„Die Architektur ist triumphierend angelegt“

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Nikolaus Schneider

Nikolaus Schneider

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, hat den Plan für eine Zentralmoschee der Türkisch-Islamischen Union Ditib in Köln-Ehrenfeld als imperial und anmaßend kritisiert.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Präses Schneider, gibt es eine Ernüchterung im Verhältnis zwischen Kirchen und Muslimen in Deutschland?

NIKOLAUS SCHNEIDER: Insofern schon, als wir gemerkt haben, dass unsere muslimischen Gesprächspartner das Verhältnis von Staat und Religion anders sehen als wir. Als Kirche haben wir die Frage nach der Integration lange „diakonisch“ gestellt: Wie können wir Zuwanderern das Leben erleichtern, sodass sie auch wirklich hier ankommen können? Wie lernen wir uns als Fremde besser kennen? Inzwischen reden wir viel stärker darüber, was Integration für die aufnehmende Gesellschaft bedeutet, aber auch für diejenigen, die zu uns kommen.

Und zwar?

SCHNEIDER: Wir müssen ganz klar unsere Ansprüche formulieren. Aus kirchlicher Perspektive kann das nur heißen, den auf dem Grundgesetz beruhenden säkularen Staat bewusst zu bejahen - aus theologischen wie aus ethischen Motiven. Darüber müssen wir mit den muslimischen Mitbürgern reden, von denen zumindest einige vor ihrem religiösen Hintergrund mit einem solchen Bekenntnis Schwierigkeiten haben könnten.

Befürchten Sie ein rein taktisches Verhältnis zum Grundgesetz, etwa der muslimischen Verbände?

SCHNEIDER: Der Koran erlaubt das ja sogar. Trotzdem erhebe ich keinen Generalverdacht. Nur: Wer behauptet, er bejahe das Grundgesetz aus Überzeugung, der muss das auch durch stimmiges Verhalten beweisen.

Wie denn?

SCHNEIDER: Durch Engagement für die Gesellschaft - und zwar die ganze Gesellschaft, nicht immer nur für die Interessen der eigenen Gruppe. Das halte ich für ein deutliches Zeichen. Wer dagegen den Koran über unsere Gesetze stellt, dem müssen wir sagen: „So nicht!“

Wie begründen Sie als Christ theologisch den säkularen Staat?

SCHNEIDER: Das Christentum hat mit Blick auf das Verhältnis Kirche-Staat eine blutige Geschichte hinter sich. Es gab das Konzept, dass die eine Religion den gesellschaftlichen Zusammenhalt garantieren müsse, notfalls mit Gewalt. Demgegenüber haben wir lernen müssen, dass eine Gesellschaft sehr wohl den Zusammenhalt verschiedener Kulturen und Religionen leisten kann, wenn nämlich ein Konsens über die rechtlichen und sozialen Standards erzielt wird. Wir haben gelernt, dass die Religion dem Staat nicht mehr vorgibt, wie er zu handeln hat.

Was ist dann die Aufgabe von Religion?

SCHNEIDER: Den Staat an Gottes Reich und Gerechtigkeit zu erinnern. Auf gut Deutsch: Wir sollen nach dem Willen Gottes so zusammenleben, dass es sozial und gerecht zugeht, dass die Kleinen nicht unter die Räder kommen. Doch es bleibt dabei: Der Staat hat eine eigene Legitimität, „für Recht und Frieden“ zu sorgen (Barmer Theologische Erklärung). Er gewinnt seine Legitimität nicht dadurch, dass ein Papst, Bischof oder Präses sie ihm zugesteht.

Oder ein Imam.

SCHNEIDER: Ja. Aber genau so weit ist der Islam im Grunde noch nicht. Er will sicherstellen, dass die staatliche Gewalt im Dienst der Religion steht. Selbst in der Türkei ist das so. Und die Türkisch-Islamische Union Ditib als Vorposten der Religionsbehörde in Ankara zeigt ja auch, dass hier staatliche Macht sehr deutlich im Interesse der muslimischen Vereinigungen eingesetzt wird. Gerade von der Ditib erwarte ich freilich, dass sie nicht in Deutschland Freiheiten und Rechte fordert, die der türkische Staat nicht zu geben bereit ist.

Aber Religionsfreiheit kann kein Recht auf Gegenseitigkeit sein.

SCHNEIDER: Das sage ich auch nicht. Ich kann aber den Ditib-Leuten sehr wohl kritische Fragen zur Religionsfreiheit in der Türkei stellen - und ihnen gleichzeitig sagen, „anders als ihr es mit uns in der Türkei macht, bin ich sehr dafür, dass ihr euren Glauben bei uns öffentlich leben . . .“

„. . . und Moscheen bauen könnt?“

SCHNEIDER: Natürlich. Aber auch da gibt es Diskussionsbedarf - etwa in Köln. Steine sprechen! Also frage ich die Ditib als Bauherrin: Was bringt ihr mit diesem Bau zum Ausdruck?

Was sagen Ihnen die Steine?

SCHNEIDER: Diese Architektur ist schon sehr triumphierend angelegt. Man könnte sie sich auch anders vorstellen.

Kleiner?

SCHNEIDER: Zurückgenommener, nicht so imperial. Sondern vielmehr in einer Gestalt, die mehr den integrierenden, dienenden Charakter von Religion zum Ausdruck bringt.

Die geplanten Minarette sind - Zufall oder nicht - etwas höher als der Turm der nahe gelegenen evangelischen Kirche. Liegt darin für Sie etwas Anmaßendes?

SCHNEIDER: In der Tat. Ich finde, das muss nicht sein. Hinzu kommt: Man kann so ein Gebäude wie das in Ehrenfeld geplante nicht einfach hinstellen, ohne frühzeitig mit den Leuten geredet und sie mitgenommen zu haben. Das hat dann auch nichts mit einer Beschneidung von Religionsfreiheit zu tun: Wie ein Gotteshaus konkret gestaltet wird, hängt auch davon ab, was die Menschen in ihrer Mehrheit hinzunehmen bereit sind. Das gilt für den Bau von Kirchen übrigens genau so.

Was heißt das für den Moscheebau in Ehrenfeld?

SCHNEIDER: Ich glaube, es wäre klug, den Entwurf noch einmal zu überarbeiten.

Das Gespräch führte Joachim Frank

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