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Aus für VerbrennermotorenWas sind eigentlich E-Fuels – und wie nachhaltig sind sie wirklich?

Lesezeit 7 Minuten
Ein Mitarbeiter einer Karlsruher Forschungsanlage hält eine Flasche mit E-Fuel. Der Kraftstoff soll trotz des Verbots für Verbrennungsmotoren eine Alternative sein.

Ein Mitarbeiter einer Karlsruher Forschungsanlage hält eine Flasche mit E-Fuel. Der Kraftstoff soll trotz des Verbots für Verbrennungsmotoren eine Alternative sein.

Die Debatte über E-Fuels sorgte für Streit – doch nun haben die EU-Staaten ein Verbot von Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ab 2035 beschlossen. Die Bundesregierung hat jedoch dabei eine Ausnahme für E-Fuels erstritten. Können die den Verbrennungsmotor vor dem endgültigen Aus bewahren?

Die EU-Staaten haben am Dienstag endgültig ein weitgehendes Aus für neue Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen – mit Ausnahme für mit klimafreundlichen synthetischen Kraftstoffen betankte Fahrzeuge.

Eigentlich hatten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments bereits Ende Oktober auf das Vorhaben geeinigt. In einem ungewöhnlichen Vorgehen stellte die Bundesregierung aber Nachforderungen und verzögerte so die Bestätigung des Verhandlungsergebnisses um mehrere Wochen. Insbesondere die FDP hat sich für sogenannte E-Fuels stark gemacht.

Diese „E-Fuels“ könnten ein Weg sein, Verbrennungsmotoren mit klimaneutraler Energie zu betanken. Ist das sinnvoll? Welche Argumente für und gegen E-Fuels sprechen.

Was sind E-Fuels?

Das „E“ in E-Fuels steht für „elektrisch“ und bezieht sich auf die Produktion. „Hauptzutat“ ist nämlich elektrische Energie, mit deren Hilfe aus klassische Mineralölkraftstoffe chemisch nachgebaut werden. Technisch wird in der Regel aus Wasser mit Strom Wasserstoff hergestellt. Mit Kohlendioxid verbunden kann der Kraftstoff - nach Art der chemischen Verbindung - die Eigenschaft von Diesel, Benzin oder Kerosin haben.

Sind solche synthetischen Kraftstoffe nachhaltig?

Das kommt auf ihre Basis an. Die Kraftstoffe gelten in der Herstellung nur dann als klimaneutral, wenn der Strom dafür nicht aus fossilen, sondern erneuerbaren Quellen stammt - etwa aus Windkraft, Solaranlagen oder Wasserkraftwerken. Für die Herstellung von E-Fuels kann der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen werden. Doch auch dieses Abscheiden kostet Energie, weil die CO2-Konzentration in der Luft sehr gering ist.

Was ist typisch für die Produktion?

Bisher gibt es Pilotanlagen, die Technik ist in der Aufbauphase. Die Produktion ist sehr energieintensiv. Es wird in jedem Fall viel Strom benötigt. Ingenieure der TU Bergakademie Freiberg rechnen vor, dass bei einem Verbrauch von 5 Litern E-Fuel auf 100 Kilometern rund 50 Kilowattstunden Strom für die Herstellung des Kraftstoffs nötig sein können. Das entspricht nach Angaben von Stromanbietern dem halben Monatsverbrauch eines deutschen Single-Haushalts.

Dem ADAC zufolge fallen bei der Herstellung von E-Fuels hohe Wirkungsverluste an. Von der eingesetzten Energie blieben in der gesamten Kette am Ende nur 10 bis 15 Prozent übrig. Im E-Auto kämen 70 bis 80 Prozent der Ausgangsenergie am Rad an. E-Fuels verbrauchen also mindestens fünfmal so viel Energie wie heute verfügbare E-Autos.

Verbrennen E-Fuels emissionsfrei?

