Ein Leben für alte SchätzeErinnerungen an Antiquitätenhändler Peter van den Hoogen

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Peter van den Hoogen vor seinem Geschäft in der Venloer Straße, das er Anfang der 1990er Jahre eröffnete.

Peter van den Hoogen vor seinem Geschäft in der Venloer Straße, das er Anfang der 1990er Jahre eröffnete.

Köln – „Es war ein Stück Heimat“, sagte eine junge Frau über das Geschäft. „Es gehörte in diese Ecke“, bedauerte ein älterer Herr den Verlust von „Antiques“. Und ein Dritter schrieb, der Tod des Inhabers hinterlasse eine „fette Lücke“. Äußerungen der Fassungslosigkeit, mit der im vorigen Oktober Kunden und Nachbarn auf den Tod von Peter van den Hoogen reagierten.

Dass er gestorben war, hatte seine beste Freundin Brunhilde „Bunny“ Böttrich bekanntgegeben. „Sein Laden hatte sich in den 25 Jahren zu einem außergewöhnlichen Ort entwickelt“, erzählt sie, „und auch die Kundschaft war bemerkenswert.“ Menschen, die sie vorher nicht kannte, hätten ihr „persönliche Nähe und respektvolle Betroffenheit“ vermittelt.

Als „Smiley“ bekannt

Auch wenn er die letzten 15 Jahren in Nippes wohnte, im selben Haus wie Brunhilde Böttrich und ihr Lebensgefährte Toni, sagt sie: „Er war Belgisches Viertel.“ Dort war er als „Smiley“ bekannt. Das Quartier war nicht nur Schauplatz seiner Arbeit, sondern er wohnte auch lange in der Brüsseler Straße. Zum Beispiel in einer WG gegenüber dem legendären „Waschsalon“.

In jener Zeit wechselte er, nachdem er beim Düsseldorfer „Handelsblatt“ gearbeitet hatte, in die Vertriebsabteilung der Mode-Firma, die sein WG-Mitbewohner Bernd Wilms-Posen führte. Fortan war „Smiley“ hauptsächlich in produktionseigenen, knallbunten Overalls unterwegs.

Peter van den Hoogen mit einem Kunden im Verkaufsraum seines Geschäfts in der Venloer Straße, das er Anfang der 1990er Jahre eröffnete. 

Peter van den Hoogen mit einem Kunden im Verkaufsraum seines Geschäfts in der Venloer Straße, das er Anfang der 1990er Jahre eröffnete. 

Durch den zufälligen Kontakt zu einer Gruppe von Engländern, die regelmäßig auf dem Flohmarkt in Düsseldorf-Bilk Mahagonimöbel und andere Antiquitäten verkauften, kam Peter van den Hoogen zum Handel mit alten Gegenständen. Er kümmerte sich um den Verkauf der Ware aus England, jahrelang. Sommers wie winters stand er am Wochenende in Bilk. „Kein Wunder, dass der Gedanke an einen trockenen und warmen Laden mehr und mehr Form annahm“, sagt Brunhilde Böttrich.

Mediterranes Lebensgefühl

Als sie zu Beginn der 90er Jahre ihr Innenarchitekturbüro von der Venloer Straße weg verlegte, übernahm Peter van den Hoogen das Ladenlokal nahe des Stadtgartens. „Sein mediterranes Lebensgefühl nährte sein Hobby, „die Nautik“ erzählt sie von den Anfängen des Geschäfts. „Der Schwerpunkt des Angebots lag auf allem, was mit Schiff zu tun hatte. Aber in dieser Sparte wurde der Einkauf immer schwieriger und unbezahlbar.“

Nach und nach entwickelte sich „Antiques“ zu dem Laden, der er bis zum letzten Tag unter der Regie von Peter van den Hoogen war. Oft stand er davor, rauchend neben den Bücherkisten. Zwei Stufen abwärts öffnete sich der Raum, der vollgestellt war mit in die Jahre gekommenen Lampen, Stutzuhren, Sammeltassen und Blechschildern, mit Ölgemälden, Drehscheibentelefonen und Bettpfannen.

Vieles stammte aus Haushaltsauflösungen

Hinten, vor einem Trennvorhang, saß der Ladeninhaber an einem kleinen Schreibtisch und kümmerte sich um Angebote und Preise am PC. Daneben hatte er auch auf Flohmärkten einen Stand. Vieles von der Ware stammte aus Haushaltsauflösungen seiner Umgebung. „Nach Jahren“ sagte er, „weiß ich, was direkt in den Container kann, was auf den Flohmarkt und was in den Laden.“

Peter van den Hoogen: Das Schwarz-Weiß-Porträt zeigt ihn mit Mitte 30.

Peter van den Hoogen: Das Schwarz-Weiß-Porträt zeigt ihn mit Mitte 30.

