Guter Schlaf, schlechter Schlaf„Die innere Uhr lässt sich nicht austricksen“

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Illustration einer schlafenden Frau

Acht Stunden Schlaf und trotzdem müde: Wir brauchen Zeiten der Entspannung.

Acht Stunden geschlafen und immer noch müde? Ab wann es bedenklich wird, wenn man partout nicht gut schlafen kann.

Warum springen manche Menschen schon nach fünf Stunden Schlaf energiegeladen aus dem Bett, während andere selbst nach acht Stunden noch müde sind? Im Interview erläutert Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, was guten Schlaf ausmacht.

Frau Wenker, immerhin rund ein Drittel ihres Lebens verschlafen die meisten Menschen. Was wären wir ohne Schlaf?

Wir wären gar nichts. Schlaf ist lebensnotwendig. Wir brauchen Zeiten der körperlichen und geistig-seelischen Entspannung. Der Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System können im Schlaf herunterfahren und sich erholen. Und auch psychische Ausgeglichenheit wäre ohne Schlaf nicht möglich. Es gibt brutale Experimente mit Schlafentzug, damit können Sie Menschen sowohl körperlich als auch seelisch regelrecht zerstören.

Wir verschlafen dieses eine Lebensdrittel also nicht, sondern ganz im Gegenteil: Ein erholsamer Schlaf ist der Schlüssel zu körperlich-seelischer Gesundheit, letztlich zu einem guten Leben. Fehlt er, können wir ernsthaft krank werden.

Was sind Warnzeichen, dass mein Schlaf gestört sein könnte?

Bedenklich wird es, wenn ich morgens wie gerädert aufwache und mich tagsüber müde und kraftlos fühle, womöglich sogar spontan einnicke. Ab und zu kann so etwas vorkommen, aber wenn dieses Gefühl der Energielosigkeit die Tage öfter oder über einen längeren Zeitraum beherrscht, sollte ich das abklären lassen. Dazu reicht zunächst der Gang zum Hausarzt.

Wer dem Schlafdruck am Tag zu sehr nachgibt, hat nachts einfach keinen mehr.
Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen

Wieviel Schlaf braucht der Mensch? Die oft als Faustregel genannten acht Stunden?

Das ist bemerkenswert individuell. Der eine kommt bereits mit fünf Stunden Schlaf hin und fühlt sich morgens energiegeladen. Ein anderer schläft sieben oder acht Stunden und hat womöglich das Gefühl, es reicht gerade so. Ein eindeutiges „Richtig oder Falsch“ gibt es nicht. Im Gegenteil. Es kann sogar zu Schlafstörungen führen, wenn sich eine „Eule“ - also ein Mensch mit nach hinten verlagertem Wach-Schlaf-Rhythmus - das Leben einer „Lerche“, also eines Frühaufstehers, antrainieren will. Die von Mensch zu Mensch unterschiedliche Chronobiologie, also gewissermaßen die innere Uhr, nach der sich auch unser Schlafbedürfnis richtet, lässt sich nicht nach Belieben austricksen.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass das Schlafbedürfnis mit zunehmendem Alter nachlässt. Säuglinge schlafen bis zu 20 Stunden am Tag, ältere Menschen oft nur fünf oder sechs Stunden. Solange der Schlaf zu guter Erholung führt, sind diese individuellen Unterschiede überhaupt kein Problem.

Es gibt Menschen, die schwören auf einen ausgedehnten Mittagsschlaf. Eine gute Schlafhygiene-Maßnahme?

Wenn Sie die Zeit haben, sich mittags länger hinzulegen, spricht erst einmal nichts dagegen. Allerdings kann so ein ausgiebiger Mittagsschlaf den Nachtschlaf beeinträchtigen. Das erlebe ich immer wieder bei älteren Patientinnen und Patienten, die ihren Tag frei einteilen können. Die beklagen sich, dass sie nachts um ein Uhr hellwach im Bett sitzen. Das ist kein Wunder. Wer dem Schlafdruck am Tag zu sehr nachgibt, hat nachts einfach keinen mehr.

So individuell Schlaf auch sein mag: Das Leben sehr vieler Menschen ist starren Rhythmen unterworfen, die kaum Rücksicht auf unterschiedliche Schlaftypen nehmen. Wie soll man klarkommen, wenn äußere Anforderungen und innere Uhr völlig konträr laufen?

In der Tat ist das ein Problem. Die meisten Menschen sind in ihrer Chronobiologie zum Glück einigermaßen anpassungsfähig oder haben einen zu ihnen passenden Arbeits- und Lebensrhythmus. Bei einem Teil der Menschen - oft solchen, die Schichtarbeit machen - wird durch dieses starke Auseinanderdriften von innerer Uhr und Lebensrhythmus die Schlafarchitektur regelrecht zerstört. Mitunter sogar dauerhaft, sodass Schlafstörungen zu einem lebenslangen Leiden werden.

Aber auch jenseits solcher Extremfälle kennt wohl jeder das Gefühl, nicht richtig „im Rhythmus“ zu sein. Ich habe es zum Beispiel als Kind gehasst, dass die Schule immer schon um acht Uhr anfing. So geht es vielen Kindern. Sie quälen sich hundemüde aus dem Bett und sind mindestens in der ersten Unterrichtsstunde kaum zu gebrauchen. Warum fängt die Schule nicht erst eine Stunde später an? Und warum sind Arbeitszeitmodelle nicht wenigstens so flexibel, dass jeder Beschäftigte den Arbeitsbeginn seiner Chronobiologie anpassen kann?

Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass der innere Takt der meisten Menschen nicht exakt mit dem 24-Stunden-Rhythmus übereinstimmt. Die innere Uhr hat oftmals eher 25 Stunden. Das heißt, äußerer und innerer Rhythmus sind immer nur punktuell synchron. Meist entfernen sie sich voneinander oder bewegen sich aufeinander zu, was erklärt, warum wir uns bei gleichem Schlafverhalten nicht immer gleich fit oder müde fühlen.


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