Die Verbrennung der E-Kraftstoffe in Motoren erzeugt genauso viel umweltschädliche Abgase wie bei Kraftstoffen aus fossilen Quellen. Nur eine geringere Rußfreisetzung ist möglich. Beim Verbrennen entsteht neben den üblichen Schadstoffen wie NOx, Feinstaub und CO auch CO2. Von letzterem allerdings nur so viel, wie bei der Produktion verbraucht wurde. Wird der dafür benötigte Strom nicht aus fossilen, sondern erneuerbaren Quellen gewonnen – etwa aus Windkraft, Solaranlagen oder Wasserkraftwerken – sind E-Fuels damit klimaneutral.

Wer kann künftig E-Fuels tanken?

Weil es sich bei E-Fuels um synthetisch nachgebauten Diesel und Benzin beziehungsweise Kerosin handelt, kann er in allen Verbrennungskraftmaschinen genutzt werden, die heute die vergleichbaren Mineralöl-Treibstoffe nutzen. Eine Umrüstung der Motoren ist in der Regel nicht nötig. Auch Transport- und Tankstelleninfrastruktur könnten einfach weiter genutzt werden.

Welche Vorteile haben E-Fuels?

E-Fuels könnten Mineralölsprit im Alltag relativ reibungslos ersetzen. An den heutigen Autos und der bestehenden Tankstelleninfrastruktur müsste kaum etwas geändert werden, um die deutschen, europäischen und weltweiten Klimaziele einzuhalten. Die Umstellung des Straßenverkehrs auf E-Mobilität wäre nicht nötig, gleichzeitig könnten Bestandsfahrzeuge noch jahrzehntelang relativ sauber weiterbetrieben werden. Darüber hinaus eignet sich der synthetische Sprit prinzipiell dazu, überschüssigen Wind- oder Sonnenstrom in lager- und transportierbarer Form zu speichern.

Weltweit gibt es nach Angaben der TU Bergakademie Freiberg aktuell noch etwa 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Sie könnten kaum alle in kurzer Zeit verschwinden, ohne für die Produktion alternativer Fahrzeuge enorme Mengen von Energie aufzuwenden. Für Verbrenner könnten synthetische Kraftstoffe deshalb eine Lösung sein.

Wo kann man E-Fuels kaufen?

Die Verfügbarkeit ist eines der großen Probleme von E-Fuels. Die synthetischen Kraftstoffe sind weder in Deutschland noch anderswo in größerer Menge verfügbar. Die Produktion strombasierter Kraftstoffe geht derzeit kaum über das Maß von Demonstrations- und Pilotanlagen hinaus, selbst der denkbar rasanteste Ausbau der Raffinerie-Kapazitäten könnte diese Lücke in absehbarer Zeit wohl nicht schließen. Auch optimistische Prognosen rechnen nicht vor 2030 mit einer nennenswerten Produktionsmenge.

Vielen Experten scheint 2050 wahrscheinlicher. Rein verfahrenstechnisch zumindest scheint die Synthese keine allzu großen Hindernisse aufzuwerfen, wenn auch beispielsweise noch Entwicklungszeit für eine CO₂-Abscheidung aus der Luft in industriellem Maßstab nötig ist. Steht die komplette Produktionskette erst einmal, ließe sich neben Diesel- und Benzin-Varianten sogar Erdgas auf diese Weise herstellen, das sich ebenfalls zum Betrieb von Kfz-Motoren eignet.

Können E-Fuels in Deutschland produziert werden?

Der Aufbau einer Produktionsanlage kostet laut ADAC neben technologischem Know-how viel Zeit, Fläche und immens viel Geld. Die Bergakademie Freiberg betreibt eine Pilotanlage. Ihre Ingenieure gehen nicht davon aus, dass in Deutschland eine Produktion in großem Stil möglich wäre. Denn es fehle an ausreichend „grünem“ Strom. E-Fuels ließen sich aber gut speichern und transportieren, so dass ihr Herstellungsort nicht entscheidend sei.

Funktioniert die Technik in der Praxis?

Der ADAC hat E-Fuels im Sommer 2022 in einem gebrauchten VW Golf VII 1,4 TSI getestet. Über mehrere Tausend Kilometer seien bei den technischen Eigenschaften, der Leistung und dem Fahrverhalten keine Unterschiede im Vergleich zu fossilen Brennstoffen spürbar gewesen. Das bestehende Tankstellen-System gilt als geeignet, um E-Fuels zu vertreiben – als Beimischung oder in Reinform. Auf absehbare Zeit wird es aber kaum genug E-Fuels geben, um die jetzt zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor damit fahren zu lassen.

