Schmadtke im Interview„Ich bin entspannter geworden“

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Jörg Schmadtke blickt dem Saisonstart des 1. FC Köln sehr positiv entgegen.

Jörg Schmadtke blickt dem Saisonstart des 1. FC Köln sehr positiv entgegen.

Kutzbühel – Im Trainingslager des 1. FC Köln hat sich Jörg Schmadtke den Fragen unseres Redakteurs gestellt. Seit der Saison 2013/14 steuert der ehemalige Bundesligaprofi die Geschäfte beim FC. Der Geschäftsführer spricht im großen Interview über die Beziehung zu Trainer Peter Stöger, den Transfermarkt in Zeiten riesiger Ablösesummen, seine Liebe zu Köln und blickt auf das Wechsel-Theater um Anthony Modeste zurück. 

Herr Schmadtke, Sie wurden zuletzt von einem Fußball-Magazin als "bester Manager des Jahres" ausgezeichnet. Was ist Ihnen das wert?

Jörg Schmadtke: Den Preis habe ich nur bekommen, weil wir alle im Klub gut gearbeitet haben. Ich sehe das weniger als persönliche Auszeichnung an. Und am Ende bekomme ich sie auch nur, weil die Mannschaft einen tollen Job gemacht hat und Fünfter geworden ist. Für Platz Acht hätte ich keinen Preis bekommen, da gehe ich jede Wette ein - auch wenn die Arbeit die gleiche gewesen wäre.

Fühlen Sie sich jetzt als bester Manager der Liga?

Jörg Schmadtke: Nein. Ich denke nicht in solchen Kategorien und will nur meinen Job so gut wie möglich machen.

Bekommen Sie Anfragen anderer Klubs?

Jörg Schmadtke: Nein.

Warum nicht?

Jörg Schmadtke: Das müssen Sie mich doch nicht fragen.

Machen wir aber...

Jörg Schmadtke: Okay, vielleicht auch deswegen, weil viele Vereine ganz genau wissen, dass ich keine Intention habe, vom 1. FC Köln wegzugehen.

Jahrelang sah man Sie während der Spiele nur Kaugummi kauend. Damit haben Sie jetzt aufgehört, oder?

Jörg Schmadtke: Das stimmt. Kaugummi kauen hilft mir dann und wann schon mal gegen die Nervosität. Ein guter Freund von mir hat aber gesagt, dass das bei Spielen wirklich schlimm im Fernsehen aussieht (lacht). Und dann hat das auch sicherlich mit dem Vorfall in Hoffenheim zu tun. (Schmadtke musste vor anderthalb Jahren 8000 Euro Strafe an den DFB zahlen, weil er beim Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim einen Kaugummi Richtung gegnerische Bank geworfen hatte, d. Red.). Man sollte Dinge, die dir vielleicht passieren könnten, auch mal von vornherein ausschließen können.

Spricht man mit Leuten aus Ihrem Umfeld, sagen einige, dass Sie in Ihrer Zeit in Köln lockerer geworden sind. Haben die bisherigen vier Jahre beim FC Sie verändert?

Jörg Schmadtke: Ja, vielleicht haben sie mich etwas verändert. Ich habe Erfahrung dazugewonnen und kann sicherlich Dinge besser einordnen als früher. Von Haus aus bin ich ja ein Typ, der heiß laufen kann. Ich habe gelernt, mit Dingen relaxter umzugehen. Was mich vor Jahren noch sehr aufgeregt hätte, sehe ich heute entspannter.

Liegt das auch an der Stadt Köln?

Jörg Schmadtke: Ich schätze die Lebensfreude, Offenheit und Vielfalt in Köln. Das hat wohl auch auf mich abgefärbt. Im Verein haben wir eine zielgerichtete, konzentrierte Arbeitsatmosphäre, bei der man allerdings auch Spaß haben kann. Ich glaube, das kommt bei uns auch so rüber.

Trotzdem sind Sie mit Ihrer Frau nach Düsseldorf zurückgezogen.

Jörg Schmadtke: Düsseldorf ist meine Heimatstadt, und das will ich auch gar nicht verleugnen. Wir haben versucht, in Köln eine Immobilie zu finden. Dann haben wir aber in Düsseldorf etwas genau nach unseren Vorstellungen entdeckt. Und dort wollen meine Frau und ich jetzt auch zusammen alt werden.

Was nervt Sie an Köln?

Jörg Schmadtke: Sie sprechen auf das Leben in der Stadt an? Mich nervt da fast nichts.

Sie, Peter Stöger und Alexander Wehrle wirken zusammen fast wie Kumpel.

Jörg Schmadtke: Wir haben Bande, die von großer Sympathie getragen sind. Wir sind jetzt keine Best-Buddys, aber wir gehen durchaus schon mal privat zusammen aus. Unsere Saison-Abschlusstour hat sich mittlerweile etabliert. Ich finde es auch wichtig, dass man sich auch mal in einem völlig anderen Umfeld und in einer anderen Atmosphäre austauscht. Ich bin sehr dankbar, dass wir das hier hinbekommen.

