Droht Kurzarbeit?Ford muss Start des E-Autos im Kölner Werk verschieben

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Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, stellt im Werk den neuen vollelektrischen Explorer vor

Martin Sander, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH, stellte im Winter in Köln den neuen vollelektrischen Explorern vor

Der Betriebsrat und Ford verhandeln nun darüber, was die Verzögerung für die 4000 Mitarbeitenden in der Produktion bedeuten wird. 

Es ist ein herber Rückschlag auf dem Weg zu elektrischen Autos von Ford: Der Produktionsstart des neuen vollelektrischen Ford Explorer muss deutlich nach hinten verlegt werden. Entsprechende Gerüchte aus Branchenkreisen bestätigte ein Sprecher von Ford dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Donnerstag.

Konkret sagte der Sprecher, die ersten in Köln gebauten elektrischen Explorer sollen nun im Sommer 2024 vom Band laufen beziehungsweise ausgeliefert werden. Bislang hatte Ford einen Start der Produktion im Januar 2024 angepeilt.

Kurzarbeit bei Ford in Köln wird mit Betriebsrat verhandelt

In der Autobranche kursieren nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Gerüchte, dass Ford beim Bau des Fahrzeugs technische Probleme habe. Dies wies der Sprecher von Ford auf Nachfrage allerdings zurück. 

Grund für die Verzögerungen sei ein Wechsel des technischen Standards auf die Norm UN ECE Reg. Nr. 100-03. Die Richtlinie ECE R100 definiert sicherheitstechnische Anforderungen an den Elektroantrieb von Straßenfahrzeugen. Der Wechsel des Standards sei eine Entscheidung des Ford-Konzerns mit Sitz im US-amerikanischen Dearborn.

Ford-Explorer benötigt andere Batterien

Alle neuen E-Fahrzeuge des Unternehmens sollen laut dem Sprecher der neuen Norm entsprechen. Dies beinhalte auch, dass der neue Explorer nun mit einer anderen Batterie als bislang geplant ausgeliefert werde.

Offen ist, womit die Mitarbeiter in der sechsmonatigen Verzögerung beschäftigt werden sollen. In Köln arbeiten insgesamt rund 4000 Mitarbeiter bei Ford in der Produktion. Ob diese nun in Kurzarbeit gehen, ist unklar. Aktuell werden die 2000 Mitarbeiter in der Frühschicht über die Verzögerungen informiert. Die weiteren 2000 in der Spätschicht sollen am Nachmittag unterrichtet werden.

Letzter Ford Fiesta lief im Juli vom Band

In der Belegschaft herrscht nun Verunsicherung. Nach einem Stellenabbau hatte der Betriebsrat in Köln erst im Februar dieses Jahres nach harten Verhandlungen dem Arbeitgeber eine Jobgarantie für die verbleibenden 12.000 Stellen bei Ford in Köln abgerungen. Dies war in der Mitarbeiterschaft mit großer Erleichterung aufgenommen worden.

Erst im Juli 2023 war der letzte Ford Fiesta in Köln vom Band gelaufen. Nach fast 44 Jahren endete damit die Produktion von Fahrzeugen mit Verbrennermotoren in Köln. Das Kölner Werk soll danach zum reinen Elektro-Auto-Standort von Köln in Europa werden. 

Die offizielle Eröffnungsfeier des neuen Werkes war am 12. Juni. Damals präsentierte Ford mit Lichtshow, Livemusik und Burgerständen nach langem Warten sein erstes rein elektrisches Fahrzeug aus europäischer Produktion. Als prominenter Gast war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Köln zu Gast. Sein Gastgeber war William Clay Ford Jr., Executive Chairman, Aufsichtsratsvorsitzender der Ford Motor Company und Urenkel des Firmengründers Henry Ford.

„Ein superwichtiger Tag für Ford in Köln und der Welt“, sagte damals Martin Sander, Deutschlandchef und General Manager für die E-Mobilität bei Ford in Europa, nicht ohne Pathos.

