Das Tanzforum sorgte für den Aufbruch in die Moderne

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Im Jahre 1960 begann Köln sich auch als eine Tanzstadt zu fühlen.

Die Ersten, die im neuen Opernhaus Tanzabende gaben, waren berühmte Gäste. Das Grand Ballet de l Opera de Paris reiste an, auch das Londoner Royal Ballet. Hoch lag nun die Messlatte für den Tanz in Köln. Dem konnte die Truppe, die unter Leitung von Lisa Kretschmar sich auf den Behelfsbühnen getummelt hatte, nicht entsprechen. Wie überall änderten sich die Ansprüche. Missmutig notiert dazu Herbert Maisch, Generalintendant bis 1957, in seinen 1968 erschienenen Memoiren: „Die Ballettomanie, wie sie heute die großen Bühnen erfasst hat, war noch nicht eingerissen.“

Köln darf da als Vorläufer gelten, denn 1960 begann es, sich als Tanzstadt zu fühlen. Aurel von Milloss wurde Ballettdirektor, ein Ungar, der schon in Mussolinis Italien Erfolge gefeiert hatte. Er überzeugte mit einem Ensemble von Format und ausgeprägt tänzerischem Stil. Sogar Maurice Béjart kam als Gastchoreograph: Am 15. Januar 1963 tanzten Tilly Söffing und Lothar Höfgen in der „Symphonie eines einsamen Menschen“, die ersten Deutschen, die sich an dieses Schlüsselwerk des Tanzes im 20. Jahrhundert wagen durften. Milloss zielte auf Erhaltung und Wandel der Tanztradition. Zu den Besonderheiten seiner drei Jahre (vor dem Sprung an die Wiener Staatsoper) gehörten ein „Don Quixote“, Ravels „Bolero“ und Beethovens „Geschöpfe des Prometheus“.

Nachfolger Todd Bolender, einstiger Meistertänzer aus Georges Balanchines New York City Ballet, erfüllte selten die Hoffnungen, die man auf ihn als Ballettschöpfer setzte, auch nach 1966 in Frankfurt nicht. Gise Furtwängler, die dann aus Münster kam und ihr Hauptwerk „ adam Miroir“ auf ein Libretto von Jean Genet und Musik von Darius Milhaud mitbrachte, konnte immerhin hervorragende Solisten wie Tilly Söffing halten. Doch der Kölner Rat war es Ende der 60er Jahre leid, ein 40-köpfiges Opernballett zu finanzieren. Und es ereignete sich der seltene Fall, dass ein Sparbeschluss einen Beitrag zur Tanzgeschichte herbeiführte.

Unter der Ägide des Ballettmeisters Peter Appel arbeiteten junge Tänzer mit choreographischer Begabung sich in die Ballettdirektion ein, und 1971 startete das Kölner Tanz-Forum. Es war die erste nichtklassisch arbeitende Truppe in der Bundesrepublik. Mit ihren vier Direktoren entsprach sie dem Mitbestimmungsideal des Theaters nach 1968: Helmut Baumann, Jürg Burth, Gray Veredon und Jochen Ulrich. Vom Schauspielhaus aus eroberte sie sich die Oper und setzte bald Maßstäbe für den modernen Tanz weit und breit.

Auch wenn nach und nach drei Direktoren absprangen und 1979 nur noch Jochen Ulrich blieb: Das Tanz-Forum bestach lange Jahre durch konsequente, jedoch keineswegs einseitige Erforschung stilistischer Möglichkeiten im neuen Tanz und eine Vielzahl hervorragender Tänzer(innen) wie Julie Christie, Svenbjörg Alexanders, Monika Montiva, Leszek Kuligowski oder Ralf Harster. Es verwies auf die Vergangenheit mit expressionistischen Tanzstücken von Kurt Jooss („Der Grüne Tisch“) und lud wichtige Choreographen des Modern Dance ein wie Glen Tetley, John Butler, Christopher Bruce und vor allem Hans van Manen. Dazu gesellten sich wegweisende Beiträge der Direktoren, von Ulrich etwa „Die vier Jahreszeiten“ oder „American Landscape“.

Mitte der 90er Jahre musste die Stadt Köln sparen wie selten zuvor. In dem ihm auferlegten Millionenspiel entließ der damalige Generalintendant Günter Krämer das künstlerisch allmählich erstarrende Tanz-Forum in eine schlecht finanzierte Freiheit, in der es nicht durchhalten konnte. Der Ersatz, Gastspiele vor allem aus dem Nederlands Dans Teater, funktionierte nur einigermaßen. Vor allem aber fehlten der freien Kölner Tanzszene Fixpunkt und Widerpart im städtischen Haus. Aus dem Debakel erwuchs das Engagement von Amanda Miller und ihrer Gruppe „Pretty Ugly“. Aber die Zukunft?

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