Neue Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, wie der typische Deutsche lebt – von der Geburt bis zur Rente. Und dann bin da ich.
StatistikWie sieht der deutsche Durchschnittsmensch aus? Ein 1,79-Meter-Kleingärtner


Wie sieht der durchschnittliche Deutsche aus? Das Statistische Bundesamt hat neue Zahlen veröffentlicht. Foto: dpa
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Welche Momente gab es in meinem Leben, in denen ich mir gewünscht hätte, ein Durchschnittsdeutscher zu sein? Jenen Stereotypen des Menschen zu entsprechen, der heute Thomas Müller heißt. Oder nach dem Zweiten Weltkrieg Otto Normalverbraucher. Erinnern Sie sich? Das war ein einfacher Bürger, gespielt von Gert Fröbe, der sich in dem satirischen Nachkriegsfilm „Berliner Ballade“ durchschlagen musste und damals wie heute nicht mehr als eine statistische Größe war. Nur dass es 1948 um Lebensmittelrationen und Heizmaterial ging. Später um das Wirtschaftswunder. Aber niemals um seine Nazi-Vergangenheit.
Die Deutschdurchschnittler von heute, also Thomas und Sandra Müller, sind vor allem für die Wirtschaft interessant. Bei ihnen geht’s in erster Linie um Durchschnittsmieten, Wohnungsgrößen, KI-Nutzung oder E-Auto-Affinität. Und um die 1,6 Kinder, die Sandra im Laufe ihres Lebens auf die Welt und damit die Rentenkassen zur Verzweiflung bringt. Weniger um Work-Life-Balance. Dafür sind sie mit 43,5 und 46,2 Jahren schon zu alt.

Deutschlands vielleicht bekannteste Frau: Erika Mustermann. Aber entspricht sie auch dem Durchschnitt?
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Wie Max Mustermann, der sich bei Kreditkarten immer noch großer Beliebtheit erfreut. Seine Frau Erika hat als Personalausweis-Ikone mit Beginn der Digitalisierung im Meldewesen vor 15 Jahren aber die deutlich steilere Karriere hingelegt. Das ist, wenn man den neuesten Daten des Statistischen Bundesamts Glauben schenken darf, was der Durchschnittsdeutsche gemeinhin tut, immer noch ganz und gar nicht durchschnittsdeutsch.
Der Durchschnittsdeutsche schweigt lieber
Aber ich schweife schon wieder ab, was für einen Durchschnittsdeutschen ganz und gar untypisch ist. Der Durchschnittsdeutsche labert nicht, er schweigt lieber. In dieser Hinsicht bin ich mehr Rheinländer als Deutscher. Und weil es zu meinem Bedauern mehr Deutsche als Rheinländer gibt, muss ich damit leben, in anderen Landstrichen des Öfteren wahlweise als Quatschkopf, Schwätzer, Schwafler oder Labersack bezeichnet zu werden. Das macht mir nichts aus. Da bin ich durchschnittstolerant. Obwohl: Der Rheinländer ist kein Quatschkopf, sondern ’ne Schwaadlappe. Das könnten die Schweiger ruhig mal respektieren.

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Jedes Mal, wenn das Statistische Bundesamt, meistens im Sommerloch, mit kaum veränderten Durchschnittsdeutschen-Zahlen kommt und damit alle Stereotype bedient, weil gesellschaftliche Veränderungen in Deutschland immer elend lange brauchen, versuche ich mich daran zu erinnern, ob ich mich jemals danach gesehnt habe, ein Durchschnittsdeutscher zu sein.
In meiner Jugend schon. Das geht wohl jedem so, dessen äußeres Erscheinungsbild nicht der Mehrheit entspricht, sondern wie in meinem Fall im wahrsten Sinne des Wortes herausragt. Mit der Durchschnitts-Körpergröße des Thomas Müller (1,79 Meter) hätte ich mir selten freundliche gemeinte Beinamen wie Funkturm, Spurlatte oder Dachrinnen-Säufer ersparen können. Was 18 Zentimeter aus einem Durchschnittsdeutschen so machen können!
Verhalf die Größe zum ersehnten Kleingarten?
Einmal jedoch hat mir das Dachrinnen-Säufer-Dasein meiner Jugend geholfen. Das war im zweiten Jahr der Corona-Pandemie. Als alle sich in ihren viel zu kleinen Stadtwohnungen nach jedem Fitzelchen Grün sehnten, habe ich es zu einem eigenen Schrebergarten gebracht, was allein dem Umstand zu verdanken ist, dass eine der letzten meiner 30 Bewerbungen gezündet hat.
Sie endete mit den Worten, dass mir angesichts der Absagen-Flut allmählich Zweifel kämen, ob es die deutschen Vorschriften überhaupt gestatten, mit 1,97 Meter Körpergröße eine Karriere als Kleingärtner anzustreben. Was soll ich sagen? Man hat mich akzeptiert. So wie ich bin. Als Kleingärtner. Wenn das nicht durchschnittsdeutsch ist, dann weiß ich es auch nicht.