Wagenknecht„Rückkehr der DDR im neuen Gewand“

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Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht. (Bild: dapd)

Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht. (Bild: dapd)

Mal Fraktionschefin, mal Parteichefin: Sahra Wagenknecht wird in der Linken mittlerweile für fast jedes Spitzenamt gehandelt. Steht ihrem Durchmarsch nichts mehr im Wege?

KLAUS SCHROEDER: Da in der Linken kaum noch Nachwuchskader vorhanden sind, wird man an Sahra Wagenknecht in der Tat kaum vorbeikommen. Sie ist nicht zu stoppen. Zwar ist sie ideologisch immer noch am äußersten linken Rand verortet, aber sie ist in der Partei mittlerweile mehrheitsfähig geworden. Zuletzt hat sie ihren stalinistischen Kurs ja auch etwas abgeschwächt.

Sahra Wagenknecht ist für die Linke zu einer Art Lichtgestalt geworden. Was hat sie, was andere nicht haben?

SCHROEDER: Sie ist rhetorisch geschickt, populistisch und demagogisch. Sie reicht an Raffinesse zwar noch nicht an Oskar Lafontaine und Gregory Gysi heran. Dennoch versteht Wagenknecht ihr Handwerk. Halbwahrheiten werden mit Wahrheiten und mit Unwahrheiten vermischt. Alles, was die Linken herumtreibt, vom Antikapitalismus bis hin zum Antifaschismus, spitzt sie zu. Wagenknecht hält reine Schubladen-Reden, von denen sie weiß, dass es dafür den meisten Beifall gibt.

Wenn man in Online-Foren Kommentare über Wagenknecht liest, steht da oft: Die hat Recht, in allem. Das Handelsblatt schrieb, die Politikerin zeige ein tieferes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge als viele Politiker der etablierten Parteien.

SCHROEDER: Wagenknecht spricht ja durchaus Punkte an, die berechtigt sind. Dass Manches in der Wirtschaft reguliert werden sollte und die Einkommen der Bankmanager zu hoch seien, gehört schon zum allgemeinen Diskurs. Doch dahinter versteckt Wagenknecht Forderungen, die an die Wurzel des heutigen Systems gehen. Sie will die soziale Marktwirtschaft und die parlamentarische Demokratie überwinden. Letztlich schwebt ihr ein anderes Deutschland vor.

Sie haben Sahra Wagenknechts Buch „Freiheit statt Kapitalismus“rezensiert. Was kritisieren sie daran?

SCHROEDER: Mir scheint, ich bin der Erste, der das Buch tatsächlich vollständig gelesen hat. Viele Journalisten haben anscheinend nur darin geblättert und geglaubt, was auf dem Umschlag steht. Die gesamte bürgerliche Presse ist darauf hereingefallen. Wagenknecht zeichnet in dem Buch nichts anderes als den Weg in den Staatssozialismus nach. Das ist die Wiederkehr der DDR in neuem Gewand. „Freiheit statt Kapitalismus“ ist fast identisch mit dem jetzt beschlossenen Programm der Linken. Wagenknecht hantiert mit Begriffen wie Marktwirtschaft und Ordoliberalismus und viele glauben, sie habe eine Kehrtwende gemacht. Das ist aber nicht der Fall. Sie hat nur einen rhetorischen Rechtsruck vollzogen. Und deshalb ist es so gefährlich, dass die Medien sie hoffähig machen. Sie sieht im Gegensatz zu anderen in der Linken halbwegs gefällig aus und kann frei reden. Das sind dicke Pluspunkte in der medial vermittelten Welt.

Wie wird sich Wagenknecht Ihrer Einschätzung nach politisch weiterentwickeln?

SCHROEDER: Sie wird Schritt für Schritt zur Realpolitikerin mausern. Auch Frau Wagenknecht will Karriere machen. Das kann nur heißen: Regierungsbeteiligung der Linken mit Rot-Grün im Jahr 2013. Denn Rot-Grün kann es alleine kaum nicht schaffen. Wagenknecht wird noch einige Kehrtwendungen vor sich haben. Denn mit dem nun verabschiedeten Programm ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Staat zu machen.

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