BASEBALL: Kauende Keulenschwinger

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Viel Geschicklichkeit ist auf dem Baseball-Feld gefragt: Versagt der "Batter" mit seinem Schlagstock, hat der "Catcher" mit seinem großen Fanghandschuh gute Chancen.

Viel Geschicklichkeit ist auf dem Baseball-Feld gefragt: Versagt der "Batter" mit seinem Schlagstock, hat der "Catcher" mit seinem großen Fanghandschuh gute Chancen.

Im Nervenkrieg gegen den Schläger greift der Werfer auf mehr als ein Dutzend Wurfvarianten zurück.

Der Mann auf dem Hügel ist kein Feldherr, aber er ist der wichtigste Mann in der Verteidigung. Richten sollte er sich nach dem, was sein Gegenüber zwischen den Beinen zeigt. Mit den Fingern nämlich gibt der tief hockende Fänger dem Werfer taktische Zeichen, wie sie den gegnerischen Schläger austricksen wollen. „Baseball ist zu fast 90 Prozent ein mentales Spiel“, weiß Doris Leinen, die den Sport selbst leidenschaftlich betrieben hat - und es weiterhin tun würde, gäbe es in ihrer Umgebung ein Damenteam. Da in der Voreifel aber nur die Männer vom Zweitligisten Zülpich Eagles sich mit ihren Gegnern um die Besetzungen der Bases und die möglichen Läufe nach Hause streiten, versucht die Lady, die Burschen in der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu setzen.

Schließlich gehört Baseball nicht gerade zu den Sportarten, bei denen jeder mitreden kann, nicht allein, weil eigentlich alles so typisch amerikanisch klingt. Da steht in der Mitte des eingezäunten Spielfelds, das die Form eines Viertelkreises hat, auf einer leichten Erhöhung der Werfer, Pitcher genannt. Er hat zwar einen Ball in der Hand, doch ist er der Chef der Verteidigung (Offense), hat in einem Halbkreis hinter sich vier Mitspieler, die Infielder heißen und den ersten Verteidigungsring bilden, und dahinter drei so genannte Outfielder, die die zweite Linie bilden. Alle schauen auf ihren neunten Mann. Der hockt, geschützt mit Maske und Brustpanzer, hinter dem Mittelpunkt des Geschehens, dem Schlagmal (Home-Plate), an der Schnittstelle der beiden Seitenlinien.

Dann kommen die Angreifer ins Spiel, oder vielmehr einer von ihnen. Denn der erste Schläger (Hitter) begibt sich aufs Schlagmal und ver sucht, den Flug des kleinen Lederballs vom Werfer zum Fänger dadurch zu verhindern, das er das etwa 160 Gramm wiegende Etwas möglichst weit in die Walachei drischt. Gelingt das, wird der Hitter zum Runner. Er wirft die Keule weg und versucht, am Ende der Seitenlinie das erste Base zu besetzen, bevor ein Verteidiger den Ball fangen oder aufsammeln kann. Seinen Platz am Schlag nimmt der nächste Angreifer ein.

„Das wird manchmal ein richtiger Nervenkrieg“, gibt Ralf Bauer, Pitcher der Zülpich Eagles, zu. Er hat so zwölf bis 14 Wurfvarianten im Repertoire, um den Mann am Schlag aus dem Rhythmus zu bringen. Zwar muss jeder Wurf exakt zwischen Knie- und Achselhöhe den Gegner passieren (das nennt man die Strike Zone), doch auf das Wie kommt es an. „Du kannst zu hart werfen oder einen langsamen Ball spielen,“ verrät der noch 29-Jährige aus Oberelvenich. „Speed“, könne man ihm mitgeben, ihn „hinter runterfallen lassen“, als Senker sozusagen, in einer Kurve werfen wie einen Bumerang.

Dem Baseballer aus Leidenschaft, der von Kindesbeinen an keine andere Sportart betrieben hat und seit 1985 im Verein ist, helfen dabei die Rillen im mit zwei Lederlappen vernähten Ball, der innen einen mit Garn umwickelten Kern aus Kork oder Holz hat. Anspannung vorm Wurf kennt er nicht. Zum einen verlässt er sich darauf, dass er im Fingerspiel mit Catchern wie Christopher Koncar die Schwachstellen der Schlagmänner schnell erkennt, zum anderen ist er „die Ruhe selbst“. Hauptsache, es ist genug Kautabak da.

Denn das Kauen gehört zum Baseball wie das Lasso zum Cowboy. Allerdings verlassen da einige die alt eingefahrenen Wege. Während die Traditionalisten die Dose mit den Tabakstreifen in der Gesäßtasche haben, stopfen die „Yuppies“ sich während der einzelnen Durchgänge (Innings) pausenlos Sonnenblumenkerne in den Mund. Gemeinsam ist beiden Parteien: Das Spucken während des Spiels bleibt keinem Zuschauer verborgen. Für Achim Gorsch kein Thema. „Das gehört dazu“, lacht der 38-jährige „Oldie“ im Zülpicher Team. Er hat erst Fußball, Handball, Volleyball und Basketball ausprobiert und blieb ausgerechnet bei der einzigen Ballsportart hängen, bei der man mit dem Ball keine Punkte machen kann. „Mich reizt die Vielseitigkeit“, gesteht der Spätberufene, der sich als Outfielder sehr wohl fühlt. „Als Pitcher musst du sehr viel Erfahrung haben, das Gespür für den richtigen Ball baut sich über Jahre auf.“ Allerdings tut Achim Gorsch auch über das Training unter John Cuip hinaus alles, um sich fortzubilden. Seinen Schlag verbessert er mit Bällen aus der Trainingsmaschine, doch gegen kleine Fehler mit großer Wirkung schützt kein Üben. „Wenn du einen Ball fallen lässt, den du eigentlich schon gefangen hast, dann fühlst du sich richtig schlecht“, gesteht Achim Gorsch. Doch dann kommt zum Tragen, was ihn am Baseball so fasziniert: „Das Team hält zusammen, da macht dir keiner einen Vorwurf.“

Jens Weiler nickt: „Der Mannschaftsgeist ist großartig.“ Der 26 Jahre alte Spieler aus Disternich ist fasziniert vom Baseballsport wie alle im Verein, und dabei ist es ein Zufall, dass er einer von denen ist, die auf dem ausschließlich für diese Sportart angelegten ehemaligen Fußballplatz von Base zu Base eilen und einen Home-run versuchen. Denn Jens ist aus der Pfalz, zugezogen also, und Baseballspieler, weil „es hier keine andere Sportart gibt.“ Und er kaut weder Tabak noch Sonnenblumenkerne - nur Kaugummi, pfundweise Chewinggum vorm Spiel. „Das stärkt die Nerven“, lacht er und freut sich auf das große Spektakel zu Pfingsten, am Wochenende kommen Teams aus ganz Europa nach Zülpich-Niederelvenich. „Von Freitag an geht es drei Tag lang laut, bunt, schrill, aber doch sportlich zu“, macht Doris Leinen Appetit.

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