Kommentar zur BaukriseDie Wohnungsfrage ist längst die neue soziale Frage in diesem Land

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Die Kosten für Neubauwohnungen steigen wegen steigender Zinsen und Baukosten.

Die Kosten für Neubauwohnungen steigen wegen steigender Zinsen und Baukosten.

Die Misere auf dem Wohnungsmarkt birgt enormen sozialen Sprengstoff. Das sollte die Ampel sehr ernst nehmen. 

Die Krise auf dem deutschen Wohnungsmarkt spitzt sich immer weiter zu. Kaum eine Woche vergeht ohne Hiobsbotschaften vom Bau: Projekte werden storniert, Baukosten steigen, die Zahl der Baugenehmigungen bricht empfindlich ein. All das läuft darauf hinaus, dass immer weniger Wohnraum entsteht. Für die Menschen, die sowieso schon händeringend nach einer bezahlbaren Wohnung suchen, bedeutet das nichts Gutes. Schon jetzt leben viele Familien auf zu engem Raum, weil sie keine passende Bleibe finden. Die Wohnungsfrage, das wird dieser Tage immer deutlicher, ist längst die neue soziale Frage im Land.

Dass am 25. September zum Wohnungsgipfel ins Kanzleramt geladen wird, ist deshalb höchste Zeit - auch wenn zwei große Verbände schon im Vorfeld abgesagt haben. Und es darf erwartet werden, dass Antworten auf diese Frage geliefert werden. Gerade einmal 295.300 neue Wohnungen sind im vergangenen Jahr entstanden. Vieles spricht dafür, dass es im kommenden Jahr erneut noch einmal weniger werden.

In der Bau- und Immobilienbranche braut sich ein perfekter Sturm zusammen. Weil immer mehr Menschen vor dem Bau oder Kauf eines Hauses zurückschrecken, wird es auf dem Mietmarkt enger. In vielen Städten überschreitet die Nachfrage längst das Angebot. Steigen deshalb die Mieten, wird bei vielen Menschen das Geld richtig knapp. Dass sie fürchten, verdrängt zu werden, birgt enormen sozialen Sprengstoff. Man kann es nicht anders sagen: Wie es um den gesellschaftlichen Frieden bestellt ist, wird zunehmend auf dem Wohnungsmarkt entschieden. Das sollte die Ampel sehr ernst nehmen. Bis zum nächsten Wahltermin wird sich vieles wohl noch zuspitzen.

Die Zinsschritte der EZB und die Tatsache, dass beim Thema Bauen oft die Länder das Sagen haben, machen die Gemengelage noch komplizierter. Bauministerin Klara Geywitz wird nicht müde, das zu betonen. Nur ist es so: Wo genau es hakt, dürfte vielen Bürgerinnen und Bürgern herzlich egal sein. In welchem Ressort oder in welchem föderalen Verwaltungsschritt es nun festhängt, spielt keine Rolle. Für sie geht es um das Gesamtpaket: Um einen Staat, der es schaffen muss, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht.

Zwar hat die Regierung schon einiges auf den Weg gebracht. Die Mittel für Sozialwohnungen wurden massiv aufgestockt, das Wohngeld erhöht, für Investoren neue Steueranreize in Aussicht gestellt. Doch es reicht bislang nicht. Die Warnrufe der Branche werden immer lauter. Die Fördermittel seien zu niedrig, die energetischen Standards zu hoch, die Bürokratie zu mächtig.

Dass manches nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, zeigt das neue Förderprogramm für Familien: Als eine Art Nachfolger des Baukindergeldes sollte es Familien den Weg ins Eigenheim erleichtern. Doch bislang wurde es kaum angenommen, die Hürden sind offenbar zu hoch. Und zur ehrlichen Bilanz gehört auch: Das Geschacher ums Heizungsgesetz hat Häuslebauer wie Großinvestoren massiv verunsichert.

Nun soll zwar nachgebessert, Förderprogramme überarbeitet oder neu konzipiert werden. Eins muss aber klar sein: Vom Gipfel selbst muss ein Impuls ausgehen. Schon allein deshalb, weil vieles Psychologie ist. Was es braucht, ist ein Signal, dass auch diese Krise bewältigt werden kann. Von einem Kanzler, der mit Wörtern wie „Doppelwumms“ und „Zeitenwende“ hantiert, darf das erwartet werden. Und spätestens im Anschluss an den Gipfel muss auch klar sein, dass längst das ganze Kabinett in der Pflicht ist, etwas gegen die Misere am Wohnungsmarkt zu tun. Noch immer sind viele Versprechen im Koalitionsvertrag, die den Wohnungsmarkt betreffen, nicht umgesetzt.

Für die Ampel muss das gelten, was für jede Baufirma gilt: Was bestellt wurde, muss auch geliefert werden.

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