Vonovia übernimmt Deutsche WohnenWas heißt die Fusion für Mieter und Wohnungsmarkt?

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Zentrale der Vonovia in Bochum

Zentrale der Vonovia in Bochum

Megafusion in der Immo-Branche: Die Vonovia-Gruppe will den Rivalen Deutsche Wohnen übernehmen. Das mit Abstand größte Unternehmen in diesem Sektor in Europa soll so entstehen. Für Berlin bieten die Manager eine Reihe von Zugeständnissen an. Von Augenwischerei spricht dennoch der Mieterbund. Politiker der Linkspartei fordern, die Fusion zu verbieten. Wir erläutern, was der Deal für Mieter und die Wohnungsmärkte bedeutet. Und wer in der Region betroffen ist.

Wie viel will Vonovia für die Deutsche Wohnen zahlen?  

Die mit dem Vorstand von Deutsche Wohnen bereits ausgehandelte Übernahme hat ein Volumen von 18 Milliarden Euro. Dafür gibt es rund 155.000 Wohnungen und 2900 Gewerbeeinheiten. Den Anteilseignern werden insgesamt rund 53 Euro pro Aktie offeriert. Experten streiten, ob das teuer oder billig ist. So machen Analysten darauf aufmerksam, dass der Preis in etwa nur dem Netto-Vermögenswert der Deutsche Wohnen entspricht, es gäbe also keine Prämie fürs Verkaufen. Dennoch betonte Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn, dass er sich „sehr, sehr sicher sei“, dass viele Aktionäre zustimmen würden. Gegebenenfalls würde ein Konzern mit mehr als 550.000 Wohnungen entstehen, die mehr als 80 Milliarden Euro wert sind. Eine Zustimmung wird stark vom US-Vermögensverwalter Blockrock und vom norwegischen Staatsfonds abhängen, die beide Großaktionäre sind.  

Wo in der Region um Köln sind die Wohnungen?

Insgesamt verfügt die Deutsche Wohnen in Nordrhein-Westfalen über 3.730 Wohnungen. Schwerpunkte sind dabei Düsseldorf (ca. 2.027 Wohnungen), Köln (557 Wohnungen), Langenfeld (402 Wohnungen), Leichlingen (377 Wohnungen) und Meckenheim (177 Wohnungen), wie ein Sprecher der Deutsche Wohnen auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitteilte. Die Vonovia hat dagegen weitaus mehr Immobilien im Rheinland. In Köln allein gibt es 6200 Wohneinheiten, in Düsseldorf 3600, in Bonn 4700 und in sieben Städten des Rhein-Erft-Kreises zusammen fast 1500.

Warum kommt das Übernahmeangebot gerade jetzt?  

Schon 2016 gab es einen ersten Versuch, damals lehnte das Management der Deutsche Wohnen ab, weil ihm die Offerte zu dürftig war. Insider gehen davon auf, dass der Vonovia-Vorstand seine Übernahmepläne aber nie aufgegeben hat. Denn das Geschäft mit Wohnungen verlangt viel Kapital und wirft im Verhältnis dazu relativ geringe Renditen ab. Deshalb sind sogenannte Skaleneffekte wichtig: Je mehr Wohnungen ein Immo-Konzern hat, umso niedriger werden die Kosten pro Wohnung. Genau darauf machen die beiden Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung aufmerksam: Durch gemeinsame Bewirtschaftung könnten Kosteneinsparungen von 105 Millionen Euro jährlich erzielt werden.  

Was würde die Übernahme für die Mieter der Deutsche Wohnen bedeuten? 

Bestehende Mietverträge müssten weiter mit all ihren Bestimmungen eingehalten werden. Die langfristigen Folgen in einzelnen Städten sind noch nicht absehbar. Klar ist aber, dass das neue größere Unternehmen kaum einen Einfluss auf das bundesweite Mietniveau haben wird. Es käme nämlich auf einen Marktanteil von nur rund zwei Prozent.

Werden die Mieten dadurch steigen?

„Der Zusammenschluss mit der Vonovia hat auf unsere Mieterinnen und Mieter und die Bestände keinen Einfluss“, sagte eine Sprecherin der Deutsche Wohnen. Bei Fusionspartner Vonovia ist die Antwort nicht ganz so klar. Man halte die Belastungen für  Mieter durch energetische Wohnungsmodernisierungen so gering wie möglich, indem die Modernisierungsumlage über die gesetzlichen Vorgaben hinaus auf maximal zwei Euro pro Quadratmeter begrenzt werde. Das gelte für alle Standorte.   

