„Schmunzelsteine“ sind nicht zum Lachen

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Leichlinger Karnevalisten setzten auf eigene Faust ihre „Schmunzelsteine“ ins Pflaster eines öffentlichen Platzes. Sie ähneln den „Stolpersteinen“ zum Gedenken an NS-Opfer.

Leichlinger Karnevalisten setzten auf eigene Faust ihre „Schmunzelsteine“ ins Pflaster eines öffentlichen Platzes. Sie ähneln den „Stolpersteinen“ zum Gedenken an NS-Opfer.

Leichlingen - Dass sie mit ihren fünf kleinen Pflastersteinen eine solche Lawine lostreten würden, hätten die Ehrensenatoren des Festkomitees Leichlinger Karneval nicht gedacht. Die Pflastersteine liegen seit Karnevalssamstag unter der Dorflinde auf dem alten Marktplatz der Stadt an der Wupper - in stillem Gedenken an verstorbene Jecken. Wenn man sie sieht, so die Absicht, soll man sich freuen über die Geburt des Leichlinger Straßenkarnevals, man soll sich erinnern an Roman Wadas, den ersten Prinzen der Stadt, an Peter Kessel, Initiator des Blütensamstag-Zuges. Die Namen und Lebensdaten dieser Männer und dreier anderer Prinzen und Präsidenten sind in die Messing-Quader eingraviert.

Doch freuen konnten sich die Karnevalsfreunde an ihrem Werk noch nicht einmal bis Aschermittwoch. Schon am Rosenmontag hagelte es Proteste gegen die „Schmunzelsteine“. Denn sie haben einen gravierenden Schönheitsfehler: Sie sehen genauso aus und heißen ähnlich wie die „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig. Zur Erinnerung an NS-Opfer hat er davon bereits rund 13 000 in halb Europa verlegt. Die „Schmunzelsteine“ unterscheiden sich von ihnen nur dadurch, dass sie nicht vor Haustüren liegen, sondern auf einem freien Platz, und dass ihre Inschriften diagonal verlaufen, nicht gerade. Für seine prägnanten Mahnmale, mit denen an Mitbürger erinnert wird, die von den Nationalsozialisten verfolgt, verschleppt und ermordet wurden, hat Demnig das Bundesverdienstkreuz bekommen.

Und nun jecke Leichlinger in einem Topf mit jüdischen Nazi-Opfern? Das geht gar nicht, empörten sich die Kritiker. Zwei unabhängige Wählergemeinschaften forderten umgehend, dass die „Schmunzelsteine“, im Übrigen ohne offizielle Genehmigung verlegt, sofort wieder weg müssen. Bildende Künstler und Demnig-Verehrer erhoben den Vorwurf des Plagiats. Der Stadtrat befasste sich mit der Affäre und empfahl den Karnevalisten salomonisch, über ihre Aktion nachzudenken. Fernsehteams stellten die Ehrensenatoren zur Rede. Auch Miguel Freund, stellvertretender Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, äußerte sich „entsetzt“ über die Gedenkaktion der Leichlinger Karnevalisten. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte er: „Das ist eine Geschmacklosigkeit sondergleichen. Natürlich muss auch Gedenken an Karnevalisten möglich sein. Aber da muss man mit mehr Fingerspitzengefühl herangehen.“ Freund versteht nicht, warum die Karnevalsfreunde sich ausgerechnet die Form des Pflastersteins für ihre Aktion ausgesucht haben.

Allmählich dämmert es auch dem Festkomitee, dass die Sache unglücklich gelaufen ist. „Uns liegt nichts ferner, als die Arbeit von Gunter Demnig zu verunglimpfen, vor der wir hohen Respekt haben“, versicherte Frank Steffes dieser Zeitung. Der Sprecher der Ehrensenatoren ist auch SPD-Ratsherr und schockiert darüber, dass mancher ihnen nun unterstellt, Demnigs politische Straßenskulpturen ins Lächerliche ziehen zu wollen: „Ich habe das Gefühl, dass da etwas hineininterpretiert werden soll, was nicht da ist.“

Dass er Demnig im Vorfeld der Aktion angeschrieben, über die Absichten der Ehrensenatoren informiert und ihm sogar angeboten hat, die gravierten Steine herzustellen, hilft ihm auch nicht weiter. Denn Demnig hat auf die E-Mail nie geantwortet und wertet die plumpe Nachahmung seiner „Stolpersteine“ als Missbrauch. Klage will er wohl nicht erheben. Das ist wahrscheinlich aber auch gar nicht nötig, denn die Karnevalisten denken längst über eine veränderte Gestaltung ihrer Steine des Anstoßes nach.

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