„Das ist ein lebendiger Ort“

Lesezeit 3 Minuten
Nevio De Zordo (63)

Nevio De Zordo (63)

Die vergangenen Tage waren ziemlich aufregend. Ich bin gerade aus der Universitätsklinik entlassen worden. Dort wurde mir eine Gefäßverengung am Herzen mit dem Ballon-Katheter beseitigt. Gott sei Dank verlief alles gut. Wir waren ja eigentlich für den Dienstag verabredet. Aber am Montagabend verspürte ich plötzlich Schmerzen in der Herzgegend. Ein Mitarbeiter der Universität, der bei mir einen Espresso trank, sagte, ich solle vorsorglich in die Uni-Klinik gehen. Die haben mich dann gleich dabehalten. Ich hatte am Wochenende bei mir zu Hause einiges repariert und umgebaut. Freunde und Bekannte meinten, ich hätte wohl zu viel Stress gehabt. Daran hat es aber wohl nicht gelegen.

Jedenfalls bin ich froh, wieder an der Espresso-Maschine stehen zu können. Der Albertus-Magnus-Platz an der Universität ist für mich der schönste Platz Kölns. Und heute scheint auch noch die Sonne. Einfach wunderbar.

Normalerweise öffne ich um neun Uhr. Wie lange es abends geht, das hängt ganz vom Publikumsverkehr ab. Im Moment sind Semesterferien. Deshalb ist später am Tag nicht mehr ganz so viel los wie sonst.

Auf jeden Fall werde ich mir abends die Fernsehübertragungen vom Viererbob-Wettbewerb bei den Olympischen Spielen anschauen. André Lange ist für mich der Favorit. Auch die Amerikaner und Russen sind stark. Wie Lange aber die Goldmedaille im Zweierbob gewonnen hat, war schon beeindruckend.

Ich bin auch Weltmeister gewesen und habe 1972 im japanischen Sapporo die Silbermedaille im Viererbob gewonnen. Mit meiner Zeit ist das heute aber alles nicht zu vergleichen. Wir sind größtenteils noch auf Naturbahnen gefahren. Auch das Material hat sich völlig verändert.

In Turin kommt dann noch das Problem Doping - beim Langlauf und Biathlon - hinzu. Leider, leider. Für uns Bobfahrer war das damals kein Thema. Vor dem Start haben wir allenfalls einen Espresso geschlürft.

Mit meinen Eltern bin ich 1959 aus Cibiana in den Dolomiten nach Köln gekommen. Sie waren Gelatieri - Eismacher. Auf der Zülpicher Straße hatten wir 40 Jahre lang einen Eissalon. Früher sind wir im Winter immer nach Hause gefahren. Cibiana liegt am Monte Rite und ist bekannt wegen seiner einmaligen Hausmalereien. Oben auf dem fast 2200 Meter hohen Berg gibt es ein „Museum in den Wolken“. Ursprünglich war es eine Festung, die im Ersten Weltkrieg zerstört worden war. Auf Anregung von Bergsteiger Reinhold Messner wurde sie aufgebaut und in ein Museum verwandelt. Von dort aus hat man einen wunderbaren Blick auf Cortina d'Ampezzo und die ganze Dolomitenregion.

Ich bin in Köln aber längst heimisch geworden. Am Albertus-Magnus-Platz verkaufe ich schon seit sieben Jahren Espresso, Cappuccino, Latte macchiato und kleine Pizzen. Das ist ein lebendiger Ort, erst recht im Sommer. Die vielen jungen Leute hier halten mich auch ein wenig jung - Krankheit hin oder her.

 www.ksta.de.meintag

KStA abonnieren