Leichlingen – Steht die Ampel auf Rot oder Grün? Sind die Rosen gelb? Bunte Markierungen in E-Mails oder Diagrammen, auf Landkarten oder Stromkabeln? Wer all das nicht gut erkennen kann, oft nur Grau- oder Brauntöne sieht, hat ein Problem - in der Schule, im Beruf, im Straßenverkehr und im Alltag.

Aber er ist nicht alleine damit: Neun Prozent aller Männer und fast ein Prozent aller Frauen, rund vier Millionen Menschen, leiden in Deutschland an einer Rot-Grün-Sehschwäche. Die genetisch bedingte Fehlsichtigkeit führt davon Betroffene zunehmend nach Leichlingen, wo ihnen geholfen werden kann. Seit zwei Jahren bietet Augenoptikermeister Franz Reckmann hier spezielle Chromagen-Kontaktlinsen an, die Farbsehschwächen durch individuell ausgewählte Filter ausgleichen.

Seit 1996 werden solche Speziallinsen in England eingesetzt, von woher sie bis heute importiert werden müssen. Nur etwa zehn Kollegen, schätzt Reckmann, bieten diesen Service bisher in Deutschland an. Und deshalb nehmen Kunden auch lange Wege in Kauf, um das seit 33 Jahren an der Brückenstraße ansässige Optik-Geschäft zu finden. Aus Hamburg, Frankfurt und Stuttgart, aus Norwegen und einmal - zugegebenermaßen allerdings auf der Durchreise - sogar aus Rio de Janeiro kamen schon Kunden mit Farbsehschwäche nach Leichlingen, um sich von Reckmann maßgeschneiderte Linsen aus England anfertigen zu lassen.

Integrierten Farbfilter stimulieren die Zapfen und Stäbchen

Die darin integrierten Farbfilter stimulieren die Zapfen und Stäbchen im Auge und gleichen so fehlende Pigmente aus. Der Erfolg der Methode und die Freude der Menschen, die dank der Linsen von ganz neuen Seherlebnissen schwärmen, ermutigen den 63-Jährigen, diese Nische zu füllen. Wie bei Fabio Ahle. Der Schüler aus Moers kam vor einigen Wochen aus dem Staunen nicht heraus, als er mit seinen neuen Chromagen-Linsen hinaus auf die Brückenstraße ging und im Lebensmittelgeschäft gegenüber die Farbpalette der Obst- und Gemüsekisten sah. Oder Gerd Liesch aus Hessen, der dank der Speziallinsen seine Arbeit als Hubwagenfahrer auf dem Vorfeld des Frankfurter Flughafens behalten hat.

Farbtüchtigkeit war dafür die Bedingung, weil der 56-Jährige die farbigen Warnsignale, Ampeln und Leuchten erkennen können muss. Der Arbeitsmediziner des Flughafens konnte ihm nach dem Besuch in Leichlingen das erforderliche Testat ausstellen. Auch mehreren Mechatronikern, die bunte Kfz-Kabelstränge identifizieren können müssen, hat Reckmann schon helfen können, ihren Beruf weiter auszuüben. Hilfreicher Nebeneffekt der Linsen, die etwa 100 Euro mehr kosten als herkömmliche Exemplare: Weil die Farbkorrektur offenbar die Reize der Sehnerven synchronisiert, helfen sie auch gegen Legasthenie und können Lese- und Rechtschreibfähigkeiten verbessern.