„Reich werden konnte er mit seinem Geschäft nicht“, sagte Brunhild Böttrich. Sein langjähriger Freund Lutz Klützke, der ihn seit der Kindheit kannte, in der sie in Bonn Nachbarsjungen waren, bestätigt: „Er war kein großer Geschäftsmann, dazu war er zu gutmütig und großzügig. Beklagt hat er sich aber nie.“ Bei allem konnte man ihm durchaus zutrauen, wirtschaftlich zu denken, schließlich hatte er an der Universität Düsseldorf seinen Diplomkaufmann gemacht.

Dem Wunsch seines Vaters, wie er selbst eine Karriere bei der Bank zu machen, mochte er nicht folgen, so gut er sich auch mit ihm verstand. „Ihm graute davor, jeden Morgen zur gleichen Zeit mit Aktentasche ins Büro zu gehen und jeden Abend zur gleichen Zeit zurückzukehren“, sagt Lutz Klützke, der ebenfalls Banker war. „Manchmal habe ich zu ihm gesagt: ,Du hättest mehr werden können.' Aber das war nichts für ihn. Er hatte Spaß an seiner Sache, am Kontakt mit Menschen.“ Das Geschäft an der Venloer Straße sei „sein Lebenselexier“ gewesen, so Brunhilde Böttrich in ihrer Trauerrede.

Jeder Kunde wurde zuvorkommend behandelt

Am Verkauf um jeden – möglichst hohen – Preis war Peter van den Hoogen nicht interessiert, obwohl er zweifellos darauf angewiesen war, mit dem Geschäft Geld zu verdienen. „Aber das hat er seine Kunden nie spüren lassen“, sagt seine beste Freundin, „niemand wurde bedrängt, jeder wurde zuvorkommend behandelt.“ 2011 räumte er gegenüber einer Zeitschrift ein: „Es gibt Kunden, für die empfinde ich aufgrund ihres Auftretens nicht so viel Sympathie. Da ist es mir auch egal, ob ich verkaufe.

Und es gibt Kunden, die kennen eben den Wert der Dinge, beispielsweise weil sie sammeln. An die verkaufe ich natürlich lieber.“ Zu ihnen zählte Heinz Faßbender, der den Inhaber des Geschäftes etwa 25 Jahre lang gekannt und „im Laufe der Jahre recht viel Geld dagelassen hat“. Dabei sei es ihm nicht nur um die Einkäufe, sondern auch um die Begegnung mit einem besonderen Menschen gegangen. In seiner Trauerrede charakterisierte er Peter van den Hoogen als „höflich, zurückhaltend, verbindlich, fair, intelligent, nachdenklich und sprachgewandt“.

„Preußisches Pflichtbewusstsein“

Sein „akkurater Habitus“ habe an „preußisches Pflichtbewusstsein“ erinnert. „Peter van den Hoogen war ein Mann der leisen Töne, ruhig, nicht allzu hoch in seinen Ansprüchen, auch mit finanziellen Engpässen – immer aufrecht, immer darum bemüht, seinen Weg zu gehen.“ Im Gespräch fügt er hinzu, trotz gegenseitiger Sympathie „haben wir immer eine wohlbedachte Distanz zueinander gewahrt“. Dazu gehörte, sich beharrlich zu siezen. Überhaupt habe van den Hoogen „seine Privatsphäre sehr geschützt“.

Wenn er nicht im Geschäft war, saß er am liebsten auf seinem Balkon in Nippes und schaute entspannt in den grünen Hinterhof. „Er war ein Mensch, der sich über die kleinen Dinge freuen konnte, dazu gehörte das Feierabendbier mit Zigarette“, sagen Bunny und Toni. „Leidenschaftlich hat er unsere Katzen versorgt, wenn wir nicht zu Hause waren.“

Umbau stand an

2016 wurde das Gebäude, in dem sich „Antiques“ befand, verkauft; der komplette Umbau stand an. Obschon keine Kündigung ausgesprochen war, hatte Peter van den Hoogen beschlossen, sich nun, mit 68, in den Ruhestand zurückzuziehen.

Brunhilde Böttrich: „Er freute sich auf sein Rentnerdasein in Nippes.“ Es sollte anders kommen. „Er hatte wieder einmal Magenbeschwerden, die seit Jahrzehnten zu ihm gehörten“, erzählt sie. „Wie immer lösten sie die Diskussion aus, endlich mal einen Arzt zu konsultieren. Aber zu einem Arzt zu gehen war für Peter undenkbar.“ In der Nacht zum 8. Oktober starb er. Dem Anschein nach ein rascher Tod. Am 3. November wurde die Urne anonym auf dem Nordfriedhof beigesetzt. In der Traueranzeige heißt es: „Für alle Freunde schwer zu fassen, ist ein großzügiges Leben urplötzlich erloschen.“

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