Papiertheater in WipperfeldBühnenzauber im Miniaturformat

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Tamino flieht vor dem Ungeheuer: Eine Szene aus der Oper „Die Zauberflöte“, die am Sonntag, 8. April, in Wipperfeld aufgeführt wird.

Tamino flieht vor dem Ungeheuer: Eine Szene aus der Oper „Die Zauberflöte“, die am Sonntag, 8. April, in Wipperfeld aufgeführt wird.

Wipperfeld – Moment, das müsste das grüne Exemplar sein. Peter Schauerte-Lüke greift vorsichtig nach der grasfarbenen Schnur. Im Nu setzt sich am Schnürboden der finster bemalte Miniaturbogen in Bewegung. Dessen Grundfläche ist kaum größer als die einer Bierkiste – und bietet doch die perfekte Kulisse für den Auftritt der Königin der Nacht.

Papiertheater bedeutet viel Handarbeit. Peter Schauerte-Lüke repariert die „Königin der Nacht“.

Papiertheater bedeutet viel Handarbeit. Peter Schauerte-Lüke repariert die „Königin der Nacht“.

Auf der Grenze zwischen Oberberg und Rhein-Berg betreibt Schauerte-Lüke seit diesem Jahr eines der letzten Papiertheater der Republik. Früher diente das kleine Fachwerkhaus dem Kölner Großvater als Zufluchtsort im Zweiten Weltkrieg. Heute beherbergt der Enkel darin gut 300 Bühnenbilder und mindestens doppelt so viele Figuren. Man kann sagen: Für alles, was es in den letzten drei Jahrhunderten in der Literatur, der klassischen Musik oder im Theater zu Weltruhm gebracht hat, besitzt der 66-Jährige die passende Kulisse.

Ob Märchen aus der Grimm’schen Feder, Goethes Faust, Mozarts Don Giovanni oder Parodien über Werke von Richard Wagner: technisch funktioniert das Papiertheater immer gleich und als Ein-Mann-Show. Peter Schauerte-Lüke verschwindet hinter dem dicken roten Vorhang. Dort hält er im wahrsten Sinne die Fäden und Schienen in der Hand.

Vorstellungen

Mit Vorstellungen an den drei kommenden Sonntagen startet das Burg Theater in die Wipperfelder Spielzeit. Am 8. April ist „Die Zauberflöte“ zu sehen. Am 15. April spielt das Papiertheater „Der gestiefelte Kater“, eine Woche später, am 22. April, „Rotkäppchen“.

Beginn ist jeweils um 15 Uhr in Untermausbach 4. Der Eintritt ist frei.

Weil die Zuschauerplätze begrenzt sind, bittet Peter Schauerte-Lüke um telefonische Anmeldung unter 01 60/5 54 24 47. (sfl)

Einen richtigen Holzboden bietet die kleine Bühne, die aus der Zuschauerperspektive an einen kleinen Schaukasten erinnert – inklusive Versenkung, aus denen meist die Bösewichte aufsteigen, um in die Handlung einzugreifen. Regelmäßig angekündigt mit ordentlich Rauch und Donner.

Rund ein Dutzend Miniaturbögen schwebt über der Szenerie aus der Zauberflöte. Im passenden Augenblick wechselt Schauerte-Lüke per Leinenzug den Hintergrund. Eben noch floh Tamino vor felsiger Urwald-Kulisse vor der Riesenschlange, der nächste Bogen gewährt detaillierten Einblick in das Sternenreich der Königin. Sämtliche Figuren werden per Schiene gesteuert, manche können sich auch um die eigene Achse drehen. „Oft sind das die Bösewichte. Sie muss man einfach mehr in Bewegung setzen, damit sie wirken“, erklärt Schauerte-Lüke.

Wie es sich für ein Theater mit diesem Namen gehört, ist die gesamte Ausstattung aus Papier gefertigt. Schauerte-Lüke setzt auf einigermaßen stabilen Karton mit einem Kern aus Hartschaum. Trotzdem: Papiertheater bedeute permanenten Reparaturbetrieb, lacht der Wipperfelder, der mit Pinsel, Klebstoff und Teppichmesser einige Figuren für ihren Auftritt aufhübscht (siehe auch Vorstellungen). Hier fehlt noch eine Hand, dort ein Hut.

Peter Schauerte-Lüke ist Puppenspieler, Regisseur und Bühnentechniker in einer Person.

Peter Schauerte-Lüke ist Puppenspieler, Regisseur und Bühnentechniker in einer Person.

Geboren wurde Peter Schauerte-Lüke in Bergisch Gladbach. Als junger Mann zog er in den Norden und eröffnete eine Buchhandlung gleich gegenüber einem kleinen Theater. Die Schauspieler stellten schnell einen Großteil seiner Kundschaft. Durch Zufall fiel Schauerte-Lüke ein britisches Papiertheater in die Hände. Cinderella, die komplette Geschichte in einem Papierblock.

Solch ein Theater im Handformat eigne sich doch bestens als Geschenk, wenn gegenüber Premieren gefeiert werden, dachte sich der Buchhändler. Statt gewöhnlicher Glückwunschkarte. Er recherchierte. Bald standen zwei Hamburger mit vollem Koffer in seinem Laden – gepackt mit Miniaturbögen, die im Krieg gerettet werden konnten. Ein halbes Jahr lang beschäftigte sich Schauerte-Lüke intensiv mit den Ursprüngen des Papiertheaters und befand: Als Geschenkkarte seien diese viel zu schade. Etwas später feierte Schauerte-Lüke selbst Premiere, mitten in der Buchhandlung.

Bei befreundeten Musikern lernte er das Singen, sämtliche Höhen und Tiefen, und wagte dann richtiges Neuland: Ganze Opern auf der winzigen Papierbühne. „In den großen Häusern wirken an solchen Stücken um die 150 Personen mit“, sagt Schauerte-Lüke nicht ohne Stolz.

300 Bühnenbilder und über 600 Figuren

Ab 2001 spielte er auf Schloss Burg. Den Namen Burg Theater führt er weiterhin – auch, wenn die Eigentümer des bergischen Wahrzeichens 2013 befanden, für das Papiertheater sei innerhalb der Burgmauern kein Platz mehr. Diese Entscheidung ärgert den Wipperfelder bis heute. Es gebe kein geeigneteres Medium, um Jung und Alt die Freude und Faszination von Märchen und Oper näher zu bringen, als das gute alte Papiertheater.

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