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Ärger um NRW-GesundheitspolitikWarum dürfen geheilte Krebspatienten nicht Beamte werden?

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NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann spricht - er ist im Porträt zu sehen und adressiert ein nicht sichtbares Gegenüber.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sieht keine Veranlassung, jungen geheilten Krebspatienten eine Verbeamtung zu ermöglichen

Eine weitsichtige Entscheidung, oder eine Diskriminierung? Junge Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben, dürfen in NRW nicht Beamte werden. Das Land will kein Kostenrisiko eingehen.

Die Ortsgruppe kommt regelmäßig zusammen, besucht gemeinsam Konzerte und Festivals, nimmt am KölnMarathon teil. „Treffpunkte“ heißt das bundesweite Projekt der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, welches unter anderem in Köln Betroffene regional vernetzt. „Im Treffpunkt können sie sich austauschen: zu ihrer Erkrankung, aber natürlich auch darüber hinaus. Es geht dabei um den Austausch mit Gleichaltrigen, die die Situation verstehen, ohne großen Erklärungsbedarf und ohne Vorurteile“, sagt Lucie Albrecht dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Gespräch. Sie ist die Pressesprecherin der Stiftung. Sie sagt auch: Das Stigma der Erkrankung sei für viele sehr belastend.

Auch noch Jahre nach dem Ende der Behandlung sind die jungen Erwachsenen demnach Diskriminierungen ausgesetzt, obwohl sie nach der sogenannten Heilungsbewährung (in der Regel fünf Jahre) als gesund gelten. Benachteiligungen gibt es unter anderem beim Abschluss von Versicherungen, der Vergabe von Krediten und bei der Verbeamtung. „So haben wir Erfahrungsberichte von jungen Betroffenen, denen die Aufnahme in den Polizeidienst erschwert oder auch verwehrt wird – obwohl ihre Krebserkrankung bereits 15 bis 20 Jahre zurückliegt, beispielsweise bei einer Erkrankung im Kindesalter“, so Albrecht.

Verbeamtung brauche notwendiges Maß an gesundheitlicher Eignung

Ein Problem, das jetzt zum Thema in der Landespolitik geworden ist. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sieht keine Veranlassung, jungen geheilten Krebspatienten eine Verbeamtung zu ermöglichen. „Seitens der Landesregierung gibt es keine derartigen Planungen“, erklärte der CDU-Politiker. Die Gesetze sehen vor, dass für eine Verbeamtung „auch ein notwendiges Maß an gesundheitlicher Eignung“ gehöre. Diese sei „nicht gegeben“, wenn es Grund zur Annahme gebe, dass ein Bewerber oder eine Bewerberin „über Jahre hinweg regelmäßig krankheitsbedingt ausfallen“ und deshalb eine „erheblich geringere Lebensdienstzeit“ aufweisen werde.

Die FDP im Düsseldorfer Landtag hatte Laumann in einer Kleinen Anfrage aufgefordert, zu dem Thema Stellung zu beziehen. Die nun vorliegende Antwort hat bei den Liberalen große Enttäuschung ausgelöst. „Die NRW-Landesregierung lässt junge Menschen, die eine Krebserkrankung überstanden haben, im Stich“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin Susanne Schneider dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wer Krebs überlebt, verdient eine faire zweite Chance – aber Schwarz-Grün liefert nur Absagen und Achselzucken“, so die Landtagsabgeordnete.

Keine eigenen Zugänge bei Adoptionen oder Kinderwunschbehandlung

In NRW gehen laut Statistischem Landesamt fast ein Viertel aller Todesfälle auf eine Krebserkrankung zurück. Das durchschnittliche Sterbealter von Personen, die an einer Krebserkrankung starben, betrug 75,1 Jahre. Angesichts dieser Zahlen gerät oftmals der Umstand, dass auch junge Menschen an Krebs erkranken, in Vergessenheit. Bundesweit erhalten jedes Jahr etwa 16.500 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 39 Jahren die Diagnose Krebs. Aufgrund der Fortschritte in Diagnostik und Therapie überwinden mittlerweile mehr als 80 Prozent der jungen Patientinnen und Patienten ihre Krebserkrankung.

In der Antwort auf die Anfrage der FDP macht Laumann deutlich, dass er nicht nur keine Spielräume bei der Verbeamtung sieht. Auch bei Adoptionen oder bei Kinderwunschbehandlungen soll es keine eigenen Zugänge geben. „Die jungen Menschen sind geheilt, aber nicht gleichgestellt. Die Landesregierung verweigert ihnen die Teilhabe – ausgerechnet in der Lebensphase, in der es darauf ankommt“, sagt die FDP-Politikerin Schneider.

Ein großer Fortschritt für die Betroffenen wäre zudem, wenn sich die Landesregierung für das „Recht auf Vergessenwerden“ einsetzen würde, fordern die Liberalen. Damit ist gemeint, dass Informationen über eine Krebserkrankung nach einer bestimmten Frist aus digitalen Unterlagen gelöscht werden müssen. Die jetzige Praxis stellen Geheilte oft vor hohe Hürden. „Das Signal an Betroffene lautet: Wir glauben nicht an deine Zukunft“, kritisiert Schneider. 

Die kreisfreie Stadt Münster verzeichnete 2023 die geringste krebsbedingte Sterberate mit 204 Sterbefällen je 100.000 Einwohner. Die höchste Rate wurde mit 326 Sterbefällen je 100.000 Einwohner im Kreis Recklinghausen ermittelt. Landesweit starben von jeweils 100.000 Einwohnern 281 Personen an den Folgen einer Krebserkrankung.