon rund 235.000. In Nordrhein-Westfalen sind die Meldeversäumnisse demnach von 2023 auf 2024 um rund 66 Prozent gestiegen. Beim Jobcenter Köln habe sich die Zahl mit rund 108 Prozent sogar mehr als verdoppelt.
Eine Erklärung liefert Laumann aber nicht mit. Und so bleibt der Verdacht, dass Sozialhilfe-Empfänger seit Einführung des Bürgergelds im Januar 2023 seltener zu Terminen erscheinen, weil ihnen weniger Strafen drohen. Doch das ist falsch.
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Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ heißt es vom Kölner Jobcenter: 2024 habe man deutlich öfter eingeladen als 2023, deshalb sei die Zahl der Terminabsagen ebenfalls höher. Zudem seien die Leistungsminderungen um 100 Prozent gestiegen. „Das klingt nach sehr viel – ist aber in absoluter Zahl betrachtet wenig“, heißt es. Von den über 200.000 Gesprächen, die das Jobcenter Köln im vergangenen Jahr mit Kundinnen und Kunden allein über berufliche Integration führte, hätten „nur sehr wenige unentschuldigt die Einladung zum Jobcenter-Termin“ versäumt.
Bis Ende Januar 2023 galt noch ein Sanktions-Moratorium, als Folge der Coronakrise. Erst im Februar fingen die Jobcenter wieder an, Leistungen zu mindern. Vom verpassten Termin bis zur tatsächlichen Leistungsminderung dauert es aber, erklärt Sabine Mendez, Teil der Geschäftsführung des Kölner Jobcenters und ab September neue Geschäftsführerin: „Wenn ich jemanden zum ersten Mal einlade, er aber nicht kommt, kann ich nicht sofort sanktionieren. Bei der zweiten Einladung erfolgt die Belehrung, dass das Jobcenter die Leistungen um zehn Prozent kürzen könnte. Bei guten Gründen wie Krankheit gibt es einen dritten Termin und wenn man dann nicht kommt, wird die Leistung gemindert.“

Sabine Mendez ist ab 1. September neue Geschäftsführerin des Jobcenters Köln.
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Knapp jeder Fünfte kam nicht zum Vermittlungstermin
Im Bericht von Laumann an den Landtag klingt die Situation dramatischer. Im Herbst 2023 hatte die NRW-Regierung zusammen mit den kommunalen Jobcentern eine Vermittlungsoffensive gestartet, um Bürgergeld-Empfänger besser in Arbeit zu bringen. Zwischen Oktober 2023 und November 2024 seien 283.963 Einladungen an leistungsberechtigte Personen erfolgt, schreibt Laumann. Von diesen Einladungen hätten 241.096 Gespräche tatsächlich stattgefunden. Heißt im Umkehrschluss: rund 18 Prozent nicht. Im westfälischen Warendorf seien sogar 35 Prozent der Gespräche nicht wahrgenommen worden.
Aktuell beziehen in Deutschland rund 5,4 Millionen Menschen Bürgergeld. 2,7 Millionen davon stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, etwa weil sie nicht erwerbsfähig sind oder sich in einer Weiterbildung befinden. Weitere 830.000 Menschen sind Aufstocker, das heißt, sie arbeiten zwar, ihr Einkommen reicht aber nicht zum Leben. 1,9 Millionen Menschen sind tatsächlich arbeitslos. In Köln beziehen rund 39.000 Menschen Bürgergeld, NRW-weit sind es rund 540.000.
Das Kölner Jobcenter plant im Zuge von Sparmaßnahmen, seine Standorte in der Stadt zusammenlegen. Künftig wird es statt neun nur noch zwei Niederlassungen geben, für 2027 ist der Umzug in zwei neue Gebäude geplant. Rechtsrheinisch gibt es dann nur noch eine Anlaufstelle in Deutz in der Siegburger Straße 239 geben. Der linksrheinische Sitz wird in der Vitalisstraße 314–316 im Technologiepark im Stadtteil Braunsfeld sein. Die rund 1600 Mitarbeiter werden ungefähr hälftig auf die beiden neuen Standorte aufgeteilt.