Ausgebeutet, begraben, vergessen

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Kaum zu erkennen sind die kyrillischen Buchstaben auf dem unscheinbaren Grabstein eines russischen Kriegsgefangenen.

Kaum zu erkennen sind die kyrillischen Buchstaben auf dem unscheinbaren Grabstein eines russischen Kriegsgefangenen.

Auf dem Judenfriedhof in Elsdorf sind 21 Russen beigesetzt, die bei einem Angriff auf ein Lager der Zuckerfabrik getötet wurden.

Elsdorf - Klein, unscheinbar grau und mit Gras überwuchert - als Grabsteine sind die in die Erde eingelassenen Tafeln kaum zu erkennen. Weitab von den anderen Gräbern auf dem jüdischen Friedhof gelegen, sind die acht Steine dennoch aufgefallen, nämlich immer dann, wenn die Elsdorfer Grünen an einem 9. November auf dem eingezäunten Grundstück gleich neben der Zuckerfabrik der die Opfer des Nationalsozialismus gedachten, „Wir haben uns immer gefragt, wer da wohl liegen mag“, sagt Michael Broich.

Als der Bürgermeister im vorigen November das Gras habe mähen lassen und die Grabsteine wieder für jedermann zu sehen waren, entschieden die Grünen, nun der Sache nachzugehen. „Wir hatten Anhaltspunkte“, berichtet Broich. „Alte Elsdorfer sagten uns, dass dort Zwangsarbeiter der Zuckerfabrik beerdigt wurden, die bei einem Bombenangriff der Alliierten auf Elsdorf ums Leben gekommen waren.“ Den Männern sei der Zutritt in einen Luftschutzbunker verwehrt worden.

Die Grünen wandten sich an die Jüdische Synagogengemeinde in Köln, ans Landesarchiv, an das NS-Dokumentationszentrum in Köln, an den Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen und an die Gemeinde Elsdorf. „Tatsächlich sind dort acht russische Kriegsgefangene begraben, die fast alle bei dem Luftangriff getötet wurden“, fasst Broich zusammen. Nur zwei Namen sind vermerkt: Feodor Rubanow und Michael Talik. Eine Überraschung lieferte eine alte Gräberliste der Gemeinde: In einem vergessenen und nur sechs Quadratmeter großen Sammelgrab auf dem Judenfriedhof liegen weitere 13 Russen. „Da waren nicht nur wir erstaunt, sondern auch der Archivar“, sagt Broich. Wo das Grab genau liegt, ist unbekannt.

Zeitzeuge Heinrich Schwartz erinnert sich an die Kriegsgefangenen. An der Zuckerfabrik habe es ein mit Stacheldraht umgebenes Barackenlager gegeben. „Die Russen haben im Werk in der Kampagne gearbeitet und Rüben mit großen Gabeln von Anhängern und Waggons geladen“, sagt der 79-jährige Elsdorfer.

Die Geschäftsleitung von Pfeifer & Langen war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, doch hat das Unternehmen vor Jahren bereits bestätigt, dass „ausländische Kriegsgefangene“ in der Zuckerfabrik eingesetzt worden seien. Auch in den Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter hat die Kölner Firma bereits eingezahlt. Die Grünen wollen sich für eine Gedenkstätte stark machen und ihre Ergebnisse nun an den Internationalen Suchdienst weitergeben. „Hier geht es um Schicksale. Vielleicht warten irgendwo Angehörige auf Nachricht.“

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