„Es gibt keinen klaren Beweis“

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Einen Freispruch forderte Rechtsanwältin Karin Bölter für ihren Mandanten Jimmy J. Seine Schuls sei nicht bewiesen.

Einen Freispruch forderte Rechtsanwältin Karin Bölter für ihren Mandanten Jimmy J. Seine Schuls sei nicht bewiesen.

Freispruch für den Angeklagten fordern die Verteidiger im Mordprozess Alina. Stiefvater Jimmy J. könne die Tat nicht selbst begangen haben.

Köln / Refrath - Es ist mucksmäuschenstill im Saal. Mehr als hundert Verhandlungsstunden lang hat der Angeklagte kein offizielles Wort gesagt. Er hat häufig den Kopf geschüttelt, manchmal mit seinen Verteidigern getuschelt, aber gegenüber dem Gericht blieb er stumm wie ein Fisch. Doch nun nimmt er doch noch sein Recht war, vor der Urteilsverkündung das letzte Wort zu haben. Als Jimmy J. aufsteht, ist die Spannung beinahe mit Händen zu greifen. Aber nach zwei Sätzen ist schon wieder alles vorbei. Jimmy J. sagt mit ruhiger und etwas brüchiger Stimme in Richtung Richter: „Ich schließe mich meinen Verteidigern an. Mein Schicksal liegt jetzt in Ihren Händen.“

Rückblende: Der Stiefvater der erschossenen Alina wird von zwei Anwälten vertreten: Karin Bölter und Thomas Ohm. Beide halten ein Plädoyer. Und beide fordern Freispruch. Ohm nimmt sich dafür doppelt soviel Zeit wie Bölter. Doch Bölter fängt an: „Die Verhandlung hat ergeben, dass die Spurenlage nicht passt. Es ist auszuschließen, dass der Angeklagte selbst Alina erschossen hat. So viele Fragen bleiben offen. Deshalb kann es keine Verurteilung wegen Mordes geben.“ Bölter weist auf die vielen widersprüchlichen Gutachten hin. Die Schmauchspuren an seiner Kleidung seien „weder räumlich noch zeitlich dem Angeklagten zuzuordnen“. Zudem seien keine Blutspuren an ihm gefunden worden.

Jimmy J. sei zugegebenermaßen ein auffälliger und schwieriger Mensch. „Aber reicht das als Mordmotiv aus?“, fragt Bölter. Die vom Staatsanwalt „konstruierte Geschichte“ eines Mannes, der aus wirtschaftlicher Not gehandelt habe, verweist Bölter ins Reich der Fantasie: „Erstens hat er eine Zeit lang sein eigenes Geld verdient und zweitens wäre seine Frau bei einer Scheidung unterhaltspflichtig gewesen.“

An dieser Stelle hakt auch Bölters Kollege Thomas Ohm ein. Doch er wird grundsätzlicher: Weil die Beweislage während des gesamten Prozesses mehr als dünn gewesen sei, habe sich die Staatsanwaltschaft darin ergangen, die subjektiven Eindrücke der Zeugen zu betonen. Ohm: „Es ist richtig, dass der Angeklagte aus seinem Umfeld heraus übel beleumundet wird. Aber das reicht nicht für eine Verurteilung. Hier zählen nur objektive Spuren. Und genau da ist es versäumt worden, die vielen Gutachten zu hinterfragen.“ Es könne nicht sein, dass Jimmy J. verurteilt werde, nur weil man keinen anderen Täter gefunden habe. Die ganze, so Ohm, „Sozialschnüffelei“ gegen den Angeklagten habe zwar Stimmung gegen J. gemacht, aber keinerlei klare Beweise erbracht.

Einerseits halte der Staatsanwalt den Angeklagten für so intelligent und kaltblütig, den Mord an Alina bis ins Detail geplant zu haben. Doch wenn es so gewesen wäre, habe Jimmy J. „ausgesprochen blöde Fehler“ gemacht: „Warum hätte er die Geschosshülse neben der Leiche liegen lassen sollen? Warum hat er keinerlei Einbruchsspuren gelegt, wenn er auf einen Einbrecher als Täter hinweisen wollte? Warum hat er die drei im Keller gefundenen Projektile nicht entfernt, die er dort vorher zu Übungszwecken abgefeuert haben soll?“

Die Frage nach einem alternativen Täter könne er auch nicht beantworten, gab Ohm zu. Doch das Argument „Einer wird es ja wohl gewesen sein“ dürfe nicht ausreichen, um Jimmy J. zu verurteilen. Ohm deutet an, dass die Verteidigung im Falle eines Schuldspruchs ein Revisionsverfahren anstreben werde.

Auf Vorhaltungen des Staatsanwalts, die Mutter und die Schwester von Alina „auf gemeine Art“ in die Tätersuche einbezogen zu haben, gehen die beiden Verteidiger auch ein. Ohm sagt, dass es nicht das Ziel der Verteidigung gewesen sei, die beiden für irgendetwas verantwortlich zu machen. Aber: „Der Angeklagte ist uns anvertraut. Wir haben die Pflicht, ihm zur Seite zu stehen.“ Karin Bölter betont, dass man sich dabei stets an die Ermittlungsakten gehalten habe. Und sie betont ihren Ärger darüber, „wie der Staatsanwalt den Angeklagten lange Zeit mit seinen Blicken fixiert hat, als wolle er ihn förmlich zu einem Geständnis drängen“.

Das Urteil soll am Dienstag, 9. März, um 12 Uhr in Saal 210 des Landgerichts Köln gesprochen werden. Zwischen lebenslänglicher Haft und Freispruch inklusive sofortiger Freilassung ist alles möglich.

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