Was kosten E-Fuels?

Die Produktion von E-Fuels ist aktuell sehr teuer, entsprechend kostspielig wäre der Kraftstoff auch an der Tankstelle. Mit steigender Nachfrage und günstiger Entwicklung des Strompreises könnte der Preis für synthetische Kraftstoffe vor Energiesteuern bis 2030 aber sinken. Optimisten gehen von 1,20 bis 1,40 Euro vor Steuern aus, aber auch vorsichtigere Experten rechnen mit Werten unter zwei Euro. Das ist weniger als die Hälfte der aktuellen Preise, aber immer noch viel. Zum Vergleich: Der Anteil der Produktionskosten am Preis eines Liters Benzin liegt bei rund 50 Cent. Viele Studien gehen daher davon aus, dass die Verbraucherpreise für E-Fuels immer deutlich über dem jeweiligen Niveau konventioneller Kraftstoffe liegen.

Wer würde von einer starken E-Fuels-Rolle profitieren?

Offensichtliche Vorteile hätten alle, die in irgendeiner Form von Verbrennungsmotoren oder Flüssigkraftstoffen leben. Also Mineralölunternehmen und Tankstellenbetreiber genauso wie Teile der Kraftfahrzeug-Industrie inklusive Zulieferer und Werkstätten. Die Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland als Stimme der Mineralöl- und Energiewirtschaft argumentiert beim Thema Wirkungsgrad, es dürfe nicht nur betrachtet werden, wie viel Energie die einzelne Fahrt verbrauche. Es gehe darum, wie viel Energie benötigt werde und wie viel CO2 ein Fahrzeug von seiner Herstellung über die Fahrleistung bis zum Recycling verursache. Bei dieser Betrachtung schnitten E-Fuels besser ab als andere Technologien.

Auch der normale Autofahrer könnte profitieren, allerdings ist ziemlich unklar, wer genau und in welcher Form. Ob E-Fuels eine realistische Option für Berufspendler oder Bewohner abgelegener Landstriche sind, oder ob sie eher wohlhabenden Oldtimer-Sammlern und Hobby-Rennfahrern den Betrieb ihrer automobilen Schätzchen sichern würden, hängt von vielen Faktoren ab. Allzu große Hoffnung auf eine günstige und klimafreundliche Alternative zum Kauf und Betrieb eines E-Autos sollte man sich als Normalverbraucher aber wohl nicht machen. Und Autohersteller wie Mercedes oder VW gehen davon aus, dass sich langfristig das Elektroauto durchsetzen wird.

Was sagen Kritiker?

Für den Bund für Umwelt und Naturschutz sind E-Fuels keine Alternative für die Verkehrswende. Synthetische Kraftstoffe sollten besser nur für den unvermeidbaren Flug- und Schiffsverkehr genutzt werden. Greenpeace nennt die E-Fuel-Perspektive eine Verschwendung sauberer Energie, die man sich nicht leisten könne. Die Heinrich-Böll-Stiftung argumentiert, „grüner“ Wasserstoff sei eine rare Ressource, eine Art Champagner der Energiewende. Der sollte nicht für Autos, sondern für Schlüsselindustrien verwendet werden.

Wie sieht die Zukunft von E-Fuels aus?

Dass E-Fuels eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Gesellschaft spielen werden, ist unstrittig. Dass sie das im privaten Pkw tun werden, ist aber nach aktuellem Stand eher unwahrscheinlich. Dort spricht die deutlich höhere Gesamt-Effizienz für das Batterie-E-Auto. Solange Strom aus erneuerbaren Quellen knapp ist, stehen E-Fuels beim Pkw in Konkurrenz zu anderen Stromverbrauchern – nicht nur in Industrie und Haushalten, sondern auch bei anderen Verkehrsträgern. Denn für Schiffe, Flugzeuge und möglicherweise auch Lkw sind die Designer-Kraftstoffe ebenfalls interessant. Und möglicherweise alternativlos, denn Batterie-E-Mobilität ist angesichts der nötigen Reichweiten in diesen Bereichen oft nicht oder nur schwer möglich. (RND mit dpa)

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