Ausstellung im K21Auch Reisen im Kopf bildet ungemein

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„Battle“ (Kampf) - Video der belgischen Künstlerin Ana Torfs. (Bild: K 21)

„Battle“ (Kampf) - Video der belgischen Künstlerin Ana Torfs. (Bild: K 21)

Der Lichtbildvortrag hat einen festen Platz im akademischen Lehrbetrieb. Besonders beliebt ist er als Schulungsinstrument für angehende Kunsthistoriker. Im populären und bisweilen kommerziellen Unterhaltungssegment kennen wir die Ton-Bild-Schau hauptsächlich als wirkmächtigen Reisebericht, der sich wohl aus den holprigen Diaabenden in familiärer Runde entwickelt hat, die früher vollzogen wurden, als das Diapositiv noch als eindrucksvolles Medium galt. Zwischen diesen Eckpfeilern der intellektuellen Sozialisierung bewegt sich die 1963 geborene Belgierin Ana Torfs bei ihrem ersten musealen Überblick.

Jedoch haben die Reisen, von denen die Künstlerin in fünf verschiedenen Räumen und permanenten Vorführsituationen berichtet, weniger in handfesten Gegenden stattgefunden, sie sind in ihrer Realität konstruiert, laufen in unserer Vorstellung ab und treten Ergebnisse einer Landschaftspflege des Geistes auf. Das Material ist der europäischen Kulturlandschaft im weitesten Sinne entnommen und zu einem jeweils anderen Stück komponiert, verdichtet und choreografiert. Die Ausstellung versammelt Stücke aus den vergangenen 18 Jahren. Allesamt entspringen sie einem cineastischen Gestus mit Hang zum Besonderen. Torfs Werke sind Montagen aus Bild, Text und Wort, die ein Thema wie Jeanne d'Arc oder die Nachschöpfung von Rosselinis Film Viaggo in Italia mit chirurgischer Präzision entkleidet und wieder zu einem neuen Zusammenhang fügt. Dialoge aus dem italienischen Filmklassiker sind in Torfs jüngstem Werk „Displacement“ mit schwarz-weißen Bildfolgen von der schwedischen Ostseeinsel Gotland in Beziehung gesetzt. Die Projektion verläuft auf zwei gegenüberliegenden Wänden.

Relativ unbestimmte Orts- und Zeitangaben werden schriftlich eingeblendet und suggerieren den Reisebericht eines Paares von sieben Tagen Dauer. Den emotionslos gesprochenen Dialog kann der Besucher über Funkkopfhörer abhören und gleichzeitig die verschachtelte Inszenierung müßig gehend zu erfassen versuchen.

Vielschichtigkeit der Inszenierungen

Das erfordert Zeit und macht mehr Spaß, desto mehr man vom Ursprungsmaterial kennt. Leichter fällt mit Sicherheit der Einstieg in die Vorführung „Anatomy“ aus dem Jahre 2006, einem Ton-Bild-Stück über den bis heute nicht eindeutig geklärten Fall von der Ermordung der kommunistischen Politiker Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Berlin des Jahres 1919. Hier sprechen im Monitor-Video Schauspieler die von Ana Torfs gestrafften Exzerpte von Zeugenaussagen aus den Prozessakten von damals. Es entwickelt sich das sehr widersprüchliche Bild vom Tathergang, das sich hier im filmischen Duktus spiegelt, um sich dann auch noch durch eine szenische Diaprojektion aus dem Anatomischen Theater der Berliner Charité im gleichen Raum assoziativ anreichern zu lassen. Deutlich wird, dass die Künstlerin nicht eine Rekonstruktion von historischen, politischen oder literarischen Stoffen anstrebt, sondern eher über deren Wiederbelebung hinaus, die Wahrhaftigkeit von bildnerischer und sprachlicher Erzählung hinterfragt. Die Vielschichtigkeit dieser Inszenierungen gehorcht dem Brechtschen Credo vom epischen Theater. Ana Torfs realisiert sie mit der Präzision einer gut ausgebildeten Intellektuellen und leichtem Hang zum Manierismus.

K 21, Düsseldorf, bis 18. Juli. Katalog (Verlag für moderne Kunst Nürnberg) 29 Euro.

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