Welche Rolle spielt Berlin bei der Fusion? 

Eine entscheidende. Wer die Deutsche Wohnen übernimmt, schließt eine Wette auf den Berliner Wohnungsmarkt ab: 70 Prozent von deren Immobilienbestand befindet sich in der Hauptstadt. Insgesamt wird das neue Unternehmen mehr als 150.000 von insgesamt zwei Millionen Berliner Wohnungen besitzen. Dieser Markt ist äußerst attraktiv: Im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen ist das Mietniveau noch immer niedrig – verfügt also über ein gehöriges Steigerungspotenzial. Zudem, so Vonovia, habe Berlin eine der höchsten Raten beim Bevölkerungswachstum in Deutschland. Ferner dürfte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Berliner Mietdeckel für unwirksam erklärte, begünstigend gewirkt haben. Zugleich tobt aber in der Hauptstadt mehr denn je ein erbitterter Kampf um Mieten. Eine Kampagne, die die Enteignung großer Immobiliengesellschaften fordert, findet enormen Zulauf.  

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Die Manager haben einen Zukunfts- und Sozialpakt angekündigt, der die regulären Mieterhöhungen im Berliner Bestand in den nächsten drei Jahren auf jährlich ein Prozent und in den nachfolgenden zwei Jahren auf die Höhe der Inflationsrate beschränken will. Außerdem sollen die Aufschläge durch energetische Sanierungen gering gehalten werden, und zwar maximal bei zwei Euro mehr pro Quadratmeter. Und in Kooperation mit der Stadt soll neuer bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden – besonders für junge Familien. Zudem werden dem Berliner Senat 20.000 Wohnungen zum Kauf angeboten. „Für Berlin ist das eine gute Nachricht“, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD). Die Stadt würde damit ihren Bestand auf knapp 400.000 Wohnungen steigern und damit 20 Prozent des Marktes kontrollieren. Damit habe man einen „echten Einfluss“ auf Wohnungsmarkt und Mietspiegel, betonte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (auch SPD). „Wir werden mehr Verantwortung übernehmen und den Berlinerinnen und Berlinern mehr Sicherheit geben“, kündigte er an.       

Was sagt die Bundes-Politik? 

Die SPD kommentierte die Ankündigung verhalten. „Zusammenschlüsse von Aktiengesellschaften stehen zunächst unter der Erwartung der Aktionäre nach Gewinnen“, sagte der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Diese Renditeorientierung sei zwar normal, dürfe aber nicht zu Lasten der Mieterinnen und Mieter gehen. Die Ankündigung Mietsteigerungen und Modernisierungsumlagen in den kommenden Jahren zu begrenzen, nannte Daldrup „verantwortungsvoll“, wenn sie tatsächlich Wirklichkeit würden. Aus der Union hingegen kamen wohlwollende Stimmen. Mit dem angekündigten „Zukunfts- und Sozialpakt“ sei der Zusammenschluss ein „gutes Signal für die Berliner Mieterinnen und Mieter“ sagte der rechtspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), dem RND. Harter Widerstand gegen die Fusion kam aus der Fraktion „Die Linke“. „Die angestrebte Fusion von Deutsche Wohnen und Vonovia sollte von den Kartellbehörden unterbunden werden“, forderte der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Fabio De Masi. 

Wie schätzt der Mieterbund die geplante Fusion ein?  

Ein Teil der Zusagen entpuppe sich bei genauerem Hinsehen als Selbstverständlichkeit. So sei etwa bei der Modernisierungsumlage eine Erhöhung, die über die zwei Euro hinausgehe, sowieso vielfach nicht zulässig, so Mieter-Präsident Lukas Siebenkotten. Die Bremse bei den Mieten wertet er als Versuch, „der erfolgversprechenden Berliner Vergesellschaftungsinitiative den Wind aus den Segeln zu nehmen“. Dabei müsse man auch bedenken, dass enorme Gewinne nicht durch Mieterhöhungen im Bestand erzielt würden, sondern durch aufwendig sanierte Wohnungen, die neu vermietet würden und für die die gesetzliche Mietpreisbremse nicht gelte. Er machte auch darauf aufmerksam, dass die Zugeständnisse nur für Berlin und nicht für andere Städte gelten sollten. Siebenkotten sprach sich für einen bundesweiten Mietpreistopp und für eine Beschränkung der Aufschläge nach Sanierungen von maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter aus.    

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