Betriebsrat führt Gespräche mit Ford

Betriebsratschef Benjamin Gruschka zeigte sich am Donnerstag vergleichsweise zuversichtlich. „Wir müssen die Lage sondieren. Aktuell führen wir Gespräche“, sagte Gruschka dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Man werde die Probleme gemeinsam lösen. „Allerdings werden die Verhandlungen noch Tage und Wochen dauern“, sagte Gruschka. Auch der Ford-Sprecher verwies bei der Frage nach möglicher Kurzarbeit auf den Betriebsrat.

Arbeitsmarktexperten sehen einen möglichen Ruf nach Kurzarbeit kritisch. Für die Zahlung von Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit muss ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegen, der auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht. Es ist höchst unsicher, ob die Verschiebung eines neuen Modells aufgrund einer neuen Norm einen solchen Grund darstellt. Außerdem müssen die Arbeitnehmer zustimmen.

Autoexperte Bratzel kritisiert die Verzögerung 

Von Experten gibt es Kritik an der deutlichen Verzögerung bei Fords E-Auto. „Die Verzögerung ist sehr ungünstig für die Wettbewerbsfähigkeit von Ford auf dem Markt der Elektro-Autos“, sagte Professor Stefan Bratzel, Autoexperte und Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. 

„Die neue Norm ist nicht vom Himmel gefallen und hätte schon früher berücksichtigt werden können“, sagte Bratzel. Die Verschiebung sei ein schlechtes Signal an potenzielle Kunden und die Händler von Ford. „Nun droht Ford weitere mögliche E-Auto-Käufer an Konkurrenten wie VW oder die zahlreichen Hersteller aus China zu verlieren“, so Bratzel weiter.

Ford gilt in Sachen E-Auto als Nachzügler. VW und chinesische Hersteller wie BYD, Lynk & Co oder Polestar bieten längst ein breites Angebot an batterie-elektrischen Fahrzeugen auf dem deutschen Markt an. Ebenso Renault und dessen Billigtochter Dacia, die mit dem im chinesischen Wuhan gebauten Kleinwagen Spring sogar einen Stromer im niedrigsten Preissegment im Angebot hat.

Die Verzögerung wird Auswirkungen auf den Umsatz bei Ford in Europa haben
Stefan Bratzel, Experte für Autoindustrie

Laut dem Ford-Sprecher soll die Verzögerung beim Explorer keine Folgen für das zweite für die Produktion in Köln geplanten Elektro-Auto haben. Dieses soll ebenfalls im Jahr 2024 an den Start gehen. 

Zum wirtschaftlichen Schaden durch die Verzögerung wollte man sich bei Ford am Donnerstag noch nicht äußern. Autoexperte Bratzel befürchtet aber Auswirkungen auf den Umsatz von Ford in Europa.

Explorer erinnert an US-Vorbild

Der neue Explorer soll für Ford der Wegbereiter für eine rein elektrischen Modellpalette ein, mit der sich der Autobauer in Europa neu aufstellen wird. Ford hat bislang noch keinen eigenen rein elektrischen Pkw im europäischen Portfolio. Nach der Sommerpause sollte der Werksumbau zum „Ford Cologne Electrification Center“ abgeschlossen sein. 

Der Explorer erinnert an den vor allem in den USA weit verbreiteten SUV, der den gleichen Namen trägt. Seit 1990 ist das Fahrzeug auf dem Markt und ein typisches amerikanisches Dickschiff. Aus der Ähnlichkeit macht man bei Ford alles andere als einen Hehl.

Der Explorer „verkörpert unverkennbar unsere amerikanischen Wurzeln und unsere Adventurous-Spirit-Neupositionierung“, sagte Fordchef Sander bei der Präsentation des Wagens. Allerdings ist dieser Explorer aus Köln auf den europäischen Markt abgestimmt und mit 4,47 Metern Länge und 2,06 Breite (mit Spiegeln) auch in seinen Ausmaßen deutlich europäischer.

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