„Dialekt ist ein Schlüssel zur Mentalität“

Lesezeit 3 Minuten
Experte für rheinische Mentalität: Fritz Langensiepen

Experte für rheinische Mentalität: Fritz Langensiepen

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Herr Langensiepen, Ihre Forschungsschwerpunkte sind rheinische Mentalität und Identität, Dialekte und Alltagskultur. Wie würden Sie, nach mehr als 20-jähriger Beschäftigung mit diesen Themen, die rheinische Mentalität kurz zusammenfassen?

LANGENSIEPEN: Ganz spontan so: Offenheit, Gemeinschaftssinn, Feierfreude, Redelust und Spontanität.

Gibt es überhaupt eine rheinische Identität, die sozusagen den Menschen von Koblenz bis Kleve gemeinsam eigen ist?

LANGENSIEPEN: Die rheinische Identität und Mentalität gibt es natürlich nicht, es gibt recht unterschiedliche rheinische Regionen, die aber in bestimmten Mentalitätsmerkmalen doch zusammenpassen.

Ist der Dialekt Teil dieser Identität? Beeinflusst er die Mentalität?

LANGENSIEPEN: Grundsätzlich sind Dialekte Identitätsfaktoren ersten Ranges. Wichtiger aber sind inzwischen die regionalen Umgangssprachen geworden, in denen eine Region sehr schön zum Vorschein kommt. Eine Sprache sagt eine ganze Menge über die Gemeinschaft aus, in der sie gesprochen wird. Und ein Dialekt kann zumindest ein Schlüssel zur Mentalität sein.

Das Kölsch, das ripuarische Platt, hat ja seit den 1970er Jahren eine gewaltige Renaissance erlebt. Ist Kölsch, wie die Kölner meinen, die Krone der rheinischen Dialekte?

LANGENSIEPEN: Das Kölsch ist zweifellos viel lebendiger und populärer als alle Mundarten in anderen rheinischen Städten und Landschaften. Man muss aber festhalten, dass das Kölsch nicht mehr die Alltagssprache in Köln ist - mit „Kölsch“ meine ich hier den alten, „tiefen“ Dialekt, den immer weniger Menschen beherrschen. Die heutige kölsche Umgangssprache wird dagegen von sehr vielen Menschen gesprochen. Dieses Kölsch ist, wie früher das „Rheinische“ Adenauers, zu einer Leitsprache der Region geworden. Hier ist also die kölsche Neigung zum Superlativ einmal angebracht.

Mentalitätsmäßig sieht sich der Kölner ja auch ganz vorn - wie wird er überhaupt wahrgenommen von den Eiflern, den Aachenern, von den Menschen am Niederrhein?

LANGENSIEPEN: Köln wird positiver gesehen, als manche Kritiker glauben. Mit Köln können sich sehr viele Menschen im Rheinland identifizieren. Natürlich gibt es auch da Unterschiede, die Eifler fühlen sich Köln mehr verbunden als die Menschen am Niederrhein. Dort kann es passieren, dass man die Schattenseiten kölscher Mentalität, etwa Oberflächlichkeit, stärker herausstellt.

Ihr rheinischer Lieblingsspruch?

LANGENSIEPEN: Oh, da gibt es viele. Ich bin übrigens ein Fan des Kölner Autors Johannes Theodor Kuhlemann, der leider nur ein kleines Werk hinterlassen hat. Also, mir gefällt sehr gut „Mer moss de Kamelle lötsche un net zerbieße“ und nicht zuletzt „Me hatten nit vill, äve me han immer joot jeläf“, so habe ich es in Wachtberg gehört.

Kann man den letzten Spruch auf Ihre Amtszeit übertragen?

LANGENSIEPEN: In gewissem Sinne schon. Trotz vergleichsweise geringen Etats haben wir es immer geschafft, die Ergebnisse unserer Arbeit zu publizieren und Dokumentarfilme über die rheinische Alltagskultur zu produzieren. Und mich freut es besonders, dass das ARL in Bonn heute besser dasteht als in früheren Jahren.

Das Gespräch führte Carl Dietmar

 www.arl.lvr.de

KStA abonnieren