Alt-OBNorbert Burger ist gestorben

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Juli 2007: Heimliche Hochzeit - Norbert Burger gab während seiner Geburtstagsfeier in der Bastei seine Hochzeit mit Claudia Hövel bekannt. (Bild: Express)

Juli 2007: Heimliche Hochzeit - Norbert Burger gab während seiner Geburtstagsfeier in der Bastei seine Hochzeit mit Claudia Hövel bekannt. (Bild: Express)

Köln – Als er im Frühjahr 2008 nach seiner Krebsoperation wochenlang auf der Intensivstation liegen musste, als seine Lunge voller Wasser war und er kaum noch Luft bekam, da brachte er es fertig, seinen Zustand ohne Groll hinzunehmen. Er liebte sein Leben, auch in jenen Momenten noch, in denen ihm bewusst war: Das könnte jetzt eng werden. „Du hast deinen Job hier auf Erden gemacht, die Kinder sind okay, und deinen Grabstein hast du auch schon“ – so beschrieb Norbert Burger später seine Gedanken während des Aufenthalts in der Klinik auf dem Bonner Venusberg. „Auf jeden Fall war da nichts von: Ich müsste noch! Hätte ich doch! Ich hoffe, wenn es dann wirklich so weit ist, dass ich dann auch so gelassen bin.“

Norbert Burger, Sozialdemokrat, langjähriger Oberbürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Köln, glaubte, er habe den Krebs überwunden. Sie hatten ihm einen Teil der Leber herausgenommen und ihm danach Mut zugesprochen. Der Tumor sei entfernt, restlos.

Burger ließ es gemächlicher angehen. Er ließ sich einen Bart stehen, er trug einen Strohhut, der nach Urlaub in Frankreich aussah. Aber er hörte nicht auf, sich einzumischen. In seinem Haus in Junkersdorf gab das Telefon selten Ruhe. Viele hatten etwas zu besprechen mit ihm, dem pensionierten Stadtoberhaupt; er blieb, was er immer gewesen war: einer, der sich kümmert. „Im Kopf werde ich nie aufhören, ein Homo politicus zu sein“, sagte Burger dazu. Im Besonderen interessierten ihn zuletzt zwei Themen: das Zusammenwachsen Europas und das Erscheinungsbild seiner Vaterstadt. Er gehörte zu den Gründern einer Initiative, die gegen architektonischen Wildwuchs zum Schaden des historischen Kölns kämpft.

Als er 1980 Spitzenkandidat seiner Partei für die Kommunalwahl wurde, war er noch nicht der von allen Seiten hoch geschätzte Mann des Ausgleichs. Er war ein Kompromiss-Kandidat in einer tief gespaltenen SPD. Niemand ahnte, dass er die folgenden 19 Jahre Oberbürgermeister bleiben sollte. Er war der letzte ehrenamtliche Repräsentant vor der Reform der Kommunalverfassung und zugleich der letzte der großen Oberbürgermeister. Seine Vorgänger hießen John van Nes Ziegler, Theo Burauen, Ernst Schwering, Robert Görlinger und Konrad Adenauer. Keiner von ihnen war so lange im Amt wie er. Und keiner wird so häufig zitiert, wenn es darum geht, einen urkölschen Begriff zu umschreiben: Klüngel, so formulierte es Burger, sei „das Ausräumen von Schwierigkeiten im Vorfeld von Entscheidungen“.

1963 wurde er zum Leiter des städtischen Schulverwaltungsamtes ernannt. Der ehrgeizige Jurist stieg zum Schuldezernenten auf, wechselte nach Bonn zur Bundesregierung und entschloss sich dann doch für eine Karriere in Köln. Von 1985 an war er nicht nur ehrenamtlicher Interessenvertreter der Stadt, sondern auch hauptberuflicher Landtagsabgeordneter.

Burger stammt aus Ehrenfeld. Als Jugendlicher musste er nach dem Krieg Verantwortung für seine Familie übernehmen. Das hat ihn ebenso geprägt wie seine Sehnsucht nach einem friedlichen Europa. Er war ein Mann des Ausgleichs, konnte aber auch hartnäckig für Ziele kämpfen, an denen ihm etwas lag. Aussöhnung und Verständigung blieben ihm eine historische Verpflichtung. Er engagierte sich für den Aufbau etlicher Städtepartnerschaften, die Bündnisse Kölns mit Tel Aviv und Bethlehem, mit Israel und Palästina, sind eng mit seinem Namen verbunden. Mit Hans-Jürgen Wischnewski verband ihn mehr als eine politische Freundschaft. In Köln engagierte er sich im Vorstand der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.

Verwicklung in die Spendenaffäre

Burger war ein überzeugter Sozialdemokrat – bis 2002, als ihn seine Partei auf eine schmerzliche Probe stellte. Nach Bekanntwerden des Spendenskandals dachte er über einen Austritt nach. Burger war selbst verwickelt, zwei falsche Quittungen waren auf seinen Namen ausgestellt worden. Er fühlte sich zu Unrecht angegriffen; er habe nichts gewusst von den Machenschaften der Spendentrickser. Am meisten traf es ihn, dass ihm die eigene Landespartei nicht glaubte. Am Ende zahlte er eine Geldauflage.

Der Ex-OB saß regelmäßig mit anderen kölschen Urgesteinen wie Hans Süper oder Ludwig Sebus am Stammtisch. Das letzte Treffen Anfang Mai musste er absagen. Er sei nur noch müde, er komme gar nicht mehr auf die Beine. Er wolle nur noch schlafen.

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