Prozessauftakt in BonnEuskirchener Rockerboss durch Kugel verletzt

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Die wegen versuchten Totschlags Angeklagten und ihre Verteidiger Carsten Rubarth (hinten stehend) und Dr. Peter Krieger.

Die wegen versuchten Totschlags Angeklagten und ihre Verteidiger Carsten Rubarth (hinten stehend) und Dr. Peter Krieger.

Bonn – Es sollte eine Aussprache unter zwei Motorradclubs werden. Weil ein Mitglied des einen Clubs den Präsidenten des anderen Clubs beleidigt haben soll, sollte die Angelegenheit vor einer Bar unweit der Bonner Oper geklärt werden. Noch während der Geschmähte, der der Polizei wegen seiner Verbindungen zum Milieu bestens bekannt ist, versuchte, sich mit seinem Kontrahenten auf einen Kampf Mann gegen Mann zu einigen, peitschten plötzlich Schüsse am Belderberg. Rainer M. (Namen geändert) erlitt eine Schusswunde im Unterschenkel und wurde von seinen Freunden in Sicherheit geschleppt.

Vor dem Schwurgericht des Bonner Landgerichts begann am Dienstagvormittag der Prozess, in dem zwei Brüder einer syrischen Familie sich für die Schüsse auf den Mann wegen versuchten Totschlags verantworten sollen. Die Angeklagten, 36 und 31 Jahre alt, wollten sich zum Sachverhalt nicht äußern. Auch zwei ihrer Brüder im Saal wurden von Vorsitzendem Richter Josef Janßen in den Zeugenstand gerufen, und verweigerten jegliche Angaben zum Geschehen am 27. März 2015.

Ein Polizeibeamter, der als Kontaktbeamter zur Rockerszene aktiv war, schilderte die Ereignisse: Da habe sich der besagte Rockerclub in der Duisdorfer Rochusstraße versammelt, Rainer M. sei mit dem Handy am Ohr wild gestikulierend auf und ab gelaufen und habe gerufen, „der muss fallen“. Die Polizei habe die Rocker durchsucht und Rainer M. gegenüber eine Gefährderansprache gehalten, in man ihm erklärt habe, wenn er jetzt in Auseinandersetzungen provoziere, werde gegen ihn ermittelt

Wenig später kam es zum Showdown am Belderberg. Am Tatort fanden Spurensicherer mehrere Patronen, Teile von Geschossen und Geschosshülsen. Doch wer wann auf wen geschossen hat, stand nicht einwandfrei fest. Polizeiermittler hörten das Handy von Rainer M. ab und werteten Videos von Augenzeugen aus. Danach, so die Anklage, kämen die zwei Brüder, der eine aus Bonn, der andere aus Bad Honnef, für die Tat infrage. Gemeinschaftlich hätten sie geplant, Rainer M. zu töten.

Clanmitglieder verfolgen Verhandlung

Ein Dutzend Männer aus dem Clan der beiden Brüder verfolgte am Vormittag die Aussagen der Beamten und wartete gespannt auf den Auftritt von Rainer M., der die Männer im Zuschauerbereich des Sitzungssaales genau musterte, bevor er sich am Zeugentisch niederließ. Er wolle aussagen, verkündete er, der sich in der Vergangenheit mehrfach als „der King von Bonn“ bezeichnet hatte. Die Brüder, die nun vor Gericht säßen, so Rainer M., seien jahrelang wie seine echten Brüder gewesen, denn seine Eltern hätten sie mit Hilfe der Kirche als Flüchtlinge nach Deutschland geholt.

Er aber habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass die syrischen Familienmitglieder seine leibliche Familie nur ausgenommen hätten. Seine Freundschaft zu den Brüdern sei erloschen, als einer der Jungen seiner Mutter geraten habe, ihn anstelle ihres leiblichen Sohnes anzunehmen, als er gerade in Haft gesessen habe. Er sei jahrelang der Präsident der Rocker gewesen, das syrische Brüderpaar habe versucht, eine eigene Rockergang mit Hilfe von Euskirchener Libanesen ins Leben zu rufen.

Was genau ist nun am 27. März 2015 am Belderberg geschehen? Rainer M., der selbst in Euskirchen wohnt, schilderte, dass auf Vermittlung von zwei in Euskirchen wohnenden polizeibekannten Libanesen das klärende Gespräch stattfinden sollte. Am Belderberg habe er, begleitet von einem Clubkameraden, eine ganze Gruppe angetroffen, darunter auch die Libanesen aus Euskirchen. Auch die syrische-kurdische Gruppe sei mit einem Auto angekommen.

Noch während man versucht habe, einen Kampf Mann gegen Mann zu organisieren, um den Streit beizulegen, sei ein erster Schuss gefallen. Er habe einen Alu-Tisch hochgerissen, in den eine Kugel eingeschlagen sei. Ein Schuss habe ihn in den rechten Unterschenkel getroffen. Dann hätten ihn Freunde weggerissen. Einer der Libanesen habe sich schützend über ihn gestellt und Angreifer abgewehrt, die mit Tischen und Stühlen auf ihn eindreschen wollten. Auf dem Boden liegend habe er 20 Zentimeter neben seinem Gesicht ein Projektil in den Asphalt einschlagen sehen. Dann sei ihnen die Flucht gelungen.

Anhand von Videos von Augenzeugen versuchte Vorsitzender Richter Josef Janßen die Vorgänge jenes Abends präzise zu ermitteln. Das war nicht einfach, denn als die Schüsse fielen, war es dunkel, die Zeugen filmten mit ihren Handys aus großer Entfernung.

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