Sie arbeiten schon sehr lange in dieser Konstellation zusammen. Kann das auch noch weitere fünf, sechs, sieben Jahre so anhalten?

Jörg Schmadtke: Das ist zwar schwierig vorherzusehen, aber unmöglich ist das auch nicht. Ich würde mich total darüber freuen, weil ich keine Abnutzung, keine stumpfe Routine bei uns sehe, dafür aber neuen, spannenden Herausforderungen entgegenblicke.

Haben Sie Befürchtungen, dass Peter Stöger dank seiner Arbeit abgeworben werden könnte?

Jörg Schmadtke: Wenn Peters Arbeit nicht beobachtet würde, dann müsste ich mir Gedanken über die Branche machen. Es kann sein, dass es irgendwann für ihn mal eine Verlockung gibt, die er nicht ablehnen kann. Dann würden wir darüber sprechen und mal schauen. Es gibt aber speziell in Deutschland nicht so viele Klubs, die Peter mehr reizen würden als der 1. FC Köln. Der FC ist schon etwas Besonderes.

Der Wechsel von Modeste nach China war bizarr.

Jörg Schmadtke: Wir haben da wichtige Erfahrungen gemacht, aus denen wir alle lernen werden. Das Ganze war im damaligen Moment stressig und belastend, aber damit muss man schon umgehen können. Es war mein schwierigster Transfer, weil es immer hin- und herging und sehr kompliziert war. Aber am Ende ist er über die Bühne gegangen - und alles ist gut.

Schmadtke blickt auf den Rekordtransfer von Modeste zurück

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In Köln fühlt sich Jörg Schmadtke sehr wohl. 

Der FC hat durch den Verkauf von Modeste eine Rekord-Ablöse kassiert, aber im Gegenzug auch die höchsten Ausgaben in der Vereinsgeschichte in Neuzugänge investiert.

Jörg Schmadtke: Es steckt sehr viel Geld im Markt, entsprechend ändern sich die Preise. Das kann man beklagen, anmahnen und sogar ablehnen, aber wenn du qualitativ gute Transfers tätigen willst, dann musst du heute das Portemonnaie öffnen. Die Parameter, um einen Preis für einen Spieler zu taxieren, sind aber in der Tat willkürlicher geworden. Und das macht den Markt so schwierig.

Sind Sie mit Ihren Transfers zufrieden?

Jörg Schmadtke: Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben.

Wer kann der nächste DFB-Nationalspieler des 1. FC Köln werden?

Jörg Schmadtke: Bei Jhon Córdoba wird es schwierig, weil der ja Kolumbianer ist (lacht). Das Potenzial dazu haben einige Jungs. Bei Jonas Hector hätte vor ein paar Jahren auch keiner gedacht, dass er mal eine Größe in der Nationalmannschaft wird. Das geht mir immer zu sehr unter.

Hätte Timo Horn mal eine Chance verdient?

Jörg Schmadtke: Von den Leistungen her definitiv. Er ist ein Top-Torhüter...

...der fast keine Fehler macht.

Jörg Schmadtke: Genau das wäre mein nächster Satz gewesen. Ich kann seine Fehler in den vergangenen vier Jahren an einer Hand abzählen. Und das ist schon ungewöhnlich für einen jungen Torhüter, dass er keinen Schwankungen unterliegt und Woche für Woche auf hohem Niveau seine Leistungen abruft.

Konstant diese Leistungen zu bringen, wird für alle Spieler aufgrund der Zusatzbelastung durch den Europapokal aber nicht einfacher.

Jörg Schmadtke: Körperlich sehe ich da weniger Schwierigkeiten, aber mental liegt die Herausforderung darin, nach den Europapokalspielen anschließend auch im Bundesliga-Alltag wieder die Leistungen genauso abzurufen.

Ist eine Wiederholung von Platz fünf möglich?

Jörg Schmadtke: Da sollten wir noch einmal einen Schritt zurückgehen: Warum sind wir denn Fünfter geworden? Da sage ich, weil vier Mannschaften geschwächelt haben und wir das durch unsere große Stärke, die Stabilität, klasse ausgenutzt haben. Wir können in absehbarer Zeit nicht seriös sagen, dass wir Platz fünf oder sechs attackieren. Das Geld-Ranking zwischen den Klubs ist so weit auseinandergedriftet, dass das, wenn alles normal läuft, nicht geht. Wenn aber jemand vor dir schwächelt, dann musst du da sein. Eine gute Saison ist für mich, wenn wir stabil und ohne größere Sorgen durch die Bundesliga kommen und zudem in der Europa League ein paar fantastische Erlebnisse mitnehmen können, die uns noch einmal bereichern und weiterbringen.

Und welcher Platz ist in der neuen Saison realistisch?

Jörg Schmadtke: Platz neun, zehn oder elf vielleicht. Vielleicht aber auch besser (lacht).

Das Gespräch führte Lars Werner

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