Retter auf vier PfotenHundetalent zur Epilepsie-Erkennung gibt Rätsel auf

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Illustration: Schäferhund und schlafende Frau

Sobald bei Nora ein epileptischer Anfall droht, schlägt Schäferhündin Yuki innerhalb von Sekunden Alarm.

Schäferhündin Yuki ist ein Epilepsiewarnhund: Sie spürt, wenn bei ihrer Halterin ein Anfall droht – bislang immer zuverlässig. Doch nicht jeder Hund hat die Gabe.

Meine kleine Lebensretterin“ nennt Nora ihre treue Begleiterin liebevoll. Die weiße Schäferhündin liegt entspannt vor Noras Füßen. Doch sobald bei Nora ein epileptischer Anfall droht, schlägt Yuki innerhalb von Sekunden Alarm. Für die 39-Jährige reicht die Zeit gerade, um sich aus der Gefahrenzone zu bringen: „Ich muss mich möglichst schnell hinsetzen oder -legen.“

Bei einem Anfall wird sie bewusstlos und verkrampft. „Man ist bei so einem Anfall stocksteif“, sagt Nora. „Beim Fallen kommt es deshalb leicht zu Verletzungen.“ Erst kürzlich ist es ihr passiert, dass sie eine Treppe hinaufgehen wollte, aber Yuki ihr den Weg versperrte. „Das hat mir bestimmt Knochenbrüche erspart. Yuki ist zu hundert Prozent verlässlich.“

Epilepsie: Gewitter im Kopf

Die Zeichen, die die achtjährige Schäferhündin macht, sind für Nora leicht zu deuten. „Sie stellt sich vor mich hin und stupst mich immer an.“ Allerdings kommen die Warnungen kurzfristig: Im Schnitt meldet Yuki sich zwei Minuten vor einem Anfall. Es kann vorkommen, dass sich Nora gerade mitten in einer überfüllten Fußgängerzone befindet und schnell einen halbwegs sicheren Ort zum Hinsetzen suchen muss. Manchmal, erzählt sie, reicht die Zeit, um Passantinnen und Passanten noch rasch die Situation zu erklären.

Ohne Ausbildung geht nichts.
Dominique von Wantoch, Assistenzhundetrainerin

Für Außenstehende kann so ein „Grand Mal“, wie diese Art von Anfall früher auch genannt wurde, lebensbedrohlich wirken – obwohl er meist nach ein, zwei Minuten folgenlos überstanden ist. Oft alarmieren Passanten und Passanten deshalb den Notruf. Nötig wäre das in der Regel nur, wenn der Krampf nach fünf Minuten noch nicht vorbei ist. Dann kann es lebensgefährlich werden.

Epileptische Anfälle werden häufig mit „Gewittern im Kopf“ verglichen, da sich plötzlich vermehrt Nervenzellen entladen. Hat man im Lauf des Lebens mehrere solcher Anfälle, ohne dass ein Auslöser (etwa eine Vergiftung) erkennbar wäre, spricht man von Epilepsie.

Die Krankheit ist verbreiteter, als häufig angenommen wird: Schätzungen zufolge sind bis zu ein Prozent aller Menschen in Deutschland von Epilepsie betroffen. Dabei sind die Formen der Krankheit enorm vielfältig. Manchmal zeigt sie sich schon bei Babys, manchmal erst in hohem Alter, manchmal verschwindet sie auf einmal. Auch die Anfälle können völlig unterschiedlich ausfallen. Laien denken meist nur an das „Grand Mal“, dabei können sich kleine epileptische Anfälle auch als kaum merkbare Zuckungen oder kurze Abwesenheiten äußern.

Epileptische Anfälle erkennen: Nicht jeder Hund hat die Gabe

Nora bekam ihre Diagnose mit Ende zwanzig. Aus englischsprachigen Ländern wusste sie, dass dort öfter Epilepsiewarnhunde zum Einsatz kommen und fing an zu recherchieren. Tatsächlich wurde ihr über eine Züchterin ein Welpe vermittelt, dessen Eltern die Fähigkeit hatten, Anfälle zu erkennen. Es handelt sich um eine Gabe, die manche Hunde von Geburt an haben, sie lässt sich nicht erlernen, nur trainieren. Mithilfe eines Hundetrainers bildete Nora Yuki aus.

Es gibt verschiedene Theorien dazu, worauf die Tiere reagieren. Wahrscheinlich wittern sie eine Geruchsveränderung, die dem Anfall vorausgeht. „Epilepsiewarnhunde bekommen alles um sich herum mit“, sagt die Assistenzhundetrainerin Dominique von Wantoch aus dem oberbayerischen Schwindegg. „Ohne Ausbildung geht aber nichts.“ Hunde können viele Krankheiten erkennen, wie manche Krebsarten oder Infektionen.

Hilfe durch Hunde: Keine Zahlung von Krankenkassen

Mittlerweile sind Epilepsiewarnhunde in Deutschland keine Exoten mehr, wie die Neurologin Susanne Knake von der Uni Marburg berichtet. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen Patienten von guten Erfahrungen berichten“, sagt sie. „Von wissenschaftlicher Seite gibt es dazu aber wenig Fundiertes.“ Die Krankenkassen kommen in der Regel nicht für die Kosten auf.

Dass es Nora heute besser geht, liegt nicht nur an Yuki. Vor einem Jahr hat sie sich einen Hirnschrittmacher (Vagusnervstimulator) einsetzen lassen, der die Aktivität der Nervenzellen hemmen soll. Seitdem hat sie deutlich weniger Anfälle.


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