Knacki Deuser im Interview„Ich mag die Läufer einfach“

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Knacki_Deuser_sitzt - Fotograf Guido Schröder

Klaus-Jürgen Deuser beim ASV Köln

Herr Deuser, heute ist Freitag. Wie viel sind Sie in dieser Woche schon gelaufen?

Mit heute 57 Kilometer. Heute vierzehn Kilometer. Zwölf gesteigert, die letzten zwei etwas ruhiger. Ich wollte eigentlich vierzehn Kilometer lang steigern, aber am Ende war nichts mehr mit Steigerung. Am Dienstag standen 15 Mal 200 Meter mit Trabpausen auf dem Plan; da wusste ich am Mittwoch kaum, wie ich gehen sollte. Gestern viermal schnelle 2000 Meter, da war ich auch ziemlich platt.

Zu platt? Nein, gut platt, aber glücklich. Ich bin halt 55 und brauche dummerweise doch etwas Erholung. Und ich muss ein wenig darauf achten, nicht zu leicht zu werden. Ich bin jetzt bei elf Prozent Körperfett, damit bin ich wirklich zufrieden. Wenn man auf einer Bühne steht und zu viel abnimmt, sehen die Leute das im Gesicht. Das muss ja auch nicht sein (lacht).

Sie treiben nicht zum ersten Mal auf hohem Niveau Sport. In der Jugend bin ich Endläufe um die Deutsche Meisterschaft gelaufen, war Rheinland-Pfalz-Meister, Westdeutscher Vizemeister. Dann kamen aber meine Engagements am Theater. Ich bin noch einmal relativ untrainiert einen Halbmarathon in 1:10 Stunden gelaufen, da war ich 22 Jahre alt. Danach haben alle gesagt: „Mensch, du musst wieder voll einsteigen, daraus musst du was machen.“ Aber das war dann mein letzter Wettkampf. Ich war damals schon zu viel mit meiner Schauspieltruppe unterwegs. Es passte nicht mehr. Obwohl es mir schon gefehlt hat.

Zur Person

Klaus-Jürgen „Knacki“ Deuser geboren am 28. Mai 1962 in Kaiserslautern, ist ein Moderator und Comedian, der mit der Comedy-Show „Nightwash“ bekannt wurde. (ksta)

Was genau hat Ihnen gefehlt? Ich habe immer das Gefühl gehabt, dieses Wettkampfkapitel nicht abgeschlossen zu haben. Ich war zwar nicht Weltklasse. Aber ich war schon echt ganz gut. Irgendwie hatte ich immer im Hinterkopf, dass ich gern noch mal einen Wettkampf machen wollte.

Und dann? Ich habe mir im Fernsehen die Leichtathletik-Europameisterschaften angesehen, 1500 Meter. Meine Frau kam rein und sagte: „Guck mal, da rennen deine Beine!“ Da war ich natürlich erstmal beleidigt, weil ich fand, dass ich gar nicht so dünne Beine habe. Obwohl ich selbstverständlich so dünne Beine habe. In dem Moment wurde mir klar: Das ist dein Ding. 800 Meter  oder 1500 Meter. Dann habe ich herausgefunden, dass es Weltmeisterschaften für die Altersklassen gibt: Masters. Nur wir Deutsche schaffen es, so ein Ereignis Senioren-WM zu nennen, als ob wir mit einem Rollator laufen. Also: Es heißt Masters-Championships. Und da will ich im September in Màlaga laufen.

So etwas geht aber nicht nebenher. Nein. Ich habe Henning von Papen (bis Februar DLV-Bundestrainer der Frauen für Mittel- und Langstrecke, zudem Trainer beim ASV Köln, d. Red.) angerufen. Der hat sich von früher an mich erinnert; die wussten beim ASV Köln schon noch, dass ich einen ganz guten Schritt habe. Henning war da gerade in Rio bei den Olympischen Spielen. Ja, und dann haben wir einen Trainingsplan gemacht. Am 22. Mai 2017 hatte ich meine ersten Testläufe, richtig mit Spikes auf der Bahn beim ASV. Und alle so: „Boah, Knacki – das läuft ja super bei dir!“ Leider war es das danach erstmal für meine Wade.

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Kaputtgelaufen. Sagen wir so: Tolle Zeit, nur meine Wade war noch nicht so weit. Danach stand erst einmal Schwimmen und Radfahren auf dem Plan. Zwar auch vier, fünfmal die Woche. Aber nicht wie ein Verrückter, denn ich habe leider verstanden, dass wir jetzt einen Plan brauchen. Herz-Kreislauf baut man in drei Monaten auf. Die Muskulatur bekommt man in sechs Monaten hin. Aber der Gesamtapparat mit all seinen Sehnen und Gelenken, der braucht Zeit. Also haben wir konsequent mit Krafttraining angefangen, Koordination, Fußarbeit. Und viel mehr auf die Erholung geachtet. Und tatsächlich stehe ich jetzt ganz anders auf den Füßen.

Was bringt Ihnen das Laufen? Man steckt etwas rein, und es kommt etwas raus. Doch auch da bin ich zuerst in eine kleine Denkfalle geraten: Ich habe gedacht, ich stecke extrem viel rein, dann kommt auch extrem schnell extrem viel raus. Das ist aber nicht so. Es gibt eine grundsätzliche Erkenntnis, dass Menschen komplett überschätzen, was sie in einem Jahr schaffen können. Und komplett unterschätzen, was sie in drei Jahren schaffen können. Deswegen: ruhig anfangen, dann steigern und lange durchhalten.

Wie gehen Sie mit Ihrem Trainingsplan um? Schwierig sind die ganz harten Einheiten abends. Die schaffe ich nur mit der Gruppe, sonst höre auch ich gerne mal zehn Minuten früher auf. Wenn ich fünfzehn Zweihunderter laufe, diskutiere ich ab dem zehnten mit mir, dass es doch eigentlich jetzt genug ist. Doch wenn alle rennen, überlegt man es sich zweimal.

Sie haben auch Glück, weil Sie  Talent haben. Viele Marathonläufer würden lieber 800 Meter laufen... Weiß ich gar nicht. Wichtig ist nur, dass es mehr gibt als Marathon. Ich mag Marathon, aber es ist nicht meine Strecke. Und das ist es, was ich Menschen mit auf den Weg geben möchte. Laufen ist großartig, aber es muss nicht nur der Marathon sein: Macht doch mal Fünf-Kilometer-Läufe auf Tempo oder Hindernisläufe oder sogar wieder Leichtathletik. 

Grübeln Sie beim Laufen? Bei langen Läufen ja. Beim Training auf der Bahn frage ich mich höchstens, wie ich das durchhalten soll. Ich mache Visualisierungsübungen für die Wettkämpfe. Stelle mir vor, wie ich durchs Ziel laufe. Ich muss dann aber aufpassen, dass ich nicht zu schnell werde, weil mich diese Bilder sehr motivieren. Das Bild, wie ich als 17-Jähriger bei den Rheinland-Pfalz-Meisterschaften gewinne, das hole ich heute noch hervor. Eine mentale Stärke aufzubauen, hat ja nicht nur damit zu tun, Lampenfieber im jeweiligen Moment zu überwinden. Es geht ja schon darum, sich vorher in die Stimmung zu bringen, das abrufen zu können, was man kann. Da macht es keinen Unterschied, ob man an einen Start geht oder auf die Bühne. Wobei ich bei einem Start viel nervöser bin als auf der Bühne.

Warum? Frage ich mich auch (lacht). Ich bin 55 Jahre alt und gehe bei irgendeinem Lauf an den Start. Was soll mir eigentlich passieren? Und trotzdem bin ich total nervös.

Weil Sie das alles ja schon wahnsinnig ernst nehmen. Eigentlich finde ich es todlustig, was ich da mache. Erstmal bin ich ganz oft total stolz, weil ich mit den jungen Leuten mitlaufen darf. Die hier in meiner Trainingsgruppe, die sind so schnell, die haben alle einen Bundesadler auf der Brust. Und ich darf mit denen laufen. Wie cool ist das denn? Und ich liebe diese Volksläufe. Man ist mit fitten Leuten unterwegs und hat immer was zu quatschen. Ich mag die Läufer einfach.

Deuser

Knacki Deuser im ASV-Dress

Es ist also auch Spaß dabei? Natürlich, sonst würde ich es nicht machen.  Wenn ich manchmal vom Training nach Hause komme und meine Frau bitten muss, mir aus dem Auto zu helfen, weil ich es wieder übertrieben habe, dann geht das nur, wenn man sich über sich selbst lustig machen kann.

Wo nehmen Sie die Zeit her? Ganz ehrlich: Anderthalb, zwei Stunden – die findet man schon. Das ist die Botschaft dahinter: Es ist so viel mehr möglich, als man glaubt. Man muss die Zeit nur geschickt planen. Das heißt, du brauchst eine Idee, daraus baust du dir dein Ziel, und dann kommt der Plan. Wenn man sich vornimmt: „Ich laufe, wenn ich Zeit habe“, wird man nie laufen. Der Plan muss stehen, und dazu gehört dann, dass man auch trainiert, obwohl man keine Lust hat.

Unterscheidet Sie das vom reinen Hobbyläufer? Ja. Weil das der Deal ist, den man mit sich selbst abschließt. Ich habe meinen Blog „Knacki rennt“ auch nicht angefangen, um große Reichweiten zu erzielen. Sondern wegen des Commitments.

Was erwarten Sie in Málaga? Ich werde die 800 Meter laufen und dann schauen, ob ich stark genug bin für die 1500 Meter. Mein Ziel ist es, an die 2:10 Minuten zu kommen. Es gibt in meiner Altersklasse zwar noch ein paar Leute, die schneller sind. Aber wir werden sehen, wo es hinführt.

Und danach ist Schluss? Mein erstes großes Ziel ist Málaga. Aber ich überlege schon, anschließend weiter zu trainieren, denn ich brauche bestimmt noch anderthalb Jahre, um ganz nach vorn zu kommen. Mein Vater läuft immer noch, der ist 84. Das ist doch mal ein Ziel. Und es gibt wenig, das mir so viel Spaß bereitet wie Laufen...

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